Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Anita Grüneis · 20. Feb 2019 · Ausstellung

Nora Turato im Kunstmuseum Liechtenstein: Ehemaliges hat keine Gültigkeit mehr

Im Kunstmuseum Liechtenstein wird eine große Premiere gefeiert: Zum ersten Mal werden die Arbeiten von Nora Turato in einer umfassenden Einzelausstellung gezeigt. Mehr als zwei Wochen lang haben die Künstlerin Nora Turato, Kurator Fabian Flückiger und Techniker des Museums an der Ausstellung „Nora Turato. explained away“ in den Räumen im oberen Stock gearbeitet. Bei der Medienkonferenz war das Ergebnis der Arbeit zu besichtigen. Nora Turato selbst war anwesend, aber doch abwesend – ihre Dauer-Anwesenheit am Handy glich einer Performance. Die anwesenden Journalisten schienen sie eher weniger zu interessieren als die Welt „da draußen“. Um diese Welt, die durch den kleinen Computer – auch Smartphone genannt – in der Handtasche, in der Hosentasche und in der Hand herumgetragen wird, dreht es sich auch bei den Werken der Künstlerin.

Musik in Worten verborgen

Nora Turato, in Kroatien geboren und in Amsterdam wohnhaft, hat früher in einer Punkband gesungen. Ihr Instrument war die Stimme, ihr Körper wurde bestimmt von Rhythmen. Das ist auch der Ausstellung anzumerken, vor allem den abgedunkelten Räumen, in denen mittels Video gesungene Wort-Botschaften vermittelt werden. Nora Turato versteht es, die Worte durch ihre Stimme, ihr Timbre und ihre jeweiligen Betonungen zu Bildern werden zu lassen - Poetry-Slam als poetisches Wort-Konzert samt Video. Hingegen bestehen die Bilder, die sie in den großen Räumen zeigt, aus Schriften. Die Künstlerin spielt mit der Digitalisierung und der eigenen Handschrift, mit der sie ihre Botschaften übergroß direkt an die Wand malt. Damit erhält ihre Ausstellung sowohl Einmaligkeit als auch Vergänglichkeit – denn nach Ende der Ausstellung werden die Wände übermalt. Zurück bleiben digitale Erinnerungen. „Die Wandmalereien sehen harmlos aus, waren aber ein Kraftakt“, meinte der Kurator Fabian Flückiger an der Medienkonferenz. Im letzten Raum der Ausstellung erfolgt für ihn eine Punktlandung mit dem Satz: „the world is like a cactus, it’s impossible to sit down“. Was anmutet wie eine plumpe Weltbeschreibung ist ein Stück Populärgeschichte, denn diese Songzeile von Jacques Dutronc sorgte in den 60er Jahren für Schlagzeilen. 

Mit Worten Themen skizzieren

Nora Turato überkritzelt die aus der Umwelt gefundenen Botschaften gerne selbst, das wirkt wie Graffiti, weist aber auf Störungen in den digitalen Datenübertragungen hin. In der Werbebranche sind diese Scribbles auch ein Mittel zur Ideenfindung. Für den Betrachter ergeben die „Schmierereien“ einen Unterbruch in der Lesart der Sätze – womit er gezwungen wird, zu raten oder neue Worte zu erfinden. Und schon eröffnet sich ein neues Spiel, ein neuer Raum. „Die von Turato geschaffenen Räume bestehen aus modularen Elementen, die kunsthistorische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts verhandeln und sich zu jeder Performance verändern“, heißt es in der Medienmitteilung. Die Künstlerin wird übrigens im Rahmen der Ausstellung zwölf Performances durchführen, dies auch im März und im Mai.  

Altes und Neues im Kontext 

Für Christiane Meyer-Stoll, Mitglied der Direktion des Kunstmuseums, ist diese Ausstellung die siebte Station in der Reihe „Erste Museumsausstellung, erste Publikation“, die sie vor Jahren konzipierte. Ziel dieser Ausstellungen war es, vorhandene Werke der Staatlichen Kunstsammlung in einen Kontext mit den Arbeiten junger Künstlerinnen und Künstler zu bringen. So finden sich in den von Nora Turato gestalteten Räumen auch Bilder von Leiko Ikemura, Regina Marxer, eine Installation von Anne-Marie Jehle sowie eine Performance von Gina Pane und Werke von Matthias Gröbel und Bruno Jakob. Durch die ungewohnte Umgebung mit den zeitgenössischen Werken erfahren die Objekte der jüngsten Vergangenheit noch einmal mehr Tiefe und einen neuen Zugang.

Alles lässt sich nicht erklären

„Explained away“ nannte Nora Turato ihre Ausstellung. Das ließe sich mit „etwas weg erklären“ übersetzen und so meinte denn auch Kurator Fabian Flückiger beim Rundgang durch die Ausstellung, dass er genau das tue, wenn er das Werk von Turato zu erklären versuche. Dabei wird immer etwas wegfallen, etwas nicht berücksichtigt, etwas verschwinden. Und so ist es denn auch das Beste, sich dieser Kunst auszusetzen, sie auf sich wirken zu lassen.