Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 31. Mai 2012 · Ausstellung

Konstruierte „AN SICH T“en von Bild und Sprache - Zur Ausstellung „Zu Fall und Stelle“ von Ingo Springenschmid im Künstlerhaus Bregenz

Das Schaffen des sowohl in der Literatur wie auch in der bildenden Kunst tätigen Ingo Springenschmid bewegt sich im Spannungsfeld von visualisierten Texten und vertexteten Bildern. Das Künstlerhaus Bregenz widmet ihm derzeit eine große Retrospektive.

Im wesentlichen gibt die Schau im Palais Thurn und Taxis einen repräsentativen Einblick in die künstlerische Produktion Springenschmids in den letzten zehn Jahren. Einzelne Arbeiten wie etwa „No – On“ (1972) oder „Textfeld“ (1977)) reichen zwar noch viel weiter zurück, legen aber deutliche Spuren zu den Arbeiten der jüngeren Vergangenheit. So handelt es sich bei „No – On“ um ein aus Aluminium, Eisen, Sand und Fotografien bestehendes Objekt, in welchem sich der 1942 in Salzburg geborene Künstler mit Fragestellungen auseinandersetzt, die ihn noch heute berühren. Fragestellungen, die einander bedingende Gegensätze wie Innen und Außen, Davor und Dahinter, Bild und Abbild, Position und Opposition zum Untersuchungsgegenstand haben. Beim aus Papier und Maschendraht gefertigten „Textfeld“ handelt es sich um eine Installation, die in ihrem Diskurs zu Text und Bild noch für heutige Werke Springenschmids richtungsweisend ist.

Die Rolle des Duplikates

Der Titel der Ausstellung, „Zu Fall und Stelle“, leitet sich von Springenschmids zuletzt erschienenem gleichnamigen Buch ab, das sein poetisches Werk seit den 1960er Jahren dokumentiert, dessen Schreibanfänge von Robert Musil ebenso inspiriert waren wie vom deutschen Schriftsteller Jean Paul (1763-1825). Analog zu dieser Publikation zeigt Springenschmid unter anderem visualisierte Texte und Textinstallationen, die in Bezug zu Jean Paul stehen, in dessen assoziativen Schreiben er große Parallelen zum eigenen literarischen Schaffen findet. Jean Pauls literarischen Texten fehlen klare Handlungsverläufe. Er vertauscht Positionen, untergräbt Analogien, frönt den Mitteln der Spiegelung, der Verdoppelung oder der Rochade. Ein strategisches Arsenal, aus dessen Ressourcen sich auch die Bild- und Text-Formationen Springenschmids speisen. „Nach der Ausstellung 'Parallelstrategien' (1992) befasste ich mich – nach Variablen ohne konstruktivistischen Bindungen – mit der Rolle des Duplikates,“ sagt der Künstler. Das „Belegen der Worte durch Worte“ bedingt für Springenschmid a priori das Prinzip der Teilung. So führt er etwa in 24 Tableaus mit jeweils 24 Textzeilen und 24 x 24 Zentimeter Größe selbst verfasste „Textbänder“ vor, die engen Bezug zu Jean Paul haben. Die Zahl 24 leitet sich aus den 26 Buchstaben des Alphabets ab, wobei er die Initialien Jean Pauls ausklammert. Macht also 24. Bei der 26-teiligen Textinstallation dienen zwei Landschaftsfotografien in Schwarzweiß als „Platzhalter“ für die fehlenden Tableaus „J“ und „P“.

Die Seite vor der Seite

Im Original hat Springenschmid die Texte mit einer Schreibmaschine auf Vries geschrieben. Ein Material, das einen hautartigen Charakter habe, so der Künstler. Diese „Originale“ hängen an der Stirnseite des Raumes. Die daraus abgeleiteten 24 Teile der Installation „Die Seite vor der Seite“ (Siebdruck auf Birke) haben eine Vorder- und eine Rückseite. Die Texte A bis Z sind zum Betrachter hin ausgerichtet, während die Texte Z bis A der Wand zugewandt sind. Ergänzt werden diese Jean-Paul-Zyklen durch ein mit Tusche „gemaltes“ Doppelporträt Jean Pauls (Papier, Vlies), das im 1. Obergeschoss platziert ist.

„Wie man Bilder sieht, kann man auch Texte sehen,“ sagt Ingo Springenschmid. Dieser Handlungsanweisung des Künstler kann man in allen von ihm belegten Räumen des Palais Folge leisten, denn es gibt keinen Raum, der nicht mit Textinstallationen und Collagen bestückt wäre.

Modulares System

Für den Vorarlberger Künstler mit Salzburger Wurzeln haben Literatur und bildende Kunst eine ebenbürtige Wertigkeit. Buchstaben, Silben und Wörter sind für ihn Bauteile, mit denen er Texte und Bilder konstruiert. Texte werden gesehen, Bilder gelesen. Springenschmid: „Malerei vertritt in der Ausstellung den Part des Lesens, der Text den Part des Sehens. Als ein 'Zusehen' werden beide 'Strategien' evident.“

Die zentrale Mitte der Ausstellung wird also von Textbildern und Collagen gebildet. In die Ausstellung eingestreut sind aber auch Skulpturen. Neben „No – On“ etwa die drei „Objets trouves“ von „AN SICH T“ oder „Zu Vor“ - ein ganz neues Objekt aus Holz, Glas und Aluminium. Auch wenn diese skulpturalen Werke sehr wohl mit den „Vertextungen“ und Collagen korrespondieren, können sie auch als Ausstellung in der Ausstellung gelesen werden. Und dass Springenschmid auch ein hervorragender Maler ist, belegen die Landschaft in Öl „Il Montello“ (1995 – 2012) oder das Porträt von William Carlos Williams (2004).

Letztlich ist im Kabinett im 1. Obergeschoss auch ein Video zu sehen, das wiedergibt, wie Springenschmid an einem sonnigen aber sehr windigen Apriltag dieses Jahres sämtliche 24 Texte der Jean-Paul-Installation liest. Im selben Outfit (gestreiftes Leinenhemd, helle Hose, struppige Frisur) wie bei dieser Lesung führte der Künstler im Rahmen einer Matinee am Pfingstmontag selber durch die Ausstellung. Eine bewusste Inszenierung, anhand derer sich das Spiel um Position und Opposition, um Bild und Abbild, um Singularität und Duplikation an seiner eigenen Person nochmals nachvollziehen ließ.

Ingo Springenschmid: „Zu Fall und Stelle“
Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz
Bis 24. Juni 2012
Di - Sa 14 - 18, So/Fe 10 - 12 u. 14 - 18
www.kuenstlerhaus-bregenz.at