Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 30. Apr 2012 · Ausstellung

Zwischen Dämon und Unschuldsengel – Großformatige Kinderporträts von Hanna Nitsch in der Feldkircher Johanniterkirche

Über den aufgerissenen Boden der Feldkircher Johanniterkirche führt derzeit ein breit angelegter Holzsteg, der seitlich von einem großquadratischen Lattengerüst umzäunt ist, in dessen ausgesparten Flächen eigenwillige Kinderporträts gehängt sind, die von der 1974 in Freiburg im Breisgau und heute in Braunschweig lebenden und arbeitenden Künstlerin Hanna Nitsch geschaffen worden sind. In ihrer schrillen Farbigkeit scheinen die Bilder gleichsam zu schweben und in einem Zustand zu verharren, der zwischen unschuldiger Engelhaftigkeit, kindlicher Verletzlichkeit, Lolita-Syndrom und dämonenhafter Abgründigkeit hin- und herkippt.

Hanna Nitsch, von der unter anderem auch von der Art Bodensee Collection Werke angekauft wurden, malt nicht nur, aber immer wieder Kinder. Und zwar nicht irgendwelche, sondern ihre eigenen. Der eigens für Feldkirch geschaffene Zyklus ist  „Elisabeth“ betitelt. Es handelt sich um sieben Darstellungen ihrer jüngsten Tochter dieses Namens. Jeweils drei „Elisabeths“ auf jeder Seite begleiten den Betrachter auf seinem Gang über den Holzsteg. Das siebte Porträt steht freigestellt in der Sakristei und bezeichnet den Schlusspunkt der Serie. Unmittelbar davor besetzt in der verlängerten Achse des Holzsteges die Installation „Narziss" die Apsis der Kirche, in deren Zentrum ein Spiegel steht, der den Betrachter mit sich selbst konfrontiert und ihn quasi zu einer Art Gegenporträt verdonnert.

Unter der Oberfläche brodelt es

Beim Gang über den Steg kann sich der Kirchen-Kunstraum-Besucher dem Blick der Kinderaugen nicht entziehen. Zunächst scheint alles harmlos, wie eine Püppchen-Schema-Idylle. Doch der Schein respektive der zweite Blick folgt auf dem Fuß. Das Versprechen der heilen Welt wird nicht eingelöst. „Das Bild kippt vom Schönen ins Hässliche, vom Guten ins Böse“, benennt es Kurator Arno Egger. Und Künstlerin Nitsch betont: „So funktionieren doch viele gesellschaftliche Phänomene. Außen ist es glatt und schön, dahinter brodelt es. Auch in der Kirche. Um diesen Widerspruch zu darzustellen, eignet sich das Kinderthema.“

Der Exorzist" lässt grüßen

Nitsch trägt Tusche und Tinte schichtweise auf das Papier auf und lässt die Farben teils ineinander verlaufen. Durch den kalkulierten Einsatz von Rot, Türkis, Blau und Magenta neben Umbratönen erhalten die Porträts mitunter den Touch von glühenden Signalfarben. Die zerfließenden Konturen lassen dabei zusätzlich die Figuren wie losgelöst erscheinen.Die Künstlerin begibt sich auf eine Gratwanderung, die zwischen schriller Farbigkeit und gekonnter formaler Ausführung einen Ausgleich sucht. Die Kinderbilder taumeln zwischen ästhetischer Lieblichkeit und verheerendem Abgrund. Durch farbliche Kontraste und die ungewöhnliche perspektivische Direktheit inszeniert die Künstlerin einen psychologisch durchdrungenen Raum, der dem Betrachter äußerst nahe kommt, sich gleichzeitig aber seinem Zugriff entzieht. Die immer wieder dominierende Präsenz der knalligen Farbe Rot befördert die verschiedensten Assoziationen zutage. Sieht man „der Kleinen“ länger in die Augen und auf den verschmierten Rotmund, kann man sich durchaus an die blasphemische, obszöne, schreiende, geifernde und sich windende Tochter Regan (gespielt von Linda Blair) aus dem Horror-Klassiker „Der Exorzist“ erinnert fühlen.

 

Hanna Nitsch: „Elisabeth"
Johanniterkirche Feldkirch
Bis 2. Juni 2012
Di-Fr 10-12 u. 15-18
Sa 10-14 Uhr