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Karlheinz Pichler · 27. Sep 2012 · Ausstellung

Der Blick durch die Kamera und die räumliche Inszenierung – Pipilotti-Rist-Retrospektive im Kunstmuseum St. Gallen

Unter dem Titel „Blutbetriebene Kameras und Quellende Räume“ zeigt das Kunstmuseum St. Gallen derzeit die erste große Schweizer Retrospektive zum Schaffen der aus dem St. Galler Rheintal stammenden Künstlerin Pipilotti Rist. Einer Künstlerin, die mit bunten Bildwelten und wild wuchernden Installationen die internationale Kunstwelt erobert hat.

Die Werkschau Pipilotti Rists wird dem Kunstmuseum St. Gallen aller Voraussicht nach einen neuen Besucherrekord bescheren. Den hält bislang die Segantini-Ausstellung aus dem Jahre 1999. Damals strömten 30.000 Leute ins Museum. Die Rist-Ausstellung hat vergangene Woche bereits die 20.000-Besucher-Marke überschritten. Und die Ausstellung dauert noch weitere zwei Monate. Die Zeichen stehen also gut für einen neuen Rekordwert.

Leuchtende Unterwäsche

Nähert man sich dem Kunstmuseum St. Gallen derzeit durch den Stadtpark, dann weht einem da Pipilotti Rist schon förmlich entgegen. Denn es warten hier am Vorplatz zur Museumspforte die sogenannten Hiplights oder „enlightened Hips“ auf den Besucher. Dabei handelt es sich um Lichtskulpturen in Form von weißen Unterwäschestücken, die an Kabeln befestigt sind, die an eine Wäscheleine erinnern, die über den Platz gespannt ist. Eine Arbeit, die bereits ins Zentrum des Schaffens von Rist führt, ist es doch eine Auseinandersetzung mit Erotik und aber auch Ausscheidung, denn für beides kann die Unterwäsche stehen. In jedem Fall ist es eine Hinführung zum Diskurs mit der Körperlichkeit, der bei Pipilotti Rist einen zentralen Stellenwert einnimmt, vor allem bei den Video-Installationen, von denen die wichtigsten in St. Gallen zu sehen sind. Installationen, bei denen es Rist versteht, die Distanz zwischen dem Körper des Betrachters und dem projizierten Körper schwinden zu lassen, indem der Betrachter zumeist selber zum Bestandteil der Installation wird.

Die Entwicklung der Künstlerin nachvollziehen

Rist ist mit einzelnen Werken immer wieder an großen internationalen Kunstschauen beteiligt. In St. Gallen nun kann man anhand der Zusammenführung der wichtigsten Produktionen den Werdegang der Künstlerin gut nachvollziehen. Von den ersten Installationen über die Ein-Kanal-Arbeiten wie etwa „Blumen für Scholastiker“ (1994) bis zum eigens für die Ausstellung geschaffenen „Farblabor“ führt die von Konrad Bitterli kuratierte Retrospektive.

Pipilotti Rist beschäftigt sich seit jeher mit der visuellen und auditiven Beschreibung der Gefühle, welche Bilder und Töne ergeben, „wenn du berührt wirst oder wenn du jemanden berührst“ (Rist). Die beinahe malerische Behandlung und die raumgreifende Inszenierung ihrer Videos sind ebenso charakteristisch für ihre unverwechselbare künstlerische Sprache wie spektakuläre Kamerafahrten und sich überschlagende Bilder, die zusammen mit technischen Verfremdungen und assoziativen Montagen in traumartigen Sequenzen in einen alles umfassenden leuchtend farbigen Bilderstrom münden. Kurator Bitterli: „Raffiniert befragt die Künstlerin dabei den vermeintlichen Wirklichkeitsgehalt des Mediums Video und schafft zugleich ihre eigenen sinnlichen Bildräume, in die man eintauchen und in denen man einzigartige Glücksgefühle erleben kann.“

Das Glück des Fernsehschauenden

Für die Künstlerin selber ist Video „die Synthese von Musik, Sprache, Malerei, Bewegung, ‚miesen-fiesen’ Bildern, Zeit, Sexualität, Erleuchtung, Hektik und Technik. Das ist das Glück des Fernsehschauenden und der Videokünstler.“  „Blutbetriebene Kameras“ sind für Pipilotti Rist Augen. Mit ihren eigenen, türkisfarbenen, saugt die Videokünstlerin Bilder ein und produziert daraus Videos. Beim Durchwandern der raumgreifenden Installationen wie etwa „Administrating Eternity“ (2011) reiht sich Assoziation an Assoziation, und mitunter werden glückliche Kindheitserinnerungen wieder zum Leben erweckt. „Die Menschen sollen hier Kraft schöpfen", hofft Pipilotti Rist.

 

Pipilotti Rist
Blutbetriebene Kameras und quellende Räume

Kunstmuseum St. Gallen
Bis 25. November 2012
Di-So 10-17
Mi 10-20
www.kunstmuseumsg.ch