Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 09. Feb 2022 · Ausstellung

Motorräder und Frauen als immer wiederkehrendes Motiv - Sigrid Hutter im Kosmos Theater Bregenz

Im Foyer und im Atelier des Theater Kosmos in Bregenz sind derzeit 31 Acryl-auf-Leinwand-Arbeiten der 2017 im Alter von 49 Jahren verstorbenen Künstlerin Sigrid Hutter zu sehen. Im Zentrum dabei eine Reihe markanter Beispiele aus dem Zyklus „100 Frauen“, den die ehemalige Xenia-Hausner-Schülerin im Jahre 2005 begonnen hatte.

Auslöser der Serie „100 Frauen“ war für die 1968 in Bregenz geborene Sigrid Hutter die Auseinandersetzung mit der Schweizer Schriftstellerin, Journalistin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach (1908-1942), deren zeitlose Androgynität sie zeitlebens in Bann zog. Das Porträtgemälde Schwarzenbachs bildete für die Künstlerein gleichsam den Startschuß zu einer „lesbischen Ahnengalerie“. Da die Schweizer Dichterin der Schauspielerin Erika Mann sehr zugetan war, setzte Hutter auch diese ins Bild, so wie auch weitere junge Rebellinnen wie etwa Stephanie Hollenstein oder Grete von Urbanitzky. Urbanitzky (1891-1974) war eine österreichische Autorin, die sich in ihren Romanen vor allem mit der Stellung der Frau bzw. Künstlerin in Gesellschaft und Öffentlichkeit der damaligen Zeit befasste, die weibliche Homosexualität thematisierte und Kritik an der bestehenden bürgerlichen Sexualmoral übte. Aber auch Acryl-Darstellungen von Diven wie Dorothea Neff und Marlene Dietrich, Künstlerinnen wie Romain Brooks, Helene Weigel und Natalie Barney oder berühmte Literaturschaffende wie Patricia Highsmith oder Simone de Beauvoir sind im Foyer des Theater Kosmos zu sehen.      

Frauenporträts sind auch Selbstporträts      

Die ausgebildete Textildesignerin hat sich das malerische Handwerk unter anderem an der Salzburger Sommerakademie in der Klasse von Xenia Hausner angeeignet, der Tochter des Malers Rudolf Hausner, der als einer der wichtigsten Vertreter des Österreichischen Phantastischen Realismus gilt. In der Folge war Sigrid Hutter dann auch als Assistentin von Hausner tätig. Xenia Hausner schreibt im 2010 erschienenen Katalog zu Hutters-Frauenporträts: „Sigrid Hutter fängt Augenblicke der Nachdenklichkeit ein, der Selbstbesinnung, der versammelten Ruhe, als wäre das ein Atemholen, ein kurzes Innehalten, um sich dann wieder neuen Aufgaben zu widmen. Es sind Resümees. Es ist, als würden die abgebildeten Frauen im Augenblick ihrer Darstellung ihr Leben noch einmal an sich vorüberziehen lassen. (…) Und auch immer malt die Malerin sich in ihren Bildnissen natürlich selber mit. Ihre Frauenporträts sind immer auch Selbstporträts. (…) Sigrid Hutter ist eine sehr genaue, sehr präzise Beobachterin, eine Protokollantin von Seelenzuständen. Für Sigrid Hutter gilt der Satz, den Flaubert über sich gesagt hat: Madame Bovary, das bin ich.“
Neben Frauen waren es auch Motorräder, die nicht nur im realen Leben (ihre Ducati war ihre „Freundin“) sondern auch als Motiv für Bilder eine zentrale Stellung bei Sigrid Hutter einnahmen. Von 2013 bis 2016 erstellte die Künstlerin beispielsweise im Auftrag von BMW insgesamt 144 Motorradgrafiken von historischen Bikes für den „Concorso d’Eleganza Villa d’Este“, einer Ausstellung für Oldtimer am Comersee. Teils schlechte Fotovorlagen setzte sie hier mittels Editierstift und Wasserfarben akribisch genau fotorealistisch aufs Papier. Aber auch bei Acryl-auf-Leinwand-Arbeiten tauchen schwere Maschinen immer wieder als Blickfang in Erscheinung. In der Kosmos-Galerie wird dies etwa durch ein Beispiel aus der Serie „Motorcycle-Diaries“ veranschaulicht. Hutter meinte selber einmal dazu: „Motorradfahren als Leidenschaft findet selbstverständlich auch Eingang in meine Kunst. Ob als freie Komposition auf Leinwand - oder meist Auftragsarbeiten auf Papier - die Schönheit der Technik fasziniert mich immer wieder aufs Neue.“
Gerade in den dem Kosmostheater angeschlossenen Galerieraum gezeigten Arbeiten werden auch Einflüsse von Xenia Hausner spürbar. Auch bei Hausner, einer der wichtigsten Malerinnen Österreichs der Gegenwart, werden die
Themen und die Geschichten vorrangig von Frauen verkörpert, die so stellvertretend für alle Genderzugehörigkeiten agieren.     

Feministische Zeichensetzungen.     

Neben ihrer künstlerichen Arbeit setzte sich Sigrid Hutter als Aktivistin auch stark für die Gleichstellung homosexueller Menschen ein. Beispielsweise beteiligte sich die Künstlerin 1996 massgeblich an der Organisation und Abhaltung des „6. Lesben- und Schwulenforums“, das trotz heftigem Widerstand seitens des damaligen Dornbirner Bürgermeisters im Martinspark durchgeführt wurde. Sie engagierte sich zudem stark für feministische Zeichensetzungen. So initiierte sie von 2002 bis 2004 drei Feldkirch-Festivals für die in der Vorarlberger Kunstszene krass unterrepräsentierten Künstlerinnen.
Typisch für Hutter ist auch, dass sie sich zu ihrem 40. Geburtstag beide Arme mit einem Zitat tätowieren ließ, das Michelangelo zugeschrieben wird: „Reiß aus der Glut mich und von ihr getrennt muss an das Lebens Bächen ich verderben. Ich nähr' mich nur von dem was glüht und brennt und leb' von dem, wovon die anderen sterben.“ Ein bemerkenswertes Statement, das untermauert, dass Hutter stets eine Grenzgängerin war und dass das Mittelmaß für sie keine Option war.
Hutter stellte im Übrigen seit 1988 regelmäßig aus. Von 1998 - 2012 führte sie das Farbenmalgeschäft „Der Bunte Hund“ in Feldkirch, bevor sie sich ausschließlich der Malerei widmete und in Galerien in Deutschland und Österreich immer mehr Fans und Sammler:innen für sich gewinnen konnte.

Sigrid Hutter: Frauenporträts
bis 20. Februar im Rahmen von Veranstaltungen des Theaters
Individuelle Besichtigen
: andrea.fritz@wortwerk.cc, Tel. 0699 19037485
Theater Kosmos, Bregenz
www.theaterkosmos.at