Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 05. Nov 2011 · Ausstellung

Modellhafte Nachstellungen der Natur im Maßstab 1:1 – Didier Marcel thematisiert im Kunstraum Dornbirn das Spannungsverhältnis zwischen Natur und Künstlichkeit

Betritt man derzeit die altehrwürdige Industriehalle, die dem Kunstraum Dornbirn als Ausstellungslokalität dient, so sieht man sich vorerst einer schier unüberwindlich scheinenden weißen Wand gegenüber. Marcel ließ sie diagonal in den Raum setzen, und sie koppelt den mobilen administrativen Bereich des Kunstraums von den künstlerischen Eingriffen ab.

Der Betrachter muss also erst die monströse Wand umschreiten, um in den eigentlichen Ort des künstlerischen Geschehens vorzudringen. Dort sieht er als erstes Felsbrocken, die mit einer Schnur zu einer riesigen Girlande aufgefädelt sind, von der Decke hängen.

Felsengirlande

Der/die  Vorarlberger/in mag unwillkürlich an die Papierfelsen von Johannes Ludescher denken. Aber im Gegensatz zu Ludescher, der seine Felsobjekte aus Holzgerüsten und Papier konstruiert, wie man ein Modellflugzeug baut, handelt es sich bei Marcel um Pappmaché-Abdrucke realer Gesteine der Natur. Auf dem Rückweg von dieser monumental im Luftraum „stehenden“ Felsenkette wird man des riesigen, in einem kräftigen, monochromen Rot gehaltenen, reliefartigen Bildes gewahr, das an der Rückseite der den Raum verschränkenden Wand befestigt ist. Es ist der eingefärbte Abdruck eines abgeernteten Maisfeldes, von dem sich auch der Titel der Ausstellung, „Red Harvest“, ableiten lässt.

Der französische Künstler ist eigentlich mit Architekturmodellen bekannt geworden, die brachliegende Industriegebäude detailgenau nachbildeten. Zwischenzeitlich widmet sich Marcel jedoch vor allem landschaftlichen Fragmenten. Wobei er seine Vorstellungen von Landschaft jeweils nur andeutet: Die Gesteinsbrocken oder der Ausschnitt des Maisfeldes werden als Ikonen verwendet, um die Dialektik zwischen natürlicher und synthetischer Materie, zwischen Realität und Künstlichkeit, Gebändigtem und Unverstelltem auszuloten. Kaum der Darstellung verhaftet, „prägt" und „formt" der Bildhauer seine Objekte im Maßstab 1:1 und verzichtet auf jeglichen Mimetismus zugunsten eines spielerischen Umgangs mit reinen Farben und Materialien, der auf einen komplexen konzeptuellen Ansatz verweist.

Die Inszenierung von Landschaft

„Didier Marcel verwirklicht in den Ausstellungssälen mittels Skulpturen und Installationen regelrechte Landschaftsinzenierungen, die völlig künstlich und zugleich gänzlich identifizierbar sind, wie modellierte Gemeinplätze. Für Didier Marcel ist die Landschaft weder ein künstlerischer Stoff noch ein Vorwand, sondern sie ist ein verfügbares Territorium, ein physisches und mentales Gebiet, das ebenso dem Bereich der Banalität wie dem Bereich des Trugbilds zugehört“, meinte der Kurator der Ausstellung, Olivier Grasser, bei  seiner Eröffnungsrede. Grasser ist der Leiter des Frac Alsace, der Kunsthalle von Dornbirns Partnerstadt Sélestat. „Red Harvest“ ist das zweite Kooperationsprojekt der beiden Institutionen.

Rote Ernte

Didier Marcel hat den Titel der Installation „Red Harvest“ im übrigen dem gleichlautenden Erstlingsroman des Amerikaners Dashiell Hammett entnommen. Hammett hat diese „hard boiled novel“ im Jahre 1929 verfasst. Kurz vor dem globalen Börsencrash jenes Jahres geschrieben, schildert Hammett darin ein Amerika, das vom Dämon Geld beherrscht ist und die Gesellschaft in einem Sumpf von Korruption und Rücksichtslosigkeit zu versinken droht. Im Roman ist die „rote Ernte“ eine feuerrote Blutschicht, die das schmutzige Grau der Stadt überzieht. Analogien zum Hier und Heute drängen sich zwangsläufig auf.

 


Didier Marcel: „Red Harvest“
Bis 20.11.2011
Kunstraum Dornbirn
Di-So 10-18
www.kunstraumdornbirn.at