Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 06. Jän 2019 · Ausstellung

Stühle, auf die man sich lieber nicht setzt – Zur Ausstellung „Kunst – Design“ im Quadrart Dornbirn

Für die mittlerweile bereits 32. Ausgabe der Ausstellungsreihe „Ansichten“ haben die Betreiber der Dornbirner Kunsteinrichtung quadrArt, Uta Belina Waeger und Erhard Witzel, mit Harald Bichler den Inhaber und Leiter der Wiener Galerie „Rauminhalt“ als Gastkurator ins Ländle geholt. Bichler hat aus der Sammlung Witzel zwei Arbeiten von Michael Craig-Martin ausgewählt und diese in einen Dialog mit den Werken von zehn österreichischen beziehungsweise internationalen KünstlerInnen und DesignerInnen treten lassen.

Die Überlegung, dass Design einer praktischen Anwendungsfunktion folge, während Kunst „sinnlos“ sei - respektive der Nutzen der Kunst rein philosophischer oder ideeller Natur sei -, gilt bis heute. Aber es hat im Zuge der "Postmoderne" immer wieder Bestrebungen gegeben, die Grenzen zwischen diesen beiden Disziplinen aufzubrechen. Kurator Harald Bichler verweist in diesem Zusammenhang etwa auf Donald Judd, Oswald Oberhuber, Ron Arad oder Peter Weibel, die begonnen hätten, die strikte Trennung von Design und Kunst zu überwinden und im Zwischenbereich zu arbeiten. „Angesichts der politischen, wirtschaftlichen und glaubensspezifischen Krisen der letzten Jahre führt uns ein möglicher Weg aber wieder hin zum Interdisziplinären“, postuliert Bichler.

Judd und Co verstanden es, mit konstruktiven Boden- und Wandstücken aus teils industriellen Werkstoffen die Betrachterschaft zu irritieren und deren Blickwinkel zu verändern. Mit einem Male galt es zu überlegen, ob es sich bei den Objekten um Kunst oder Design handle oder das eine im anderen verschmelze.   

Alltagsgegenstände linear konturieren    

Auch Michael Craig Martin bedient sich solcher Prozesse. Jedoch wird bei ihm das Gebrauchsobjekt durch einen künstlerischen Prozess, in diesem Fall durch Einbettung bzw. Hinführung in die bildhafte zweidimensionale Ebene, fast schon zur Ikone stilisiert. Craig-Martin, der bereits 2006 mit Ausstellungen im Kunsthaus Bregenz und in der Johanniterkirche Feldkich ein großes Gastspiel im Ländle gab, begann in den späten 1970-er Jahren in einfacher Linienführung mit einem feinen Linienzug Alltagsgegenstände zu konturieren. Er fand zu einer Bildsprache, die die von ihm dargestellten Objekte in ihrer Komplexität und Einfachheit zugleich zu sich selbst und zur Welt in Beziehung setzt. Als typische Sujets dominieren bei dem 1971 in Dublin geborenen irisch-britischen Künstler Alltagsgegenstände wie Sessel, Kleiderbügel, Taschenlampe oder Handy. Einige seiner Arbeiten basieren auf vor rund 35 Jahren entstandenen Zeichnungen, die als eine Art Schablonen den Grundstock für unterschiedliche Kombinationen auf Leinwänden und Wandflächen lieferten. Der irische Künstler stellte die Objekte wie Modelle im Atelier auf und zeichnete sie ab. Als aber in den 1990-er Jahren die Computertechnik so weit war, ihm Fotografien der Objekte bereitzustellen, ging er sukzessive dazu über, das Material mit der Computermaus zu bearbeiten.

Harald Bichler hat sich aus dem Fundus der Witzel-Sammlung zwei Siebdrucke von Craig-Martin ausgesucht, wobei auf dem einen ein Bügeleisen von Man Ray („Cadeau“, 1921) sowie ein Kaffeehausstuhl von Thonet aus dem Jahre 1906 und auf dem anderen Warhols „Campbell's Soup Cans“ (1962) sowie ein Arne Jacobsen Stuhl (Modell 3107, 1951) abgebildet sind.    

Grenzwertige Objekte    

In Assoziation zu diesen Ausgangswerken haben die ins quadrArt eingeladenen Künstler und Designer "grenzwertige" Objekte entwickelt, anhand derer das Interface zwischen Kunst und Design in der jeweils eigenen Kunstsprache aufgearbeitet wird. Teils greifen die Werke eine an die Pop-Art erinnernde Ästhetik auf, so wie das auch von Craig-Martin zelebriert wird. Und so wie eine scheinbare Gebräuchlichkeit in den Siebdrucken nur als Abbild vorhanden ist, ist auch bei den in der Ausstellung präsentierten Arbeiten, bei denen es sich hauptsächlich um Stuhlobjekte handelt, nur eine imaginäre Nutzung gegeben. Denn bei den meisten gezeigten Stühlen empfiehlt es sich, sich nicht darauf zu setzen.    

So präsentiert etwa Bert Löschner seine leopardfell-gemusterte „Sitzschale RrR“ aus lackiertem Polyester auf einem mit Klebebändern umwickelten Karton. Setzte man sich auf die Schale, bräche die Schachtel ziemlich sicher ein. Loeschner, aus Zwickau stammend, ist international mit stapelbaren Plastikgartenstühlen bekannt geworden. Er setzt sich schon seit langem mit industrieller Fertigung alltäglicher Gebrauchsgegenstände auseinander und transformiert diese handwerklich in seine Werkstrategie.    

Oder der 1953 in Salzburg geborene Künstler Jakob Gasteiger hat einen Stuhl in einen hochgestellten Betonquader gegossen. Oben schauen nur gerade einmal die vier Enden der Stuhlbeine hervor. Von einer praktischen Nutzung dieses „Möbels“ ist dringend abzuraten. Gasteiger, eigentlich ein Maler und sinnlicher Minimalist, war übrigens schon des öfteren in der Dornbirner Galerie c.art zu sehen. Er stellt in seinem Werk immer wieder neue Fragen an die Bereiche zwischen Bild, zwischen Flächen und Raum oder zwischen Materiellem und Immateriellem.    

Auch das Stuhlobjekt des in Wien lebenden und arbeitenden Gilbert Bretterbauer reicht über das streng Funktionale weit hinaus. Es ist geprägt von einer intensiven, fast schrillen Farbigkeit, gewundenen Linien und „chaotischen“ Perspektiven. Bretterbauer kann auch auf eine Dozentur an der Universität für Gestaltung in Linz verweisen.

Desweiteren in der praktischen Anwendung unbenutzbar ist der mit Gaffa-Bändern überzogene Stahlrohrstuhl von Patrick Rampelotto, denn er wird wie eine Wandskulptur in rund 1,8 Meter Höhe zur Schau gestellt. Grundsätzlich arbeitet Rampelotto mit Überresten kultureller Gegenstände wie etwa weggeworfenen Massenprodukten, Prototypen, die nie produziert wurden, archivierten kristallenen Lampen, Maschinen ohne Verwendung. Seine Entwürfe wurden in Massen unter anderem für Interio oder Quinze & Milan realisiert.    

Einen mit Kunststoff überzogenen Stahlrohrstuhl präsentiert der 1948 in Lunz am See geborene Künstler Hans Kupelwieser. Seinen Skulpturenbegriff entwickelte Kupelwieser während seiner Studienzeit an der Universität für angewandte Kunst in Wien unter dem Einfluss des Ästethikprofessors Bazon Brock und Peter Weibels. Seine Arbeiten zeugen immer wieder von einem Aufbrechen der starren Grenzen zwischen den Disziplinen. Kupelwieser postuliert mit seinem Schaffen, dass es für alle Objekte unterschiedliche Erscheinungsformen beziehungsweise unterschiedliche Aggregatzustände gibt.      

Gefundene Stühle spielen im Werk des in Wien lebenden Künstlers Bernhard Hausegger eine wesentliche Rolle. Er überzieht die „Findlinge“ in der Regel wie eine Haut mit Polyester. Die Gelenke und Schrauben werden dabei überdeckt und parallel dazu die Struktur der Stücke akzentuiert. „Es ist eine Geste des Beutemachens, wenn Hausegger sich des kollektiven Bildgedächtnisses bedient!“, konstatiert die Hausegger-Kennerin Sabine Dortschy.


Ob es sich um ein Sitzkissen oder um ein skulpturales Objekt handelt, fragt man sich bei der Arbeit von Mareike Schnabl (Jahrgang 1982), die am Bauhaus Dessau sowie bei Erwin Wurm studiert hat. Bei dem markanten Gebilde „Black Cloud inside“ (2018) formieren sich schwarze, Styropor-gefüllte Polyester-Schläuche zu einem wolkenartigen Gebilde.       

Die Funktion aushebeln    

Aber nicht nur stuhlartige Elaborate sind in „Ansichten XXXII“ auszumachen, sondern auch andere an der Grenze zwischen Design und Kunst balancierende Werke. Schräg etwa das scheinbar in der Luft erstarrte Duscheschlauchstück von Anna Paul Stuerzenbecher („Douche – an Installation piece“, 2015, Aluminium, Messing). Die 1987 geborene Künstlerin ist unter anderem mit mobilen Dampfbädern bekannt geworden, die sie in Wiener Gemeindebauten aufstellte. Ihr Werk steht für einen analytischen Blick auf kollekiv gesellschaftliche wie individuelle Zugänge zu Materie und Objekten.    

Die in Wien lebende und arbeitende Künstlerin Elisabeth Penker ist mit einer Wandskulptur aus mit Acryl bemaltem Pappelsperrholz (O.T., 2002) in der Ausstellung vertreten. Penker untersucht anhand von Sprachmorphologie die Verbindungen von Skulptur zur musikalischen und visuellen Grammatik.

Neben zweien an die Wand gehängten anonymen japanischen Sakesäcken („Sakebukuro“, ca. 1900) aus Baumwolle rundet letztlich ein „Stehpult für zwei“ (2011) von Gisela Stiegler die Ausstellung ab. Die minimalistischen Skulpturen Stieglers flirten üblicherweise mit dem Design und gaukeln eine Funktion lediglich vor. Denn sie sind aus leichtem Polystyren geschnitzt und werden mit Metallbändern verstärkt und zusammengehalten. Die Beschaffenheit des Materials knockt die vorgetäuschte Funktionsform sprichwörtlich aus.    

Ansichten XXXII: „Kunst – Design?“
Gilbert Bretterbauer, Jakob Gasteiger, Bernhard Hausegger, Hans Kupelwieser, Bert Loeschner, Anna Paul, Elisabeth Penker, Patrick Rampelotto, Mareike Schnabl, Gisela Stiegler sowie Michael Craig-Martin
quadrArt Dornbirn
bis 23.2.
Do - Sa 17 - 19 und nach tel. Vereinbarung: +43 (0)680 123 18 44
www.quadrart-dornbirn.com