Der beeindruckende Loop von Matthias Bildstein & Philippe Glatz als Wegweiser zur Langen Nacht der Museen.
Karlheinz Pichler · 06. Dez 2021 · Ausstellung

KUB gibt im Jubiläumsjahr ein Gastspiel in der Lagunenstadt Venedig

Im kommenden Jahr feiert das Kunsthaus Bregenz (KUB) seinen 25. Geburtstag. Aus diesem Anlass präsentiert sich das KUB im Rahmen der Biennale vom 20. April bis 4. Juli in der Lagunenstadt Venedig. Zudem ist vom 15. bis 17. Juli in Bregenz ein mehrtägiges Festprogramm angesagt. Das Ausstellungsgeschehen im eigenen Haus reduziert sich 2022 hingegen auf drei Einzelpräsentationen. Und zwar gibt es Werkschauen von Dora Budor, Jordan Wolfson sowie Anna Boghiguian.

Ortsbezogenes Schaffen

Gestartet wird das Jubiläumsjahr mit einer Einzelausstellung der 1984 in Zagreb geborenen und heute in New York lebenden Künstlerin Dora Budor (19.2. bis 22.5.). Eigentlich hätte diese Schau bereits Ende 2020 stattfinden sollen, wurde aber pandemiebedingt verschoben. Mit Budor setzt das KUB die Reihe ortsbezogener Installationen fort. Die aus Kroatien stammende Künstlerin verbindet Fragen zur Architektur mit jenen zu Geologie und Naturwissenschaften. Sie legt unzugängliche Erdschichten, die tief unter dem Kunsthaus Bregenz liegen, temporär frei, giesst sie ab und präsentiert sie als freistehende Skulpturen in den Räumen. Konkret stieg Budor in den das Kunsthaus in 26 Metern Tiefe umgebenden Kollektorgraben hinab, um von den Steinwänden Latexabgüsse zu machen. Darüber hinaus will sie auch eine der „Ausscheidungen“ des KUB, nämlich den gesammelten Kaffeesatz aus dem KUB-Cafe, bearbeiten.
Budor begreift Gebäude und Institutionen als Systeme, die nicht nur von tektonischen Bedingungen und der ihnen eigenen Infrastruktur geprägt sind, sondern auch von Genderaspekten – Faktoren, die sie über die unmittelbare Wahrnehmung hinaus Gestalt werden lässt. So soll in Bregenz etwa ein vibrierendes Sexspielzeug die Luft im Nottreppenhaus, die durch die insgesamt 28 Kilometer langen, im Gebäude verarbeiteten Rohrleitungen für die Temperaturregelung und die Belüftung strömt, in Schwingungen versetzen. So geriert Zirkulation zum Medium in seiner eindrücklichsten Form – in der Luft, die man atmet.

Der „bad boy“ der US-Kunst

In den Sommermonaten 2022 (11.6. bis 9.10.) wird gemäss KUB-Mitteilung Jordan Wolfson, der als „bad boy“ der US-amerikanischen Kustszene gilt, mit Hilfe von Virtual-Reality-Installationen medienkritisch die Populärkultur hinterfragen. Der 1980 geborene Kunstschaffende ist unter anderem für seine mechanischen Skulpturen bekannt, die unheimlichen Puppen gleichen. Wolfson kreiert schaurige Szenen, versetzt hochtechnisierte Jahrmarktsattraktionen in den Kunstraum, brüskiert mit Kritik an Konsum, Medien, Pop und Starkult, heisst es seitens des KUB. Eine solche Roboter-Puppe tanzt beispielsweise vor einem Spiegel, in das Outfit eines Go-go-Girls gekleidet: Lackstiefel, armlange Handschuhe, ein knappes Kleid und eine blonde Perücke. Das Gesicht unter einer grünen Hexenmaske verborgen, fixiert die Figur die Zuschauenden mit drohendem Blick. Die Puppe ist beschmutzt, die Szene irritierend schäbig. Kugelgelenke an den Armen verraten ihre Künstlichkeit. Die Tänzerin schwingt die Hüften vor dem Spiegel, mit dem sie durch eine Stange verbunden ist, und mutiert dabei vom demütigen Objekt zum angsteinflößenden Monster. Wolfsons mechanisch gesteuerte Skulpturen erinnern an alte Horrorvorstellungen von lebendig gewordenen Marionetten aus Vergnügungsparks. Stets sind diese Dinge, Geräte und Puppen für die Betrachter auch Spiegel, die verdrängte Fantasien vorführen und in „automatische Betrachtungsweisen und Bewertungsmechanismen hineinhacken“, zitiert das KUB die deutsche Kunstzeitschrift in Buchform „Kunstforum“ (Bd. 265, S. 153).     

Vom Hören und Hören-Sagen

Direkt auf den Ort reagiert in Bregenz vom 22.10. bis 31.1.2023 auch die 1946 geborene kanadische Künstlerin armenisch-ägyptischer Herkunft Anna Boghiguian. Die hörbeeinträchtigte, nomadisch lebende Künstlerin, die auch schriftstellerisch tätig ist, wird in ihrer Schau unter anderem über Marie Antoinette zeichnerisch fabulieren sowie auf eine persönliche Erfahrung zurückgreifen: Der österreichische NS-Verbrecher Aribert Heim lebte bis 1992 in ihrer Heimatstadt Kairo. „Sie kannte ihn, er verteilte immer Zuckerln an die Kinder. Sie erzählt uns etwas, das mit unserer Geschichte zu tun hat“, erläutert Trummer.
Die Künstlerin gilt als obsessive Sammlerin von Eindrücken. Vor allem aber akkumuliert sie Geschichten, wobei sich mythologische und historische Erzählstränge vermengen. Bedeutsam dabei sind Hören und Hören-Sagen. Die Kanadierin wurde mehrfach international ausgezeichnet, so etwa 2015 mit dem Goldenen Löwen für ihren Beitrag im armenischen Pavillon auf der 56. Biennale di Venezia.       

Das KUB in Venedig
Anlässlich des Jubiläums plant das KUB auch ein ehrgeiziges Auslandsprojekt. Während der Biennale von Venedig 2022 wird in eigens angemieteten Räumen eine Ausstellung zweier Künstlerinnen aus dem Programm gezeigt: Anna Boghiguian und Otobong Nkanga. Die beiden beschäftigen sich dabei in ihren Werken mit politischer Verantwortung, gefährdeter Natur und sozialen Konflikten. „Sie sprechen beide brisante Themen unserer Zeit an“, kommentiert Trummer das Faktum, dass die Wahl auf diese beiden gefallen ist. Schauplatz der Schau ist die Scuola di San Pasquale aus dem 16. Jahrhundert, die früher wohltätigen Zwecken und kulturellen Aktivitäten diente. Sie liegt direkt neben der Kirche San Francesco della Vigna auf dem gleichnamigen Campo. Im Rahmen einer interaktiven Tour will das KUB zusätzlich seine Geschichte ausbreiten. Zu sehen sein werden unter anderem ein Zumthor-Modell samt interaktiver Tour und ein Überblick über die bisher ausgestellten Kunstschaffenden.      

Optimistischer Ausblick

KUB-Chef Trummer gibt sich für 2022 durchaus optimistisch: „Wir sind gut vorbereitet und hoffen, dass wir in Bälde wieder aufsperren können.“ Auf die finanzielle Situation bezogen meint er, dass man sich naturgemäss immer mehr wünsche. Aber man sei auch in Pandemiezeiten sehr aktiv, das werde von der Politik und vom Publikum durchaus belohnt. Im vergangenen Jahr belief sich der Landesbeitrag auf 2,74 Mio. Euro, hinzu kamen 36.500 Euro Galerienförderung und 40.000 Euro Sonderförderung. An Eigeneinnahmen erwirtschaftete das KUB gemäss Mitteilung rund 690.000 Euro, was einem Anteil von rund 25 Prozent entspricht.

Programm 2022 im Überblick:
19.2.-22.5.: Dora Budor
20.4.-4.7.: KUB in Venedig
11.6.-9.10.: Jordan Wolfson
15.7.-17.7.: 25 Jahre KUB
22.10.-22.1.2023: Anna Boghiguian
Kunsthaus Bregenz
www.kunsthaus-bregenz.at