Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 24. Jul 2011 · Ausstellung

Erwin Wurm als "Häuslbauer" - "Narrow House" im Kunstraum Dornbirn

Dem Kunstraum Dornbirn ist es gelungen, eine neue Ausgabe von Erwin Wurms "Narrow House" in seine "Montagehalle" zu holen. Ein Einfamilienhaus, das auf eine Breite von 1,1 Meter zusammengestaucht und durchaus begehbar ist – so man den Bauch einzieht. Bei den Besuchern löst es Schmunzeln genauso aus wie die Frage nach dem Sinn.

Wenn Leute ihre Köpfe in Kühlschränke stecken, die Ladeflächen von Kleinlastern um 90 Grad nach oben geknickt sind, Autos so aussehen, als ob sie Fettsucht hätten, oder wenn Häuser so schmal geraten sind, dass man sie kaum betreten kann, wenn also das, was man im Alltag für gewöhnlich zu sehen und zu denken bekommt, völlig aus der Realität geraten und derart verzerrt scheint, dass man den eigenen Augen nicht mehr trauen kann, dann ist es so gut wie sicher, dass sich der Künstler Erwin Wurm in unmittelbarer Nähe befindet. Denn Wurm realisiert die gedachte Unmöglichkeit. Oder aber er blickt einfach mit messerscharfer Präzision auf die Prozesse des Alltags, isoliert sie, greift sie heraus, überhöht sie und überfrachtet den hundsgewöhnlichen Lebensgang mit pechschwarzer Komik. Mit skulpturalen Werken wie "Fat Car", "Fat House" oder seinen "One Minute Sculptures" hat der dem Begriff der Bildhauerei völlig neue Aspekte hinzugefügt.

Haus von Wurm in Venedig

Zu den neueren Arbeiten von Erwin Wurm, der 1954 im steirischen Bruck an der Mur zur Welt gekommen ist, zählen die so genannten Narrow Houses. Ausgangspunkt für diese modular zusammengesetzten Häuser ist sein Elternhaus in  der Steiermark, das Wurm maßstabsgetreu bis ins kleinste Detail naturalistisch nachbauen ließ, allerdings zusammengequetscht auf etwas mehr als einen Meter Breite. Auch die Innenräume samt Inventar - vom Essbesteck bis zu den Sanitäreinrichtungen - ist wie das Haus den 1960er und 1970er Jahren nachempfunden und ebenfalls in gestauchter Form vorhanden. Erstmals zu sehen war so ein „Narrow House“ vergangenes Jahr in China. Von 19. Oktober 2010 bis 30. Jänner war eine Variante davon im Essl-Museum in Klosterneuburg ausgestellt. Dieses „Essl-Haus“, das freilufttauglich gebaut wurde, steht nun für die Dauer der Biennale direkt neben einem venezianischen Palast am Canale Grande, direkt vis à vis der Vaporetto-Station „Academia“. Es sorgt bei den (Kunst)TouristInnen in Venedig für rechte Irritation und bildet das Motiv für unzählige Fotoschnappschüsse.

Das Biedere, Kleingeistige auf die Schippe nehmen

Die neueste Ausgabe dieses Prototyps für ein klassisches, steirisches Einfamilienhaus mit Satteldach holte aber die Kuratorin Ingrid Adamer in den Kunstraum Dornbirn. Das saubere Ding, ein Symbol für die kleinbürgerliche Häuslebauerei, bildet einen grotesken Kontrast zur monumentalen, vom Gebrauch geprägten Industriehalle. Für die Besucher allerdings ist es ein Vergnügen, sich in die schmalen Gänge des extrem verschlankten Häuschens zu zwängen und die ebenfalls verzerrten Einrichtungsgegenstände wie Sitzgruppe, Toilette, Bad oder Telefon in Augenschein zu nehmen. Wurm liegt es fern, mit dieser „Skulptur“ eine Abrechnung mit seinem Elternhaus vom Zaun zu brechen. Vielmehr nimmt er das Biedere, Kleingeistige und den Wahn vom eigenen Häuschen ganz allgemein auf die Schippe. Häuschen, die sich kaum voneinander unterscheiden und die Individualität verschwinden lassen. Nach Ansicht der Kuratorin  visualisiert das Narrow House auch „auf zynische Weise, wie sich Architektur in Zeiten zunehmender Raumknappheit entwickeln könnte.“ (Was wir allerdings in dieser Form nicht hoffen wollen.)
Demnächst erscheint unter der Herausgeberschaft von Kunstraum-Dornbirn-Chef Hans Dünser auch ein Buch über Wurms „Narrow House“. Die Publikation soll anlässlich der Finissage am 15. August (11 Uhr) im Kunstraum präsentiert werden.

Kunstraum Dornbirn: Erwin Wurm: „Narrow House“. Bis 15. August 2011