Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 05. Okt 2021 · Ausstellung

Das partizipatorische Moment als grundlegende Eigenschaft – Internationaler Kunstpreis des Landes Vorarlberg an Anna Hilti überreicht

Der alle zwei Jahre vergebene Internationale Kunstpreis des Landes Vorarlberg ging 2021 erstmals nach Liechtenstein, und zwar an die Schaaner Künstlerin Anna Hilti. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Die internationale Fachjury lobte insbesondere Anna Hiltis vielgestaltiges Werk, das Zeichnungen, Illustrationen, Installationen und Performances umfasst und zwischen existenzieller und konzeptueller Ebene angesiedelt ist.

Es ist eine (mit Ausnahmen) lange Tradition, dass dasjenige Jurymitglied, dessen Vorschlag sich bei der Jurierung durchgesetzt hat, im Rahmen der feierlichen Überreichung des Preises auch die Laudatio hält. In diesem Fall war dies Friedemann Malsch, der langjährige Direktor des Kunstmuseums Liechtenstein in Vaduz. Malsch hielt in seiner Lobrede unter anderem fest: „Wer sich dem Werk von Anna Hilti nähert, steht ziemlich bald vor der Frage, wie dieses zu klassifizieren wäre. Da gibt es Illustrationen, Zeichnungsgruppen, Rauminstallationen mit großformatigen Zeichnungen, aber auch Mode, Performances, große Ausstellungsinszenierungen und kleine Interventionen, vor allem aber auch die Zusammenarbeit mit vielen anderen Menschen - mit Künstlerinnen und Künstlern, und auch mit Menschen aus ganz anderen Bereichen wie Architekten, Musiker, Sozialarbeiter, Designer, Filmfreaks usw. Hiltis Werk ist so vielfältig, dass man schnell den Überblick verlieren kann.“ Malsch betonte in seinen Ausführungen auch, dass das partizipatorische Moment eine der grundlegenden Eigenschaften aller Projekte von Anna Hilti sei.
Neben Friedemann Malsch gehörten desweiteren noch Carina Jielg (ORF Vorarlberg), Ulrike Shepherd (Zeppelinuniversität Friedrichshafen), Ursula Badrutt-Schoch (Amt für Kultur, St. Gallen), Maria Simma-Keller (Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs) sowie Winfried Nußbaummüller (Kulturabteilung des Landes Vorarlberg) der internationalen Jury an. Wie üblich, wurde die Entscheidung für Anna Hilti einstimmig nach außen getragen. Was in diesem Fall wohl nicht schwer war, denn Anna Hilti, die Kunst und Illustration in Luzern, Rotterdam und Berlin studiert hat und noch relativ jung ist – Jahrgang 1980 zählt zweifelsohne zu denjenigen Kunstschaffenden des Fürstentums, von denen man sich noch einiges für die Zukunft erwarten darf.       
Hilti, die auch Mitglied des Künstlerinnenkollektivs Salon Liz ist, hat sich in der Vergangenheit intensiv künstlerisch unter anderem mit der Emigrationsgeschichte Liechtensteins nach Amerika auseinandergesetzt und hat auch mehrere Aktionen und Werke dazu geschaffen.
Das Motiv des Verschwindens, Dinge, die uns abhandenkommen, bestimmen als zentrale Elemente auch das im vergangenen Jahr erschienene erste Buch von Anna Hilti, ausgezeichnet als „Schönstes Buch Liechtensteins 2020“. Darin spürt sie, basierend auf einem wissenschaftlichen Aufsatz des liechtensteinischen Botanikers Wilhelm Ganss, der Spinnen-Ragwurz als einer mittlerweile im Fürstentum ausgestorbenen Orchideenart nach. Das Nicht-mehr-Vorhandene, öffnet Raum für Spekulationen und lässt der Künstlerin Platz, der Geschichte etwas Neues, Eigenes hinzuzufügen.
Bei aller Vielgestaltigkeit ihrer Ausdrucksformen bleibt das Werk der Künstlerin jedoch überaus kompakt und konzentriert an die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen gekoppelt, die sie über längere Zeit hinweg begleiten. „Die Kunst, und das macht uns die Arbeit von Anna Hilti deutlich, kann uns dabei helfen, die Ganzheitlichkeit des Lebens auf der Erde zu erkennen und nach ihren Regeln zu leben“, unterstrich Friedemann Malsch in seiner Laudatio. Jurymitglied Maria Simma-Keller überzeugte laut eigenen Worten Anna Hiltis „feiner Blick auf Mensch, Natur und Geschichte, ihr bewusster Einsatz von Material und Technik.“
Die Arbeiten von Anna Hilti, die teils in Schaan, teils in Zürich lebt und arbeitet, wurden unter anderem im Kunstmuseum Liechtenstein, Casino Luxembourg, Das Weiße Haus Wien und im Museum for Contemporary Art Genua ausgestellt. 2014 erhielt sie den Prix Mobilière und 2015 das Werkjahrstipendium der Kulturstiftung Liechtenstein. Sie ist Lehrbeauftragte an der Universität Liechtenstein und an der Kunstschule Liechtenstein.