Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 31. Jän 2022 · Ausstellung

Fotografische Verortungen von Stadt, Land und Fluss im Bildraum Bodensee

Der Bildraum Bodensee präsentiert im Rahmen seiner auf Februar verschobenen Ausstellung, die in Kooperation mit dem Traklhaus Salzburg organisiert wird, sechs künstlerische Positionen, die sich mit unterschiedlichsten fotografischen Mitteln spezifischen Orten annähern. Die bereits in der Dezember-Jänner-Ausgabe der KULTUR angekündigte Ausstellung wird am 4.2. eröffnet.

Der Titel der Ausstellung, „Stadt Land Fluss“ soll bewusst Assoziationen zum gleichnamigen Wissens- und Wortspiel zulassen, bei dem möglichst schnell zu einem vorgegebenen Buchstaben eine Stadt, ein Land und ein Fluss niedergeschrieben werden müssen, so die Kuratorin Verena Kaspar-Eisert. „Es reicht das Wort, weitere Informationen zu den Orten sind nicht notwendig. Ganz im Gegensatz dazu setzen sich die KünstlerInnen der Ausstellung eingehend und über einen längeren Zeitraum mit einem Ort auseinander. Angetrieben durch ein ausgeprägtes Interesse, zu verstehen und zu vermitteln, bringen die Künstler:innen vielschichtige fotografische Ortsuntersuchungen in die Ausstellung ein - ohne Anspruch auf Objektivität“, so die Kuratorin.  

Streifzüge durch die Straßen Kairos

Der 1974 in Graz geborene und heute in Wien lebende Künstler Peter Garmusch etwa ist ein Vielreisender, der sich gerne temporär in fremde Städte begibt, um sich in einem angemieteten Studio intensiv mit seiner neuen Umgebung auseinanderzusetzen. Im Bildraum wartet er mit Straßenszenen auf, die er in der ägyptischen Metropole Kairo aufgenommen hat, die teils kurios, bizarr oder geheimnisvoll erscheinen und auf eine subtile Art schräge, eigensinnige Erscheinungen bildlich festhalten. Beispielsweise sind parkende Autos zu sehen, die mit Planen abgedeckt sind und für den Künstler wie „Zufallsskulpturen“ erscheinen.
In seinen Erkundungsgängen durch das pulsierende Kairo versuchte der Künstler grundsätzlich,  ästhetischen Alltagsphänomenen nachzuspüren und mittels Fotografie „magische Objekte“ aus der gewöhnlichen Realität herauszufiltern. Garmuschs Fundstücke, die er der gigantischen Stadt entlockt, die wundersamen Alltagsskulpturen, entsprechen gleichsam einer zoomartigen Markierung einer genauso alltäglichen wie außergewöhnlichen Besetzung der Bühne „Stadt“.

Hommage an eine Südtiroler Siedlung

Anja Manfredi, Jahrgang 1978, stammt aus Lienz im Osttirol. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Eva Schlegel (1999–2005) und an der Schule für künstlerische Photographie unter der Leitung von Friedl Kubelka (1998/99), deren Leitung sie 2010 übernommen hat. Ihre fotografische Verortungsstrategie hat einen persönlichen und familiären Ausgangspunkt, denn sie setzt sich mit der Südtiroler Siedlung in Osttirol auseinander, in der sie aufgewachsen ist und in der ihre Eltern auch heute noch leben. Die Großeltern Manfredis waren sogenannte „Optanten“, die 1940 aus Südtirol kamen, um in diesen Siedlungen ein neues Zuhause zu finden. Die Künstlerin hat von dieser großelterlichen „Südtiroler Siedlung“ ein breitangelegtes fotografisches Porträt erstellt. Darin widmet sie sich den Architekturen, den städtebaulichen Besonderheiten, den Wohn- und Gartenanlagen, aber auch den Pflanzen und Tieren, die Teil der Siedlung sind. Die Künstlerin nahm auch Keimlinge aus der Siedlung mit ins Atelier und dokumentierte deren Entwicklung mithilfe bildgebender Tools. Manfredi erzeugt mit dieser „Hommage“ eine unerhört atmosphärische Dimension der Erinnerung.

Spiel mit kollektivem Bildgedächtnis

Mit dem 1962 in Hard geborenen Fotografen und Filmschaffenden Gerhard Klocker ist auch ein Vorarlberger Statement in die Gruppenschau mit eingebunden. Klockers Arbeit changiert grundsätzlich zwischen aufwendiger Inszenierung und purem Zufall. Wobei er dem „Zufall“ gern zielstrebig nachhilft. In seiner Fotoserie „Collective Memory“ spielen zeitlose fotografische Stadt-, Land- und Flussansichten von berühmten Orten und Sehenswürdigkeiten eine wesentliche Rolle. Der heute in Lustenau lebende Künstler hat auf seinen Reisen den Blick stets auf jene Szenen und Objekte gerichtet, die man als typische Motive von Postkarten oder Urlaubsfotos erkennt, die somit also einem kollektiven Fotogedächtnis angehören. Aufgrund ihrer angeblassten Farbigkeit und sanften Unschärfe wirken die Bilder nostalgisch und evozieren im Betrachter sentimentale Rückkoppelungen auf eigene Erlebnisse. Der Kurator und Kunsthistoriker Peter Weiermair schrieb bei Erscheinen dieser Serie 2011: „Klocker beschäftigt sich in dieser Sammlung von Positionen, die er nachvollzogen hat, mit dem Begriff von Ort und Zeit, zwei Kategorien, die in der Photographie eine wesentliche Rolle spielen. Er hinterfrägt sie auf ironische und spielerische Weise.“

Von Hinterhöfen, Dreiecken und Landschaftsanamnesen

Der 1980 in Hallein geborene und heute in Wien lebende Künstler Peter Schreiner hat über Jahre hinweg ein auf den Kopf gestelltes, schwarzes Dreieck-Symbol fotografiert, das er auf Häusern, Wänden, Türen, Straßen und Mauern in Wien entdeckt hat. Anhand der Werkserie „The Black Triangle“ setzt Schreiner diesem Kuriosum, das eigentlich unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle existiert, ein vielschichtiges fotografisches Denkmal.
Iris Andraschek, geboren 1963 in Horn, die schon mehrfach bei der Galerie Lisi Hämmerle in Bregenz ausgestellt hat und auch in der kommenden Weihnachtsausstellung dort mit dabei ist, versammelt in ihrer Installation „Korridore/Übergangsräume“ Gegenstände und Werkstoffe, wie man sie häufig in Hinterhöfen, Garagen oder Geräteschuppen am Land vorfindet, wo sie oft jahrelang (vergeblich) ihrer Wiederverwendung harren. In diese Installation  bettet die Künstlerin Fotografien aus ihrer Serie „Fragile Territorien/Chongqing“ ein, die 2017 in der 33 Millionen Einwohner zählenden und am Zusammenfluss von Jangtsekiang und Jialing im Südwesten Chinas gelegenen Metropole Chongqing entstanden sind. Stadt, Land und Fluss kommen in den von Iris Andraschek dokumentierten Lebenssituationen eine tragende Bedeutung zu.
Der aus Kärnten stammende (geb. 1964 in St. Veit an der Glan) und heute ebenfalls in Wien lebende Künstler Herwig Turk schließlich hat eine Langzeitdokumentation der Ausnahmelandschaft des Tagliamento erstellt. Der Tagliamento in der oberitalienischen Region Friaul gehört zu den ganz wenigen nicht regulierten Flüssen der Alpen und weist zahlreiche weitläufige, mäandernde Kies- und Sandbänke auf, die sich je nach Jahreszeit durch das Wasser dynamisch verändern. Turks „Anamnese einer Landschaft“ wird von unterschiedlichsten Komponenten gespeist, die von Fotografien in Leuchtkästen, Planschränken und auf einem Paravent bis zu Siebdrucksieben und einer Vierkanal-Videoinstallation reichen.

"Stadt, Land, Fluss - Fotografische Untersuchungen"
Eröffnung: 4. 2. 22, 17 - 20 Uhr
5. 2. bis 17. 3. 22
Di, Do 13-18, Fr, Sa 11-16 Uhr
Bildraum Bodensee, Bregenz
www.bildrecht.at/bildraum