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Karlheinz Pichler · 29. Dez 2017 · Ausstellung

Sei keine Maus! - Marina Koldobskaya in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle

Nach 2014 zeigt die Bregenzer Galerie Lisie Hämmerle unter dem Titel „The Blots - It's not the convulsions of politicians that change the world“ zum zweiten Male eine Einzelausstellung der in St. Petersburg lebenden und arbeitenden russischen Künstlerin Marina Koldobskaya.

Hinter dem Ausstellungstitel steckt ein starkes Statement. Es seien nämlich die Kleckse, die Flecken, die die Welt verändern, also die Malerei und Kunst, und nicht die Krämpfe der Politiker. Hintergrund dazu ist, dass Koldobskaya eine überaus politische Künstlerin ist. So kritisiert sie etwa, dass die von Rezession erschütterte russische Gesellschaft den schwindenden Wohlstand durch wachsenden Größenwahn ersetzen will, der zudem noch von der Staatspropaganda geschürt wird. Darüber hinaus muss vor allem die zeitgenössische Kunst als Sündenbock für solche Defizite herhalten. Die russischen Künstler passen gut ins Schema „Bedrohung aus dem Westen“.



Gefressen und gefressen werden

Zentraler Blickfang der Ausstellung in Bregenz sind eine riesige Schabe, die Koldobskaya im Rahmen einer Malperformance im Zuge der Vernissage realisierte, sowie eine großformatige Leinwandarbeit, die eine rote Katze mit einer weißen Maus im Maul darstellt. Solche Sujets treten bei Koldobskaya immer wieder in Erscheinung. Hinter jeder süß dreinschauenden Katze verbirgt sich nämlich immer auch ein Monster, das tötet und seine Opfer gerne quält. Vergleiche zur aktuellen Weltgeschichte liegen auf der Hand. Trau keinem Politiker, könnte man etwa herauslesen. Oder die Aufforderung, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen und keine Maus zu sein, ansonsten man unweigerlich gefressen wird.



Eisern geübte Einfachheit

In Bregenz sind aber auch eine Reihe von Blumenbildern in Acryl-auf-Papier-Technik zu bestaunen. Die Gemälde sind von einer derartigen Leichtigkeit, Spontanität, Emotionalität und Poesie, dass die Russin dafür den Begriff „easy style“ verwendet. In ihrer Fröhlichkeit ausstrahlenden Durchlässigkeit erinnern sie an große Wasserfarbenarbeiten. Dieser Anschein von Simplizität und Leichtigkeit ist übrigens das Ergebnis harter Arbeit und langen Übens. Es ist wie chinesische Kalligraphie, - man muss die Abläufe wieder und immer wieder wiederholen, um dann in kurzer Zeit gute Ergebnisse erzielen zu können, verrät Koldobskaya. Ergänzend zu diesen Arbeiten auf Papier präsentiert sie große Blumendarstellungen auch auf Leinwänden.

Als weitere Werkgruppe sind mit den „Faces“ eine Reihe von Porträts zu sehen, darunter etliche Selbstporträts. Diese Acrylarbeiten auf Papier sind kleinformatig gehalten. Menschen zu malen, sei für sie immer schwierig, betont sie im Gespräch mit KULTUR. Weil sie stets reduziert, in dieser Reduktion aber das Signifikante, das Wesenhafte einer Person herausentwickeln will. Dass sie sich immer wieder selbst darstellt, habe keinen narzistischen Hintergrund. Sie verwende ihr eigenes Gesicht nur zum Experimentieren, weil ihr keine anderen Modelle zur Verfügung stünden. Porträts basieren aus ihrer Sicht stets auf ganz individuellen Grundsätzen und Eigenschaften, und es gehe dabei auch darum, Widersprüche zu überwinden. In jedem Fall bringen die „Faces“ eine spezielle zusätzliche Spannung in das Werk Koldobskayas.



Gespickt mit Anspielungen

Koldobskaya studierte an der „High School of Art and Design“ in Leningrad. Mitte der 1980-er Jahre, während der Perestroika, begann sie als „freelance artist“ an Ausstellungen teilzunehmen. In den frühen 1990-er Jahren wurde sie Mitglied der ersten „post-Soviet Russia women's art group ‚I Love You Life’“. Mit Performance-KünstlerInnen organisierte sie „everyday life“-Aktionen in Form von Party-Shows, Picknicks oder Installationen im öffentlichen Raum. Projekte, die man auf ihrer Hompage (www.marinakoldobskaya.net) erkunden kann, wie beispielsweise New Heraldry of Russia, Know Your Place, Happy Savage, Porcelain for Propaganda, Red & Black oder Personal belegen ihr Interesse am sozialen- und politischen Leben, an zeitgenössischer Mythologie und Ideologie, Folklore Art, Pop-Kultur oder an Massen-Medien. Ihre Werke sind gespickt mit Anknüpfungen an solche inhaltlichen Reizzonen.

Marina Koldobskaya: The Blots - It's not the convulsions
of politicians that change the world

Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz
bis 15.1.2018
Mi-Fr 15-19, Sa 16-19, und nach tel. VB
www.galerie-lisihaemmerle.at