Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Karlheinz Pichler · 08. Okt 2021 · Ausstellung

Kunst lässt die Feldkircher Altstadt in neuem Licht erstrahlen

Bei der ersten Ausgabe der „Lichtstadt Feldkirch“ vor drei Jahren konnten die Veranstalter mehr als 30.000 Besucher zählen. Auch dieses Jahr wird der Zustrom sehr gut sein, wenn auch nicht ganz so hoch wie 2018. Dafür sind die gezeigten Kunstwerke, die die Feldkircher Altstadt in kreativem Licht erstrahlen lassen, diesmal auf einem extrem hohen Level angesiedelt. Dafür sorgen die Installationen von Peter Kogler, David Reumüller, Brigitte Kowanz und den Künstlerkollektiven Ochoresotto, Neon Golden, Artificialowl, und Dundu. Eröffnet wurde die Lichtstadt Feldkirch, die von Arno Egger und Thomas Häusle kuratiert wird, am vergangenen Mittwoch, und noch bis Samstag (19.00 bis 22.00 Uhr) können die teils gigantischen Kunstwerke bestaunt werden, die die historischen Gebäude, Plätze und Räume der Montfortstadt ganz neu erlebbar machen.

Zu den am meisten akklamierten Beiträgen zählt „Ohne Titel“ des österreichischen Medienkünstlers und zweimaligen Documenta-Teilnehmers Peter Kogler. Der Künstler, der eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in München inne hat, lässt das Innere der Johanniterkirche vor den Augen des Betrachters sprichwörtlich aus den Fugen geraten. Mit Hilfe von acht Projektoren wird ein schwarz-weißes geometrisches Muster auf die Architektur gemappt. Die computeranimierte Projektion zeigt im Zusammenspiel mit den von Franz Pomassl entwickelten Soundclustern amorphe Bildwelten und schafft einen sich dynamisch verändernden und ständig rekonstruierenden Raum. Durch das digital erzeugte Liniensystem, das auf eigenartige Weise mit dem altehrwürdigen Gemäuer gleichermaßen kontrastiert wie harmoniert, wird der Betrachter in ein virtuelles Labyrinth mit end- und bodenlosen Raumfluchten eingetaucht. Er wird Teil einer erlebbaren Bühne die zwischen Illusion und zeitlicher Endlosigkeit zu changieren scheint.     

Von vielen zu den Favoriten gezählt wird auch die Installation „Parasite“ des 1979 im steirischen Murtal geborenen und heute in Graz lebenden Multimedia-Künstlers, Musikers und Filmemachers David Reumüller. Reumüller war bereits bei der ersten Ausgabe der Lichtstadt mit dabei. Diesmal hat er mit Fundhölzern ein Gerüst konstruiert, das an Billboardgestelle erinnert und eine Art skizzenhaften Raum erschafft, den die Besucher betreten können. An der Front des Raumes eine fünf mal acht Meter große Leinwand, auf die mittels Computeranimation ein unendlich fortgesetztes, ständig in Bewegung befindliches Gittermuster projiziert wird, in das die Besucher interaktiv mit eingebunden werden. Durch diese Partizipation wird vom jeweiligen Besucher ein virtuelles Alter Ego entworfen, „welches im gegenwärtigen Drang improvisierter Selbstdarstellung und -optimierung metaphorisch identitätsstiftend wirkt“, heißt es in einem Begleittext der Veranstalter. Reumüller hat ähnliche Projekte schon mehrfach realisiert, unter anderem beim Kunstfestival „Klanglicht Graz“. Aber so viele Leute, wie in Feldkirch, habe er noch nie seine Installation begehen gesehen, betonte er gegenüber KULTUR. Soundmäßig unterlegt wird das Werk Reumüllers übrigens von der Komposition „#7“ aus Helmut Kaplans „17 Stücke“.     

Arkestra of Light – Correspond in Pattern      

Die vielleicht monumentalste Arbeit stammt von der in Graz ansässigen Künstlergruppe Ochoresotto, die für ihre multimedial orchestrierten Installationen bekannt ist. Durch intensive Beschäftigung mit dem Ort, den bestehenden Strukturen und Architekturen legen sie immer wieder unentdeckte oder unsichtbare Potentiale frei, die sie dann mithilfe gekonnter analoger und digitaler Projektionstechniken in eine Sprache des Lichts übersetzen. In einer exakt abgestimmten Choreografie bespielen sie in Feldkirch die Fassaden der Schattenburg, der Alten Dogana und der Neustadt mit einem Furioso an abstrakten Bildfindungen und figuralen Erzählsequenzen.

Die zentrale Marktgasse der Altstadt wird vom Schweizer Künstlerkollektiv Artificialowl rund um Jan Raphael Knieza mit einem „Cubed Dream“ bespielt. Das sphärische Zusammenspiel von Licht, Nebel und Sound streckt sich dabei aus einem begehbaren fünf Meter hohen Kubus in die Höhe der mittelalterlichen Gasse. In der Flüchtigkeit des Moments soll man die Transformation der konkreten Wirklichkeit in eine traumhafte Vergänglichkeit von mystischer Schönheit erleben können, so die Absicht des Kollektivs. Eine weitere Installation von Artificialowl ist am Churer Tor zu sehen. In der Installation „Sinus 1.0 Classic Edition“, die in Zusammenarbeit mit dem renommierten Vorarlberger Komponisten Herbert Willi entstand, bearbeitet das Kollektiv Strukturen und Momente menschlicher Begegnung.

Am Raiffeisnplatz ist unter dem Titel „Recover“ eine neue Arbeit von Brigitte Kowanz zu bestaunen. Kowanz überträgt hier die einzelnen Buchstaben des titelgebenden Wortes in Form reflektierender Bänder um die Bäume des Raiffeisenplatzes. Für die Umwandlung der einzelnen Buchstaben in visuelle Muster bedient sie sich der bereits 1840 erfundenen Morsecodes. Auch die Kunstbox am Jahnplatz wird von Kowanz bespielt. Spiegelnde Flächen und Neonröhren sind bei „Infinity Steps“ so aufeinander abgestimmt, dass Anfang und Ende, Gegenstand und Abbild sich permanent abzulösen scheinen.

Gleich mit drei Arbeiten nimmt die in Wien ansässige Künstlergruppe Neon Golden an der Lichtstadt teil. Zum Beispiel strukturieren sie die barocke Fassade des Palais Liechtenstein mithilfe von LED-Leuchtröhren an den Fenstern neu, während im Rahmen der Arbeit „Circle“ im Innenhof des Palais‘ Licht und Klang in kreisförmig aufgestellten Lichtsäulen zu einem audio-visuellen Erlebnis verschmelzen. Und am Montfortplatz lädt das bereits letztes Jahr im Rahmen des Formats „Spotlight“ vorgestellte fünf Meter hohe „Portal“ die Besucher zum Eintritt in andere Sphären.

Und schließlich macht auch noch Dundu in der Lichtstadt halt. Die laut ihren Angaben weltweit größte frei spielbare Puppe wird von fünf SpielerInnen zum Leben erweckt und von der Klangwelt der Kora, einer Erzählharfe aus Westafrika, begleitet, wenn sie als leuchtender Riese die romantischen Gassen und Strassen der Feldkircher Innenstadt erkundet.