Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 01. Nov 2018 · Ausstellung

Besessenheit als Antrieb zur Kunst – Das Kunstmuseum Liechtenstein präsentiert fünf Kunstschaffende mit Bezug zu Feldkirch

Kunstschaffende sind in in der Regel von ihrer Tätigkeit besessen. Besessene sind immer auch Grenzgänger. Das Thema „Grenze“ nimmt bei den Veranstaltungen anlässlich des heurigen 800-Jahr-Jubiläums der Stadt Feldkirch, nicht zuletzt aufgrund der geografischen Lage der Montfortstadt, eine zentrale Rolle ein. Grenze auch im Sinne von Grenzüberschreitung. Damit erscheint es logisch, dass Arno Egger die von ihm kuratierte Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein mit „obsessiv“ überschrieb und mit Wolfgang Flatz, Anne Marie Jehle, Max Riccabona, Eugen Steck und Nikolaus Walter fünf KünsterInnen mit Feldkirchbezug auswählte, auf die dieses Attribut besonders zutrifft.

Trotz Grenze gibt es zwischen Vorarlberg (Österreich) und Liechtenstein viel Verbindendes. So wurde das Fürstentum etwa lange Zeit von Österreich aus regiert und österreichisches Recht zur Anwendung gebracht. Das kleine Land begeht 2019 zudem sein 300. Bestandsjahr. Mit Blick auf das Jubiläum der Stadt Feldkirch in diesem Jahr eine gute Voraussetzung, ein grenzüberschreitendes Ausstellungsprojekt aufzugleisen.
Für das Jubiläumsjahr hat Feldkirch eine Reihe von unterschiedlichen Themen ausformuliert, um sich mit Fragen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinanderzusetzen. Der Aspekt der „Grenze“ ist einer davon, und er spielt im übertragenen Sinne auch in viele andere Bereiche hinein.

Der Körperschinder

An der Grenze des Machbaren bewegte sich stets Wolfgang Flatz (geb. 1952), trieb er doch die physische Auslotung des eigenen Körpers stets bis zum Exzess. Erstmals für großes öffentliches Aufsehen sorgte er 1974, als er in einem weißen Anzug zu einer Ausstellungseröffnung im Feldkircher Palais Liechtenstein erschien, sich einen schwarzen Sack über den Kopf stülpte und sich in eine Ecke stellte. Er wurde verhaftet und anschließend in die Psychiatrie der Valduna in Rankweil eingewiesen. Eine seiner spektakulärsten Aktionen war aber, als er sich in der alten Synagoge der georgischen Hauptstadt Tiflis zwischen zwei von der Decke hängenden Stahlplatten zu den Klängen des Wiener Walzers wie ein Klöpel bis zur Bewusstlosigkeit hin- und herschlagen ließ. Dieses Video (Demontage IX, Alte Synagoge Tiflis, 1990/91) ist im Kunstmuseum Vaduz aktuell genauso zu bestaunen wie das fotografische Farbporträt „The Golden Mastercard“ (Farbfotografie in Metall-Leuchtkasten) des Künstlers.

Inhalt wichtiger als Form

Für Anne Marie Jehle (1937-2000) ging es niemals um die pure Oberfläche oder die reine Form, sondern in erster Linie um Aussage und Inhalt. In ihren Installationen, Objekten und Bildern verarbeitete sie verschiedenste Materialien und Medien. Ihre Bildsprache ist dialektisch und assoziativ, ihr Werk setzt sich kritisch mit Gesellschaft, Wirtschaft und geschlechtsspezifischen Rollenbildern auseinander. Neben Fotomontagen zur Stadt Feldkirch fällt besonders die Arbeit „Dem treuen Dienstmeitli“ ins Blickfeld, bei der eine Ausgabe der Tageszeitung „Liechtensteiner Vaterland“ vom 29. April 1982 mit Zierbändern an einem beschrifteten Kleiderhaken befestigt ist. Auf der Titelseite prangt groß ein Artikel, der darauf verweist, dass den Frauen noch immer das Stimmrecht verwehrt wird. Feministische Anliegen sind eine immer wiederkehrende Konstante im dichten OEuvre Jehles, das in der „Annemarie Jehle Stiftung“ in Vaduz (Liechtenstein) archiviert und wissenschaftlich aufgearbeitet wird.

Notorischer Collagist

Max Riccabona (1915-1997) ist als notorischer Collagist in der Tradition des Dadaismus anzusiedeln. Schriftstellerische Arbeiten wie seine „Tragikomödie des x-fachen Dr. von Halbgreyffer oder Protokolle einer progressivsten Halbbildungsinfektion“ ließen ihn als schräges Original erscheinen. Der ausgebildete Jurist wurde 1941 wegen verbotener monarchistischer Betätigung in Salzburg verhaftet und für drei Jahre im KZ Dachau interniert. Egger hat von Riccabona zwölf Collagen nach Vaduz gebracht, von denen die meisten ins Jahr 1973 datieren. Bei dem eigenwilligen Künstler formieren sich aufgeklebte Bild- und Textfragmente, Piktogramme, Papierschnitzel, Medikamentenschachteln und vieles mehr zu sehr speziellen Kompositionen. Riccabona sah in diesen experimentellen Elaboraten eine Erweiterung des Schreibens ins Bildnerische.

Der Astronom

Der Hobby-Astronom Eugen Steck (1902-1985) baute in Eigenregie Teleskope und beobachtete damit den Sternenhimmel. In Ermangelung einer Weltraumkamera übertrag er alles, was er sah, auf Papier und Karton. Neben der Sonnenbeobachtung war für den besessenen „Astronomen“ auch die Mondbeobachtung ein zentrales Anliegen. So hinterließ er allein etwa rund 150 Mondzeichnungen, von denen einige in Vaduz in Vitrinen ausgebreitet sind. Sein umfangreicher Nachlass ist zur Gänze im städtischen Archiv Feldkirchs untergebracht.

Gesellschaftlich relevante Studien in Schwarzweiß

Der 1945 geborene Fotokünstler Nikolaus Walter steht als Schwarzweißfotograf ganz in der Tradition des großen Henri Cartier-Bresson. Walter ist nicht nur dafür bekannt, dass er situativ den Auslöser immer zur rechten Zeit betätigt, sondern dass er sich ganz im Sinne von Langzeitstudien regelrecht in sozial und gesellschaftlich relevante Themen verbissen und damit wertvolle Dokumentationen abgeliefert hat. Wie unvoreingenommen und einfühlend er auf die Menschen zugeht, kann etwa anhand der 12-teiligen Fotoserie zum Feldkircher Original Peppi Gamper aus dem Jahre 1993 nachvollzogen werden, die als Block im Kunstmuseum Vaduz gezeigt wird.

Obsessiv
Wolfgang Flatz, Anne Marie Jehle, Max Riccabona, Eugen Steck, Nikolaus Walter
bis 2.12.
Di-So 10-17, Do 10-20 Uhr
Kunstmuseum Liechtenstein
www.kunstmuseum.li