Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 23. Mär 2014 · Ausstellung

Kunst, über die der Zug drüber fährt – Alois Galehr im Göfner milK_Ressort

Im Göfner „milK_Ressort“, der ehemaligen Milchsammelstelle, die auf Betreiben des in Göfis lebenden Künstlers Harald Gfader vor etwas mehr als einem Jahr in eine Minikunsthalle umgewandelt worden ist, sind derzeit unter dem Titel „Lok.Zeit. Do fahrt dr Zug drübr“ Werke des Nenzinger Kunstschaffenden Alois Galehr zu sehen.

Galehr war in seinem „Brotjob“ Eisenbahner. 38 Jahre steuerte er als Lokführer die „Kraftlackeln“ der ÖBB. Nebenher leistete er sich mit großer Ernsthaftigkeit immer wieder Ausritte in die bildende Kunst und brachte es solcherart bereits zu einer Vielzahl von Ausstellungen. Seit gut einem Jahr ist er nun in Pension. Betrieb er die Kunst, solange er hauptsächlich auf den Geleisen unterwegs war, vor allem nebenher, so ist sie nun zu seinem Hauptgeschäft geworden. Aber mehr als nur nebenher verarbeitet er nun die langen Dienstjahre bei der ÖBB künstlerisch. Die gesamte Ausstellung im „milK_Ressort“, die wie eine aus vielen Einzelteilen bestehende einheitliche Installation wirkt, ist genau dieser langen „Lokzeit“ gewidmet.

Bekannt geworden ist Galehr eigentlich mit Karton-Arbeiten. Das Material Karton tritt bei ihm immer wieder in neuen Zusammenhängen in Erscheinung, und er darf wohl zu derjenigen Spezies von Kunstschaffenden gezählt werden, die durch das Sammeln die Leere zu kompensieren trachten. Zu denjenigen, die Materialien, die sich auf dem Weg zur Mülldeponie oder ins Recyling befinden, horten und dann in neuen und völlig unerwarteten Zusammenhängen wieder auftauchen lassen und den Betrachter mit zu Kunstwerken geronnenen Konstellationen  konfrontieren.

Lokzeit

Auch in der neuen Ausstellung spielt ein Karton, respektive eine Schachtel eine tragende Rolle. Denn der Titel der Ausstellung, „Lokzeit“, ist nicht nur an der Außenfassade des „milK_Ressort“ auf einer Tafel zu lesen, sondern bezieht sich auch auf eine Arbeit im Inneren des kleinen Gebäudes. Um dem Verlangen gerecht zu werden, die vor kurzem beendete Dienstzeit als Lokführer bei der ÖBB zu visualisieren und in ein Ordnungssystem zu bringen, reiht Galehr für die Arbeit „Lokzeit“ 38 Dienstkalender, vollgeschrieben und nach Jahreszahlen geordnet, zu einem sichtbaren Ganzen. Gelagert in einer analogen Festplatte aus eben Karton und Acrylglas. Die Farbgebung und der Schriftzug verweisen auf die aus der Kindheit stammende Märklin-Eisenbahnschachtel, deren Inhalt aus einem Gleiskreis, einer Lok und drei Wagen bestand. „Die implantierte Lok rast davon, ohne Wagen, gleich einer Fahrt ins Blaue (Jim Knopf). Nach 38 Lokjahren hat sich der Kreis für den Künstler geschlossen, ein neuer tut sich auf,“ sinniert der Künstler.

Die Lok als „Druckstock“


Die Ausstellung „Lokzeit“ ist also vor allem eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, mit der eigenen Identität. So verwandelt Galehr das ehemalige Milchhüsle in eine Art kleinen Bahnhof oder Station (Warteraum). Zu einer kleinen Wunderkammer persönlicher Reflexionen über seine Zeit bei der Eisenbahn.

Dem sprichwörtlichen „Do fahrt dr zug drübr“, das so viel bedeutet wie „das ist fix, dabei bleibt es“, widmet der Nenzinger einen Werkblock, der aus einem Stück originalem Gleiskörper des „Wälderbähles“ samt Schotteraufbau und Schwellen sowie „Lokdrucken auf Leinwand“ besteht. Galehr thematisiert darin unter anderem das sprichwörtliche „Unter die Räder Kommen“, wenn etwa Gegenstände oder Tiere und schlimmstenfalls Menschen zum Alptraum eines Lokführers werden können. Um diese einprägsamen Erlebnisse zu visualisieren, bediente sich der Künster einer sehr außergewöhnlichen, aber naheliegenden Druckmethode. Die sogenannte Serie „Lokdruck“ entstand nämlich unter dem Einfluss  des enormen Gewichtes einer Lok und der daraus resultierenden Reibung zwischen Rad und Schiene (der Druck beträgt ca. 8 bis 10 Tonnen pro Rad). Nach mehrmaligem Überrollen von Leinwänden lagern sich so Abriebspuren von Rost, Öl, Staub und Ähnlichem ab. Das Liniengewirr lässt an das ständige Hin und Her oder an das Kreuzen von Schienensträngen in Weichenbereichen denken - alles Sinnbilder seiner vergangenen Tätigkeit. Und direkt auf den ausgestellten Gleiskörper platzierte der Künstler typische Fundstücke wie Arbeitshandschuhe oder Metallstücke.

Dass der Blick Galehrs auf seine ÖBB-Karriere durchaus auch ironisch gemeint ist, beweist der Umstand, dass er alle seine Gehaltszettel, die er im Laufe der Jahre erhalten hat, aber auch Dienstverfügungen und Unterrichtsmaterialien zu handgeschöpftem Papier verarbeitet hat, über das ebenfalls „der Zug drüber fuhr“. Was daraus entstanden ist, trägt den Namen „Der kleine Kreis“. Damit spiele er symbolisch auch auf die Befreiung durch Umformung von obsolet gewordenen Materialien und gleichzeitig auf die Neuorientierung nach 38jährigem gelenktem Tun an, so der Künstler.

Der fotografische Blick

Mit „Videozeit“ präsentiert Galehr in Göfis auch Fotografien, die er von den Überwachungskameras der Nahverkehrszüge abfotografiert hat. Die Videokameras haben den Fahrgastraum – ein Ort ständigen Kommens und Gehens, ständigen Ein- und Aussteigens, ein Raum, bei dem sich Menschen auch manchmal zu nahe kommen – im Fokus. Bei der Betrachtung solcher „Liveübertragungen“ mit ihrer schlechten Bildqualität dachte der Künstler, wie er selber sagt, immer wieder an Roadmovies mit ihrer scheinbar lockeren Kameraführung und ihrer Sicht auf die kleinen Dinge. Die Unschärfe und die Reduktion der Farben auf Rot- und Blautöne, die für die gezeigten Fotografien charakteristisch sind, lassen das reale Geschehen in eine Art fiktiver Scheinwelt entrücken.

Alois Galehr: Lokzeit
Milkressort, Göfis
bis 27. April
So 14 –1 7 und nach tel. Vereinbarung 0664 5141 286
www.milk-ressort.at