Kunst, der man en passant begegnet – Die Galerie Vor-Ort in Altach ermöglicht 24 Stunden am Tag den Blick auf Kunst
Mit Wasseraquarellen und Papiersteinen von Hannes Ludescher ist am Dienstagabend (30.7.) mit der Galerie Vor-Ort in Altach am Alteichweg ein neuer Ort für Kunst offiziell eröffnet worden. Das Besondere an der Galerie ist, dass sie sich in einem Container befindet, der vor dem Wohnhaus der Künstlerin Verena Leija direkt am Wegesrand steht und das ganze Jahr über 24 Stunden täglich für jedermann und jedefrau den Blick auf Vorarlberger Gegenwartskunst frei gibt.
Eigentlich handelte es sich beim Startschuss am Dienstagabend bereits um die zweite Vernissage. Denn um die Anrainer und Nachbarn für das Projekt zu gewinnen und damit möglichen künftigen Auseinandersetzungen vorzubeugen, inszenierte Leija bereits am 5. Juli nur für diese Nachbarschaft eine eigene Eröffnung.
Der Kunst-Container selbst befindet sich seit langem im Besitz von Verena Leija. Er diente ihr früher als Atelier. Doch mittlerweile konnte sie sich eine Werkstatt im Keller des Hauses einrichten. Bereits drei Mal ist der Container mit der Künstlerin umgezogen. Jedes Mal musste dafür ein eigenes Fundament geschaffen werden. An seinem jetzigen Standort dürfte er für längere Zeit gut aufgehoben sein. Eine zeitlang dachte Leija auch daran, den Stahlbehälter zu verkaufen. Bis ihr die Idee mit der Rund-um-die-Uhr-Galerie kam. Um das Projekt zu realisieren, hat sie sich Unterstützung von außen geholt. So ist der Künstler und „Art-Supporter“ Roland Adlassnigg für die künstlerische Ausrichtung und Bespielung des Containers als Organisator an Bord gekommen. Für die Texte, Geschichten und Interviews, die für die Ausstellungen gebraucht werden, holte sich die Neo-Galeristin die in Bewegung und Tanz im öffentlichen Raum erfahrene Autorin Mirjam Steinbock ins Boot.
Drei Fenster zum Weg
Zentrales Element des Kunst-Containers sind drei Fenster im Ausmaß von jeweils 72 Zentimeter Breite und 97 Zentimeter Höhe, in denen Kunstwerke zur Schau gestellt werden. Die Fenster sind einem Wanderweg und einer Straße, dem Alteichweg, zugewandt und eröffnen den Passanten gleichsam im Vorübergehen den Blick zu künstlerischen Darbietungen. Deshalb trägt die Galerie Vor-Ort im Untertitel auch das Statement „Drei Fenster zum Weg in Altach“. Laut Leija soll das Ausstellungskonzept zu einer neuen und originellen Präsentations- und Diskussionsplattform hinführen. „Es zielt darauf ab, ein schwellenfreies Kunstangebot in Alltagssituationen zu integrieren und dadurch 'by the way' zum Diskurs über gesellschaftliche Themen und Entwicklungen anzuregen“, betont die Galeristin.
Wasser und Steine
Hannes Ludescher, 1946 in Feldkirch geboren, studierte Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre an der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei bei Josef Mikl und Wolfgang Hollegha sowie Bildhauerei bei Fritz Wotruba. Seit seinen Anfängen als freischaffender Künstler setzt er sich mit den Elementen Wasser und Stein auseinander. Anfangs entstanden vor allem Landschaftsaquarelle. Diese ließen sich auch relativ gut verkaufen, denn er hatte ja eine Familie zu ernähren. Der Fall der Berliner Mauer 1989 sei dann für ihn eine Zäsur und Aufforderung gewesen, etwas völlig Neues zu beginnen, wie er im Künstlergespräch mit Mirjam Steinbock im Rahmen der Vernissage wissen ließ. Nach Vorlagen aus der Natur bildete er seither gefunden Kiesel und Steine nach. Für die meist im Massstab 1:10 vergrößerten Papiersteine überzieht er ein Gerüst aus Hasel und Bambus mit einer Haut aus Papier, die er anschließend bemalt und perforiert. Durch diese Transformation erhält der unbeachtete Stein große Aufmerksamkeit. Die plane Fläche des Aquarells wandelt sich zu einem dreidimensionalen Objekt und spiegelt den Wunsch nach Einheit von Malerei und Körperlichkeit. Es sind Körper, die „ihre Schwere und Härte liegen lassen und den Luftraum erobern.,“ so der in Batschuns lebende und arbeitende Künstler. Entsprechend übertitelt er seinen Beitrag im Kunst-Container mit „das schwere leicht“. Konkret präsentiert er in den „Fenstern zum Weg“ vier Wasseraquarelle und sechs Steine. Die Wasseraquarelle fertigt er am liebsten am Mittelmeer, weil da das Licht und die Bewegung im Wasser viel stärker sei als etwa beim Rhein. Zum Malen stellt er ein Tischchen direkt in das Wasser und malt mitten im Element stehend. So wie er den Stein in der Hand spüren könne, brauche er auch den direkten Körperkontakt zum Wasser, verrät der Künstler. An beiden Elementen, dem Wasser und dem Stein, gefällt ihm die Ambivalenz. So sei das Wasser lebensnotwendig, könne aber auch todbringend sein. So wie auch der Stein gut als Werkzeug zu gebrauchen sei, andererseits aber auch als Hilfsmittel, um jemanden zu erschlagen.
Bis zu fünf Ausstellungen pro Jahr
Laut Verena Leija sind in der Galerie Vor-Ort jährlich bis zu fünf Ausstellungen geplant, die als Spiegelbild der gegenwärtigen bildenden Kunst in Vorarlberg dienen sollen. Nach Hannes Ludescher sollen Kirsten Helfrich und Florian Gerer den Kunst-Container für den Rest des Jahres bespielen.
Zwar hat es in der Vergangenheit etwa mit dem Kunstschaufenster in Bregenz oder dem von Harald Gfader begründeten „Feuerle“ neben dem Feldkircher Cafe Feuerstein schon mehrfach die Möglichkeit gegeben, Kunst „en passant“ und unvermutet zu begegnen, neu ist aber in Altach, dass Kunst hier tatsächlich an einem ungewöhnlichen Ort abseits des städtischen Gebiets und etablierter Kunstorte geboten wird. Ein wenig erinnert der Container vom Gestus her denn auch an frühere Kapellen oder Bildstöcke, an denen der Wanderer innehielt und kontemplativen Betrachtungen nachhing. Nun ist es ein Kunst-Container, der den Vorüberziehenden zum Innehalten und Nachdenken anregt.
Wünschenswert wäre, dass sich die Galerie Vor-Ort nicht nur etablierten Positionen zuwendet, die man ohnehin auch an anderen Kunstorten des Landes häufig serviert bekommt, sondern etwa auch ganz jungen Kunstschaffenden. In Wien zum Beispiel leben viele junge Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler, die keine Chance haben, im Land zu reüssieren, weil die unzähligen Platzhirsche zwischen 40 und 70 Jahren hartnäckig ihre Reviere verteidigen und vielem Neuen den Zugang verwehren. Für die Kunst-Container-Betreiber könnte dies sicher eine schöne Aufgabe sein Überlegenswert wäre es auch, die Ausmaße der Fenster zu vergrößern oder überhaupt den Blick auch in einen Teil des Inneren des Containers freizugeben, damit auch installativ gearbeitet werden kann. Bei der jetztigen Fenstergröße und den Spiegelungen bei Tageslicht ist es für den Passanten nämlich sehr schwer, den Zweck des Containers auf Anhieb zu erkennen. Und das ist schade, auch wenn dafür bei Dunkelheit, wenn die Sensoren die Beleuchtung von innen ausgelöst haben, die Kunstwerke – in diesem Fall die Steine von Hannes Ludeschers – wie schimmernde Kleinode den nächtlichen Raum bereichern.
Hannes Ludescher: 'das schwere leicht'
bis 30.9.
tägl. 0 - 24 Uhr
Galerie Vor-Ort, Altach, Alteichweg