Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Karlheinz Pichler · 20. Feb 2019 · Ausstellung

„Du bist wie ich – ich bin wie du“ – Fotos von Nikolaus Walter und Texte von Monika Helfer in der Sparkassenzentrale Feldkirch

Im Schulheim Mäder werden an die 70 junge Menschen mit Körper- und schweren Mehrfachbehinderungen aus allen Regionen Vorarlbergs pädagogisch, therapeutisch und medizinisch betreut und in ihrer Entwicklung begleitet. Im Rahmen des Projektes „Du bist wie ich – ich bin wie du“ haben sich Schwarz-Weiß-Fotograf Nikolaus Walter und Schriftstellerin Monika Helfer über einen längeren Zeitraum immer wieder in dieser Einrichtung aufgehalten und die Eindrücke fotografisch und literarisch festgehalten und verarbeitet. Die berührenden Ergebnisse sind aktuell in der Sparkassenzentrale in Feldkirch zu sehen und zu lesen.

Der französische Fotograf Henri Cartier-Bresson (1908-2004), der auch von Nikolaus Walter sehr geschätzt wird, sagte einmal: "Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man mehr als eine Sekunde schaut." Von den Bildern, die im Schulheim Mäder entstanden sind, sieht man sich jedes einzelne besonders lange an. Zum einen, weil hier der ungewöhnliche Alltag von Menschen mit enormen Benachteiligungen in konzentrierter Form visualisiert wird. Zum andern, weil in den Bildern wie auch in den Texten direkt spürbar wird, dass Fotograf und Autorin viel von sich selbst eingebracht haben und versucht haben, den Begriff der „Inklusion“ für Teilhabe auf eine spezielle Stufe zu stellen.

Ahmet, Lina, Denisa, Toni, Melissa, Maxi und wie die Kinder alle heißen – Walter und Helfer haben sich mit jedem einzelnen der jungen BewohnerInnen des Schulheims auseinandergesetzt, Nähe aufgebaut und aus der natürlichen Vertrautheit dann die entscheidenen Situationen und Augenblicke festgehalten. 
Der Titel der Ausstellung „Du bist wie ich – ich bin wie du“ etwa bezieht sich auf ein Foto, in dem eine Betreuerin ein Kind eng an sich drückt. Das Bild transportiert das innige Verhältnis zwischen Kind und Betreuerin. Monkia Helfer schreibt dazu:

Beide sind wir Menschen
Ich war einmal genau so alt
wie du
Ich habe gern die
Teigschüssel ausgeschleckt
So wie du
Ich habe gern im Garten
gespielt
So wie du
Am liebsten mag ich
Wenn ein Mensch
den ich lieb habe, mich
streichelt     

Andere Fotografien geben Einblicke in wichtige Tätigkeiten wie etwa Bewegung im Wasser oder Fingerübungen, oder sie berichten von Lieblingstätigkeiten. So sieht man etwa Toni am Boden auf einer Matte liegen und aufmerksam seine Mantra-CD abhören, die ihn in Gedanken in Reisen in ferne Länder versetzt. Oder Maxi, der seinen Koffer durch das Schulheim zieht. Ein Bild, das Helfer in Worte fasst:

Maxi macht gern Faxen
Mit Jedem, der ihm
begegnet, will er reden
Er versteckt sich unter dem
Tisch
Er fährt mit seinem kleinen
Koffer
Als würde er auf Reisen
gehen    

Unbefangen und offen

Dass der Feldkircher Fotokünstler Nikolaus Walter ein speziell ausgeprägtes Gespür für sein Gegenüber und den Blick für den „richtigen Moment“ hat, wird in diesem Schulheim-Mäder-Zyklus besonders evident. Der Unbefangenheit und Offenheit, die aus den Gesichtern und Bewegungen der Kinder sprechen, geht ein intensives Zugehen auf die jungen Menschen voraus. Walter besuchte das Schulheim mit solcher Regelmäßigkeit, dass er für die Kinder schon fast zum Inventar gehörte und ihnen gegenüber jene freie Zwanglosigkeit bedingte, die sich in den Bildern widerspiegelt.

Schriftstellerin Monika Helfer wiederum gelingt es, mit einer sehr kurzen, szenischen Prosa, die situativen Geschehnisse unmittelbar auf den Punkt zu bringen. In wenigen Zeilen beschreibt sie Situationen aus dem Alltag der Kinder und Jugendlichen und vermittelt so die ganz eigenen Emotionen, die das Schulheim zu einem speziellen Ort machen.    


Die Bevölkerung sensibilisieren     

Maria Bauer-Debois, Direktorin, und Arnt Buchwald, Geschäftsführer im Schulheim Mäder, wollen mit diesem Projekt nicht zuletzt darauf verweisen, wie wichtig es sei, die Bevölkerung für die besonderen Bedürfnisse von Kindern bzw. Jugendlichen mit Beeinträchtigung zu sensibilisieren. Aber ebenso wichtig sei es auch, aufzuzeigen, welche Höchstleistungen deren Eltern jeden Tag in der Pflege und Betreuung erbringen. Die Ausstellung eröffne einen inspirierenden und bewegenden Blick auf den großartigen Einsatz, der von vielen Händen im Dienste der Inklusion und des sozialen Miteinanders geleistet werde, so die beiden Schulheimleitenden. Die vor Ort betreuten Kinder und Jugendlichen würden "mit ihrer Liebe, der Freude, die sie ausstrahlen und ihren individuellen Geschichten jeden Tag zeigen, dass sie sind, wie wir alle, nämlich wertvolle Menschen mit Stärken und Schwächen, Wünschen und Bedürfnissen".
Begleitend zur Ausstellung hat das Schulheim Mäder auch eine Broschüre mit dreizehn Fotografien von Nikolaus Walter sowie fünf Texten von Monika Helfer herausgegeben. Auch die genauen Aufgaben, Hintergründe und die teils total elementaren Abläufe im Schulheim Mäder werden in diesem Heft geschildert. Unter anderem ist etwa zu lesen: „In Klassen, in denen vorwiegend schwerstmehrfachbehinderte Kinder gefördert werden, wird viel Zeit für Pflege, Essen und Trinken benötigt. Zu erfahren, wie eine Frucht schmeckt, oder zu fühlen, wie ein Teig schmeckt, kann ebenso Teil des Lernens sein, wie der Versuch, Kommunikation aufzubauen, den eigenen Körper zu spüren oder sich zu bewegen. In anderen Klassen wiederum wird versucht, Kulturtechniken (rechnen, schreiben, lesen) anzubahnen. Neben der Arbeit in der Gruppe gehen die Pädagog/innen in Einzelförderstunden auf die individuellen Bedürfnisse der SchülerInnen ein.“
Die Broschüre kann übrigens kostenlos über das Schulheim Mäder bezogen werden.

Du bist wie ich – ich bin wie du
Sparkassenzentrale Feldkirch, Sparkassenplatz 1
bis 1.3., geöffnet während der regulären Schalterzeiten