Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Niedermair · 08. Dez 2019 · Ausstellung

„work in progress“ – Maria Anwander im Magazin 4

Die Künstlerin beschäftigt sich in dieser Sonderausstellung mit dem Kunstbetrieb an sich. Dabei reflektiert sie kritisch und mit feinen poetisch-humoristischen Anspielungen das Ausstellungswesen und die Ausstellung als Modell. Gestern Abend wurde im Magazin 4 die Ausstellung, die bis 2. Februar 2020 zu sehen ist, eröffnet.

Vor ein paar Jahren, im Frühjahr 2016, kuratierte Maria Anwander im Künstlerhaus Thurn und Taxis in Bregenz die Ausstellung „Quotenfrauen“. Dort befassten sich die vier Künstlerinnen Lenka Clayton, Marlene Haring, Annette Hollywood und Annika Ström mit der Rolle der Künstlerin im Betriebssystem Kunst und den speziellen Herausforderungen, die der Kunstmarkt unter dem Aspekt der Gleichberechtigung mit sich bringt. „Frau-Sein“ allein sei auch in der Kunst und Gender-Perspektive immer noch „kein Programm“, dass Frauen und Männer jedoch gleiche Zugangschancen zu allen gesellschaftlichen Lebensbereichen haben müssen, sollte eigentlich außer Streit stehen, würde man meinen. Damit bezeichnete sie jenen thematischen Referenzort, der sie weiterhin in unterschiedlichen Formen beschäftigt. So wie auch diesmal. "work in progress" ist Maria Anwanders erste Einzelausstellung in Bregenz.
Für Thomas Schiretz im Kulturamt der Stadt Bregenz ist Maria Anwander ein Monolith in der Vorarlberger Kunstlandschaft. Er kennt ihre Arbeiten seit vielen Jahren und schätzt die in Berlin lebende Künstlerin als autonom Kunstschaffende. Im Pressetext der Kulturabteilung heißt es: „Maria Anwander widmet sich in ihrer generell sehr konzeptuellen Arbeitsweise subversiv den institutionalisierten Hierarchie- und Regelsystemen sowie dem gesellschaftlichen und künstlerischen Regelbruch. Eine wichtige Rolle spielen dabei Aneignung, Autorschaft, geistiges Eigentum und die Frage nach Original und Kopie. Oft führt die Dekonstruktion des eigentlichen Werkes an die verschwimmende Grenze zwischen Objekt und Imagination.“

work in progress“

So auch in der jetzigen Bregenzer Ausstellung „work in progress“, in der sich die Arbeiten changierend zwischen selbstreferenziellem Werk und Skizze wiederfinden. „work in progress“ – das noch nicht fertige bzw. unvollendete Werk – steht exemplarisch für eigentlich die meisten Arbeiten Maria Anwanders. Unvollendet oder einfach noch nicht komplett abgeschlossen befinden sie sich oft über mehrere Jahre in einer Phase des Ausfaltens und Weiterwachsens. Beispielhaft für dieses sich über Jahre im Entstehungsprozess befindliche Arbeiten ist das oft gezeigte und viel besprochene Werk „My Most Favourite Art“, für das die Künstlerin in etwas mehr als fünfzehn Jahren ca. 90 Werkschilder aus Museen und Galerien entwendet und gesammelt hat. Derzeit steht diese erstmals öffentlich präsentierte Serie „In the Studio“, die sie 2016 begonnen hat, bei 128 Fotos, die sie mit Selbstauslöser aufgenommen hat. Darauf zu sehen ist die Künstlerin in ihrem Berliner Atelier. Im Magazin 4 sieht man an der Wand Markierungen, die die Leerstellen für weitere Aufnahmen bezeichnen. Vor den bereits gehängten Bildern stehen am Boden weitere zum Aufhängen bereitstehende Fotos in Kartonschachteln. Ob diese schließlich tatsächlich an die Wand kommen, ist jetzt zu Beginn offen und bleibt bis zum Ende der Ausstellung am 2. Februar 2020 offen. Dann erst werden wir sehen, wie die Künstlerin mit dieser Frage verfährt. Sie hat mittlerweile in Eigenregie produzierte, gelb bemalte Post-its in Großformat als Platzhalter für Arbeiten, die eventuell noch dazukommen, bereitgestellt. Mit diesen avisierten, in Aussicht gestellten Zeichnungen mit Pigment und Graphit verweist sie auf eigene Werke. Mit diesem Ausgesparten, dem virtuell offen Gebliebenen, entsteht parallel ein Raum des Wartens, der den Betrachter*innenblick nach vorne in Bewegung setzt und auch die Künstlerin selbst mit dem zu entwickelnden Thema in Schwebe konfrontiert. Auf den über 100 Bildern ist auch die Künstlerin selbst zu sehen, sichtbar oder teilsichtbar, teils halb anwesend oder halb abwesend, je nach Perspektive und Kameraposition. Die Geste jedenfalls hat etwas Offenes, auch Irritierendes. Damit scheinen die Betrachter*innen in diesen Prozess der Schwebe involviert, sie werden zu einem Teil des unfertig Fertigen.    

Die Ausstellung als Modell der Ausstellung

Den Ausstellungsraum selbst inszeniert Maria Anwander zu Beginn der Ausstellung als ein Modell in Originalgröße. Die zu präsentierenden Arbeiten sind angedeutet und mit Platzhaltern markiert. An der Wand finden die Besucher*innen die überdimensionierten handschriftlichen Notizen der Künstlerin zur Ausstellung. Das Imaginäre ist bei Maria Anwander eine Konstante. Hier in der Bregenzer Ausstellung erweitert sie diese Haltung spielerisch. Die neuen Werke bleiben nur Konzepte, die Umsetzung wird in Aussicht gestellt. Die Andeutungen fungieren als Platzhalter und reflektieren die oben bezeichnete Atmosphäre der Schwebe und werfen darüber hinaus auch die Frage auf, ob wir denn überhaupt in einer Ausstellung sind. So werden die Andeutungen selbst zum Kunstwerk. So wird das Modell der Ausstellung selbst zur Ausstellung, die wiederum als Modell fungiert. Manche einzelne Arbeiten nehmen im Lauf der Ausstellung die Stelle ihrer Platzhalter ein, manche Platzhalter werden zur Arbeit. Wie sich die Ausstellung bis zum Ende entwickelt und inwieweit sie dem „work in progress“-Prinzip folgt, wird sich zeigen – spätestens bei der Finissage am 2. Februar 2020.

„No masterpieces only works“

Die spielerisch-humoristische Seite spielt auch in dieser Ausstellung eine große Rolle. Die Künstlerin hat wiederholt die Geschlechterpolitik gerade im Kunstbetrieb kritisiert. In Anlehnung an Yoko Ono treffen wir auf die Position: „It’s time for action! (There’s no option)“ Und die Künstlerin setzt fort: „Unsere von Männern jahrhundertelang dominierte und geprägte Gesellschaft ist offensichtlich nicht bereit, sich aus freien Stücken in Richtung Gleichstellung zu bewegen. Die ‚Frauenquote‘ scheint für die Durchsetzung der Gleichberechtigung unverzichtbar zu sein und ist gleichzeitig so umkämpft, dass der Begriff ‚Quotenfrau‘ schon fast zum Schimpfwort geworden ist. Dass die Kunst und die Menschen, die sich mit ihr befassen, generell aufgeschlossener und fortschrittlicher sind als der Rest der Bevölkerung, bleibt in vielerlei Hinsicht leider nur ein Klischee, genauso wie die oft beschworene Überwindung der Geschlechterdiskriminierung. Seit jeher dominieren Männer die Kunstwelt. Nach wie vor herrscht eine ungleiche Verteilung von Aufmerksamkeit, Erfolg und Ruhm – Künstlerinnen sind in den wichtigen Museen und Ausstellungen immer noch unterrepräsentiert.“ (aus dem Gespräch mit Maria Anwander zur Ausstellung „Quotenfrauen“ 2016 im Thurn und Taxis)
Anwander zitiert in der jetzigen Ausstellung John Baldessari und macht aus seiner Arbeit „Throwing Three Balls in the Air to Get a Straight Line“ ein zweideutiges „Baldessari without Balls“. Das Imaginäre oszilliert zwischen Poesie und anarchistischem Statement und pendelt in einem fort zwischen Ausstellung und Modell der Ausstellung. Damit unterläuft sie unterschwellig den laufenden Kunstbetrieb, legt ihn mit den Stilmitteln der Ironie bloß und verführt die Besucher*innen in den Illusionsraum der Kunst.

Maria Anwander

Die in Bregenz geborene Konzeptkünstlerin Maria Anwander lebt in Berlin und in Bregenz, studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien Medienkunst und Bildhauerei, an der Universität Wien Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Ihre Arbeiten wurden in Einzelausstellungen gezeigt im Kunstverein Friedrichshafen (2018); Arratia Beer, Berlin (2016); Kunst Halle Sankt Gallen (2014), Steve Turner Contemporary, Los Angeles (2014); Project Room Aquarium, Casino Luxembourg (2012); AC Institute, New York (2012) sowie in Gruppenausstellungen im Kunstmuseum St. Gallen (2018); Kunsthalle Darmstadt (2017); Kunsthalle Mainz (2015); Museum Morsbroich, Leverkusen (2015); Austrian Cultural Forum, Washington (2015); MMOMA, Moscow (2010) sowie bei der Moscow Biennale und der Manifesta 12 in Palermo. Neben Auslandsstipendien in New York, Paris, Bilbao, Los Angeles und Mexico City 2015 wurde ihr Werk mit dem Internationalen Kunstpreis des Landes Vorarlberg gewürdigt. Im Jahr 2017 erhielt sie das Dorothea-Erxleben-Stipendium, und im Herbst 2019 wurde sie mit dem Förderpreis der Klocker Stiftung ausgezeichnet.

So, 8. Dez. 2019 bis So, 2. Feb. 2020 (außer 13., 24., 25., 26., 27. und 31. Dez. 2019 sowie 1., 2., und 3. Jän. 2020)
Öffnungszeiten: Di bis So, 14 bis 18 Uhr, Fr, 14 bis 16.30 Uhr
im Magazin 4 (2. OG) in Bregenz

Begleitprogramm                                                                                                                           So, 8. Dez. 2019, 16 Uhr: Führung durch die Ausstellung mit Maria Anwander
So, 5. Jan. 2020, 16 Uhr: Künstleringespräch
So, 2. Feb. 2020, von 16 bis 18 Uhr: Finissage mit der Künstlerin