Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 31. Okt 2018 · Ausstellung

In Keramik verschlüsselte Welten und Obsessionen – Elmar Trenkwalder im Kunstraum Dornbirn

Noch bis 2. Dezember besteht die Möglichkeit, die größte Keramikskulptur, die der Außerferner Künstler Elmar Trenkwalder jemals geschaffen hat, im Kunstraum Dornbirn anzuschauen. Für das dreizehn Meter lange und sieben Meter hohe Werk, das den Titel „Engel über Licht und Schatten – vom erlösenden Schweigen der Form“ trägt, hat Trenkwalder zwei Jahre lang ununterbrochen gearbeitet und dabei zwölf Tonnen Tonerde verbraucht. Nach Thomas Feuerstein mit seinem gigantischen „Clubcannibal“ zeigt der Kunstraum Dornbirn im zweiten Halbjahr damit bereits den zweiten Tiroler Künstler, der aus dem Vollen schöpft.

Beim Betreten der ehemaligen Montagehalle fühlt man sich im ersten Moment an eine Reliefwand der kambodschanischen Tempelanlage von Angkor Wat aus der frühen Khmer-Zeit erinnert. Die Monumentalität und die Formensprache Trenkwalders, die an Hindu- und andere himmelwärts strebende Anlagen, aber auch an prunkvolle Barock- und Rokokoarchitekturen oder spätgotische Flamboyant-Ornamente erinnern, tragen ihren Teil dazu bei. Bei den überschwänglichen Gebilden handelt es sich jedoch nicht etwa um schreinartige Formationen, sondern die vielen unterschiedlichen Figuren und Formen könnten aus einer erotisch-religiös-fiktionalen Traumwelt erstanden sein, für deren Entschlüsselung jeder Betrachter für sich den eigenen Code finden muss. Architektonische Bereiche scheinen dabei mit biomorphen Formen aus der Natur, in denen vegetabile Wucherungen und rocailleartige Versatzstücke wie auch ins Groteske verzerrte menschliche Körperfragmente vorkommen, zu verschmelzen. Auch symbolische Referenzen sexueller Natur sind auszumachen, wobei männliche und weibliche Attribute oft miteinander fusionieren.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Das als Wand konzipierte Werk, das in einem schrägen Winkel zu den Längsachsen im Raum steht, hat eine Vorder- und Rückseite und kann von beiden Seiten betrachtet werden. Die schimmernde bläulich-grüne Glasur der Keramik antwortet sensibel auf das wechselnde Tageslicht, das durch die großen Fenster im Kunstraum einfällt. Das Licht spielt bei der reliefartigen Konstruktion Trenkwalders eine wesentlich tragendere Rolle, als dies etwa bei Vollplastiken der Fall ist. Auf der glasierten Keramikoberfläche scheinen die Lichtreflexionen ein fast märchenhaftes Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit zu inszenieren.

In einem Interview mit Dorothee Messmer sagte der Tiroler Künstler einmal: „Es ist mir sehr wichtig, dass die Skulptur von Weitem und aus der Nähe unterschiedlich erfahrbar ist, und dass die Bildwelt wechselt. Von Weitem sieht man eine Figur, und wenn man näher kommt, löst sie sich in ihre Details auf, wird zur Negativ- oder Positivform. Das Changieren steigert die Form in ihrer Illusionshaftigkeit.“ Trenkwalder regt die Betrachterschaft dazu an, die Formen als Symbole, als verschlüsselte Botschaften zu deuten. Zugleich wünscht sich der Außerferner, der bewusst auf eine Betitelung verzichtet und seine Werke jeweils nur mit ihrer Inventarnummer bezeichnet, Offenheit in der Begegnung. Der Ausstellungsmacher und Direktor am Leopold Musuem Wien, Hans-Peter Wipplinger, schreibt über den Tiroler: „Elmar Trenkwalders künstlerisches Schaffen steht für eine Ambivalenz der Dinge. Das Unbestimmte ist seine Strategie, wobei er sich einerseits der Wirklichkeit bedient, die er andererseits kraft seines originären Formenvokabulars mit den Mitteln des Fantastischen umformt.“

Additives Verfahren

Elmar Trenkwalder, 1959 in Weißenbach am Lech geboren, studierte bei Max Weiler und Arnulf Rainer an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Erst 1986 wandte er sich der Keramik zu. Auf der Suche nach neuen Materialien fing er als Autodidakt und ohne jegliche Vorkenntnisse an, mit Ton zu experimentieren. Heute dominiert die Keramik sein Schaffen, neben der Malerei und der Zeichnung. Seine Arbeit hat im additiven Verfahren mit dem künstlerischen Material des Tons Freiheiten und Dimensionen erreicht, denen lediglich durch die statischen Eigenschaften des ungebrannten Materials Grenzen gesetzt sind. Seine sich mittlerweile zu eindrucksvoller Größe auftürmenden Werke werden zumeist durch Zeichnungen und Modelle präzise vorbereitet. Es sind hochkomplexe Ensembles aus zahlreichen, jeweils dem Format des Brennofens angepassten Einzelteilen, deren exaktes Zusammenspiel von der Erfahrung des Künstlers und seinem virtuosen Umgang mit dem Schrumpfungsprozess des trocknenden Materials zeugen. Oft sieht der Künstler die Figur in ihrer Gesamtheit erst beim Aufbau in der Ausstellung.

In der Montagehalle des Kunstraums Dornbirn hat Elmar Trenkwalder zweifellos einen Raum gefunden, der für seine Arbeiten geradezu prädestiniert scheint. Die in ihrer Ursprünglichkeit belassene Industriehalle bildet den optimalen Rahmen, um die handwerklich geprägte, Wärme versprühende phänomenale Keramik-Reliefwand Trenkwalders zur vollen Entfaltung zu bringen.

Elmar Trenkwalder 
Engel über Licht und Schatten – vom erlösenden Schweigen der Form
Kunstraum Dornbirn
Bis 2.12.
Tägl. 10-18
www.kunstraumdornbirn.at