"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Karlheinz Pichler · 02. Aug 2012 · Ausstellung

Magazin 4 thematisiert Möglichkeiten und Voraussetzungen der Verweigerung

Im Rahmen seiner diesjährigen Sommerausstellung „Right to Refusal“ im Magazin 4 setzt der Bregenzer Kunstverein auf Medienkunst und bewegt sich inhaltlich hart entlang der politischen und gesellschaftlichen Realitäten.

Die aktuelle Ausstellung „Right to Refusal“ fordert von den Besuchern einiges ab. Wer mit der Absicht hingeht, schöne Bilder und ästhetisches Augenfutter vorgesetzt zu bekommen, bleibt am besten zu Hause. Es dominiert die Medienkunst, und inhaltlich werden vor allem komplexe politische Themen transportiert. Mit dem politischen Gehalt folgen die beiden Kuratorinnen Eva Kraus (München) und Doreen Mende (Berlin) dem „Zwang und dem Wunsch der Zeit“, wie sie betonen. Denn auch bei den großen internationalen Kunstschauen wie etwa der Documenta 13 in Kassel oder der Manifesta im belgischen Genk steht das Politische stark im Vordergrund. Kraus und Mende haben für „The Right to Refusal“ Beiträge von neun Künstlern, fünf Künstlerinnen, der serbischen Gruppe Spomenik sowie des Londoner Kollektivs „Otolith“ ausgewählt. Da die beiden Kuratorinnen sich in den vergangenen Monaten viel in Ägypten und Libyen aufhielten, haben Kunstschaffende aus dem arabischen Raum im Magazin 4 - quantitativ gesehen - das Übergewicht.

Zunehmender Einfluss von Alltag und Politik auf die Kunst

Für die Kuratorinnen haben Alltag und Politik in jüngster Zeit wieder deutlich an Einfluss auf die Kunst gewonnen. Allerdings wollen sie sich mit der von ihnen zusammengestellten Schau nicht direkt mit Konfliktherden auseinandersetzen, sondern das Augenmerk eher auf den Wunsch nach Veränderung der Rahmenbedingungen legen. Eva Kraus im Gespräch mit KULTUR: „Kürzliche revolutionäre Ereignisse mögen Resonanz-Raum sein für einige der Fragen, die in der Ausstellung geöffnet werden wollen. Im Zentrum von Right to Refusal steht jedoch die Frage nach den Bedingungen für die Artikulation von Verweigerung sowohl an aktuellen Brandherden und geopolitischen Langzeitkonflikten als auch in alltäglichem Handeln und künstlerischer Produktion. Im Recht auf Verweigerung, im Right to Refusal also, ist zunächst nur klar, dass bestehende Strukturen abgelehnt oder zumindest stark in Frage gestellt werden. Neue Mittel und Wege sollen erst noch gefunden und unerprobte Methoden müssen getestet werden, um der Verweigerung eine sichtbare Stimme zu geben.“

Vom 36-jährigen Architekten Samir El Kordy beispielsweise ist ein Video zu sehen, in welchem er virtuell eine 20 Meter hohe Mauer rund um die Machtzentrale seiner Heimatstadt Kairo und quer durch Ägypten errichtet. Er will damit das propagandistische Machtgehabe der neuen Führung ad absurdum führen. Aber auch der in Hamburg geborene Simon Wachsmuth setzt sich mit dem arabischen Raum respektive dem nahen Osten auseinander. Er filmte im Tarifi-Steinbruch in Palästina, der in Sichtweite zu israelischen Siedlungen liegt. Das Weiß des aufgewirbelten Silit-Staubes im Film "Trauer und Melancholie" vermengt sich mit dem Azur des Himmels zu eindringlichen Bildkompositionen.

 

Konstruktion und Dekonstruktion

Die 1960 in Beograd geborene Milica Tomić wiederum versucht, Ereignisse zu illustrieren, die keinen Eingang in die mediale Welt gefunden haben, weil es kein Bildmaterial dazu gab. Denn Massaker beispielsweise lassen sich nur kommunizieren, wenn die entsprechende Bildunterstützung vorhanden ist.

Der Frage, wie es sein wird, wenn das Leben auf der Erde nur noch via Medien-Archive zu erleben ist, gehen Kodwo Eshun und Anjalika Sagar von der Londoner Otolith-Gruppe mit einem Filmessay nach, welcher 2004 kurz vor der Invasion in den Irak durch die „Koalition der Willigen“ entstanden ist. Und der aus Polen stammende Künstler Arthur Zalewski, Jahrgang 1971, versucht mit einem Fotoprojekt dekonstruierte Städte zu dokumentieren. Aber nicht anhand von zerstörten Bauten und Ideen, sondern er will den Blick auf etwas anderes richten. Dazu bedient er sich Vasen, die als Plakate in ganz unterschiedlichen Perspektiven und Zusammenhängen im städtischen Raum von Bregenz auftauchen. Zalewski will nicht mit erhobenem Zeigefinger Politik machen, sondern darauf verweisen, dass es sein Gutes hat, einfach einmal den Blickwinkel zu ändern.

 

„Right to Refusal“
Mit Yasmine Eid-Sabbagh, Bassam El Baroni, Samir
El Kordy, Tehching Hsieh, Adelita Husni-Bey, Grupa Spomenik /
Monument Group, Yazan Khalili, Hassan Khan, Jean-Luc Godard,
Ulrike Müller / Sherif Sonbol, Museum of Non Participation, Olaf
Nicolai, Otolith Group, Milica Tomic, Simon Wachsmuth, Arthur
Zalewski.
Magazin 4, Bregenz
Bis 26.8.2012
Di-So 14-18
www.bregenzerkunstverein.at