Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 06. Jän 2018 · Ausstellung

Von Walter Benjamins Koffer bis zu Mowgli - Meisterhafte Kinderbuchillustrationen im Dornbirner QuadrArt

Laut Erhard Witzel, der gemeinsam mit Uta Belina Waeger den Dornbirner Kunstraum QuadrArt führt, ist die aktuell laufende Ausstellung „Sechs auf einen Streich“ ein Besuchermagnet. Kein Wunder, werden doch Unikate von international bekannten Kinderbuchillustratoren gezeigt und damit Werke, die nicht nur eingefleischte Kunstkenner, sondern auch spartenübergreifend kleine und große Liebhaber von Büchern und Bildern ansprechen. Wer die außergewöhnliche Schau noch nicht gesehen hat, hat noch bis 31. Jänner die Gelegenheit, dies nachzuholen.

Die von Herwig Bitsche, Leiter des Nord Süd Verlages Zürich, und dem Dornbirner Grafiker Kurt Dornig kuratierte Ausstellung erinnert vom Titel „Sechs auf einen Streich“ her an das Gebrüder-Grimm-Märchen „Das tapfere Schneiderlein“. Zwar schlug das Schneiderlein sieben auf einen Streich, und wenn man es genau nimmt, sind auch in der Präsentation im QuadrArt sieben KünstlerInnen versammelt. Denn auch das Referenzwerk aus der Sammlung Erhard Witzel ist in der Schau vertreten, - eine Clown-Darstellung des Würzburger Illustrators Marco Wagner, der gerade erst kürzlich von der Internationalen Bodenseekonferenz mit dem Förderpreis für Illustration 2017 ausgezeichnet wurde.

Auch wenn die im QuadrArt gezeigten Illustrationen aus Kinderbüchern stammen, handelt es sich dennoch bei weitem nicht nur um eine Ausstellung für Kinder. Denn moderne Kinderbücher haben häufig sehr komplexe und eigenwillige Inhalte. In ihnen spiegeln sich gesellschaftliche, soziale und politische Abläufe und Prozesse, was sie auch für Erwachsene interssant macht. Schon allein die Themenvielfalt der handvoll im QuadrArt präsentierten Illustratoren versetzt in Staunen. Da geht es um die Flüchtlingsproblematik, Rassismus und die Unterdrückung eines russischen Schriftstellers, genauso wie um Astronautenmäuse oder Walter Benjamins Flucht aus Nazi-Deutschland. Neben der Spannbreite der Inhalte werden anhand der ausgewählten IllustratorInnen auch unterschiedlichste visuelle Umsetzungstechniken vor Augen geführt.

Von der detailreichen Buntstiftzeichnung bis zum Gemälde in Öl

Mit der 1985 in Bregenz geborenen Sophie Thelen ist auch eine Vorarlberger Künstlerin unter den sechs respektive sieben Positionen vertreten. Thelen hat sich mit ihren farbigen, einen magischen Realismus verströmenden Tuschzeichnungen bereits überregional einen Namen gemacht. In Dornbirn sind Arbeiten zu sehen, die aus einem noch unveröffentlichten Bilderbuch stammen und in dem Thelen einen Text des russischen Kultdichters des absurden Humors Daniil Charms illustriert. Ihre Interpretationen zu „Die Reise nach Brasilien“ wirken überaus poetisch und ihre Dschungelansichten erinnern in ihrer phantasievollen Auslegung auch ein wenig an Henri Rousseau.

Bei Groß und Klein und Jung und Alt gleichermaßen gut kommt der aus der niedersächsischen Kleinstadt Sulingen stammende Torben Kuhlmann an. Mit seinen beiden Büchern „Lindbergh“ und „Armstrong“ hat dieser Kreative des Jahrgangs 1982 dem Bilderbuchgenre für Kinder eine neue Dimension erschlossen. Seine episch umfangreichen Geschichten, gezeichnet in atemberaubenden Aquarellen, hat ihn in wenigen Jahren zum Shooting Star der deutschsprachigen Illustratoren werden lassen, dessen Bücher inzwischen in über 30 Sprachen übersetzt worden sind. Kuhlmann versteht es speziell, mit Vogel-, Mäuse- und Menschenperspektiven zu spielen. Und schafft dazu noch beeindruckende Panoramabilder. „'Lindbergh' ist treffender als Graphic Novel denn als Kinderbuch zu bezeichnen. Genau darum ist das Buch auch fantastischer Lesestoff für große, verspielte Leser", schrieb etwa das deutsche Börsenblatt zu seinem Erstling.

Neben den fliegenden Mäusen Kuhlmanns ist mit der Neu-Illustration des „Dschungelbuchs“ von Rudyard Kipling durch Aljoscha Blau auch ein absoluter Kinderbuchklassiker in einer neuen, frischen Version zu sehen. Blau gibt dem
Kipling-Bestseller „seine ursprüngliche Kraft zurück, die er spätestens seit den Verfilmungen von Walt Disney verloren hatte“, betont Kurator Bitsche. Bei den Gouachen von Aljoscha Blau stehen feine, tuschhafte Linien neben kräftigen Flächen.

Die Taiwanesin Pei-Yu Chang, geboren 1979 in Taipeh, hat zunächst mit „Hundebraten süßsauer?“ reüssiert, einem bilderten Buch zur chinesischen Alltagsküche. Mit „Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin“ feierte sie letztes Jahr ihr Kinderbuchdebüt und landete damit gleich einen Publikumserfolg. Herr Benjamin (Walter Benjamin) ist ein Philosoph und Kulturkritiker mit ungewöhnlichen Ideen. Doch eines Tages entscheidet man in seinem Land, dass ungewöhnliche Ideen nicht erwünscht sind. Er muss fliehen und nimmt einen schweren Koffer mit auf seinen Weg. Niemand weiß, was in dem Koffer ist. Leider gelingt Herrn Benjamin die Flucht nicht. Er verschwindet spurlos und mit ihm der Koffer. Aber das Mysterium um den Koffer bleibt bestehen. Es muss etwas ganz Besonderes in ihm gewesen sein. Ein packendes Bilderbuch einer vielversprechenden Künstlerin zum Thema Flucht. Ihre Mischtechnik ist ein aufregender Mix von verschiedenen Materialien in einem Bild.

Der noch junge William Grill, Jahrgang 1990, ist ein britischer Illustrator und Kinderbuchautor. Er arbeitet am liebstesn mit Farbstiften und findet seine Inspirationen direkt in der Natur. Bereits sein erstes Bilderbuch „Shackletons Reise“ (2015) wurde mit der Kate Greenaway Medal ausgezeichnet und auch für den Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert. Sein jüngstes Buch „Die Wölfe von Currumpaw“, aus dem das QuadrArt Beispiele zeigt, belegt erneut seine Meisterschaft im Umgang mit Buntstiften. Die Mischung aus epischen, großformatigen Bildern und einer Vielzahl von Details machen seine Bücher zu einem Lese- und Sehgenuss für Kinder und Erwachsene. Obwohl erst 27 Jahre alt, ist Grill bereits ein routinierter Illustrator, der unter anderem auch für die „Financial Times“ und die „New York Times“ zeichnet. Sein leicht wiedererkennbarer Stil der dicken Schraffur ungespitzter Buntstifte sowie die oft seltsam verschobenen Perspektiven verleihen seinen Figuren eine eigenartig verzerrte Breite.

Sebastian Meschenmoser, 1980 in Frankfurt am Main geboren, studierte an der Akademie für Bildende Künste in Mainz und lebt und arbeitet heute in Berlin. Zuletzt illustrierte er die Neuausgabe von Kenneth Grahames „Der Wind in den Weiden“. Die Abenteuer von Maulwurf, Ratte, Dachs und Kröterich haben seit ihrem ersten Erscheinen 1908 schon viele Kinder und Erwachsene begeistert. Eindrücklich schildert Grahame hier die Schönheit der Natur und er beschreibt die Eigenheiten der Charaktere pointiert und humorvoll. In der Neuausgabe überrascht der Ausnahmeillustrator Meschenmoser mit einer Kombination aus zart kolorierten Aquarellen und malerischen Ölbildern.

Skizzen und Vorstudien

Neben jeweils sechs Originalwerken von jedem der IllustratorInnen sind im Kellergeschoss des QuadrArt auch Skizzen, Vorstudien und Entwürfe für diese Bücher zu sehen. Wodurch der Prozess der Entstehung eines Bilderbuchs noch einmal erlebbarer wird. Durch den Vergleich der ausgestellten Unikate mit den gedruckten Büchern wird die Kunst dieses Mediums noch unterstrichen. Im Rahmen der Vernissage signierten die Anwesenden Kunstschaffenden ihre zum Verkauf aufgelegten Bücher nicht nur, sondern versahen sie zusätzlich mit Zeichnungen. Kein Wunder, bildeten sich Schlangen bis letztlich jedes aufgelexte Exemplar seine/n KäuferIn fand.

Ansichten XXIX: „Sechs auf einen Streich“
Meisterhafte Illustrationen – nicht nur für Kinder
QuadrArt Dornbirn
Bis 31.1.
www.quadrart-dornbirn.com