Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 07. Jul 2013 · Ausstellung

Einander ausschließende Aspekte der Malerei unter einen Hut bringen

Die Arbeiten des US-Künstlers David Reed haben eine ungewohnte Oberfläche. Sie wirken aufgrund Reeds Abschleiftechniken mitunter so „clean“ und glatt, dass viele glauben, es handle sich um Fotografien. Dass die Farbe an sich und Transparenz zentrale Themen im Schaffen des amerikanischen Malers sind, lässt sich derzeit in der Galerie Häusler Contemporary in Zürich überprüfen, die einen feinen Querschnitt neuerer Werke Reeds zeigt. KULTUR traf Reed zu einem Interview in der Galerie.

Mr. Reed, aus rein formaler Sicht erinnern Ihre neuen Arbeiten an diejenigen der 1970er Jahre. Ist dies ein Trugbild, oder was ist im Vergleich zu früher neu an Ihren Bildern?
Ja, in diesen neuen Malereien greife ich erneut auf horizontale Pinselmarketten zurück, wie ich sie bereits in den Bildern der 1970er verwendet hatte. Ich denke, diese Elemente sind Teil meines Vokabulars und es ist mein gutes Recht, diese wieder einzusetzen. Im Unterschied zu den Gemälden der 1970er Jahre verwende ich diese „Brushmarks“ nun in Kombinationen mit anderen gemalten Flächen. In den neuen Bildern verbinde ich die Pinselmarketten mit Bereichen transparenter Gestik, die aus Farbglasuren bestehen, die ich mit einer Spachtel aufgetragen habe. Um diese gespachtelten Gesten setzen zu können, muss das Bild horizontal liegen. Denn stünde es vertikal, würde die Farbe zerlaufen und ich hätte keine Chance, diese unterschiedlichen Farbabstufungen zu realisieren. Ich sehe in diesen durchlässigen Farbfeldern eine Art medialer Räume. Meine Gesten deuten damit etwas Figürliches an, das sich fast geisterhaft über die Oberfläche schiebt. Wie man bestimmte Charaktere mit einem Kinofilm verbindet, können solche Zeichensetzungen beim Betrachter mediale Identifikationen auslösen.

Die horizontalen Gesten mit Pinsel werden am vertikal gestellten Bild gesetzt. Sie reflektieren unmittelbar meinen Körper und verweisen direkt auf den Malakt. Diese Zeichensetzungen folgen gleichsam der Schwerkraft. Die Malerei scheint wie heruntergezogen.

Wer diese Pinselmarketten betrachtet, kann sich auf unterschiedliche Art damit identifizieren. Der eine fühlt die eigene Größe, den eigenen Körper, der ebenfalls von der Schwerkraft abhängig ist. Ich fühle, dass wir heute alle in zwei Welten leben: Zum einen in dieser von Medien bestimmten Welt der digitalen Bilder, zum anderen in dieser pysikalischen, materiellen Welt, die unseren Körper bedingt. Zwei Welten, die simultan nebeneinander existieren. Die Frage ist nun, wie wir diese unterschiedlichen Erfahrungen, diese mediale und reale Welt, in unserem Leben unter einen gemeinsamen Hut bringen können. Wie können sie koexistieren? Wie können wir weiterhin Mensch sein und gleichzeitig Teil einer von Maschinen dominierten Welt?

Der immer wieder gemalte ornamentale Loop respektive Pinselschwung ist ein typisches Markenzeichen Ihrer Werke. Sehen Sie in diesem Loop eine Möglichkeit, die abstrakte Malerei mit der gestischen zu verbinden?
Ja, ich fühle, dass bestimmte Markensetzungen auf einer Oberfläche Raum schaffen und in alles Mögliche drehen können. Für mich verkörpern diese Notationen einen menschlich-gestischen Touch, gleichzeitig aber halten sie auch viele andere Optionen offen. Die Marketten, die für meine Bilder der 1970er typisch sind, verkomplizierten sich plötzlich von selbst, um zu Ikonen, Emblemen oder Replikationen ihrer selbst zu werden. Der Wunsch, solche Markierungen lediglich auf ihre Materialität hin zu reduzieren, ist ein Ding der Unmöglichkeit, um nicht zu sagen, ein stupides Ziel.

Neue Farben unserer Welt erkunden


Sie selbst sehen die Malerei als einen Teil der Welt an. Aber viele Farben sind heute von rein digitaler Natur. Denken wir nur an die vielen Farben auf den Smartphone-Screens, den Computer-Monitoren, den TV-Bildschirmen oder den Anzeige-Displays im öffentlichen Raum – wir nehmen sie alle auf digitalem Wege wahr. Wie passen Ihre analogen und materiellen Farben mit dieser neuen Welt von fluider und immaterieller Farbigkeit zusammen?
Mit meiner Malerei  möchte ich genau diese neuen Farben unserer Welt erkunden. Ich mag Ihre Beschreibung dieser Farben als fluid und immateriell. Die meisten dieser Farben haben für uns weder emotionale noch nachwirkende Bedeutung. Ich bin der Ansicht, dass die Malerei dazu beitragen kann, diese neuen Farben entsprechend zu definieren. In meinen Gemälden kann ich diese Farben erforschen. Sie werden oft von einem transparenten Medium überlagert. Häufig scheint ein weißer Grund von hinten durch und verleiht den Farben eine Art „inneres Licht“, wie man es von Bildschirmen her kennt. In der Barock-Malerei war dieses Licht sehr direkt, von Gott kommend, heute wird dieses Licht von den Screens ausgesendet.

Sind Sie noch immer auf der Suche nach diesen Farben der Zukunft, oder haben Sie sie bereits gefunden?
(lachend) Ich hoffe, die Gemälde können vermitteln, dass sie teils Farben der Zukunft in sich bergen. Vielleicht nicht einer noch weit entfernten Zukunft, aber immerhin einer Zukunft von einigen Tagen, oder einer Woche, oder zwei Wochen von jetzt an. Einfach  ein kleiner Vorstoß in die Zukunft. Und ich hoffe, dass die Farben in meinen Gemälden für immer diese Qualität halten können. Auch wenn die Gemälde dann schon älter sind. So wie dies bei manchem Film der Fall ist.

Ihre ornamentalen Farb-Loops besetzen die Leinwand in großen gestischen Bewegungen. Manches Mal werden diese gemalten Pinselschwünge von Farbfeldern unterbrochen. Häufig liegen mehrere solcher Felder übereinander. Das erinnert ein wenig an die Fenstertechniken, wie man sie von Computerbetriebssystemen wie etwa Windows her kennt. Ist diese Überlappung von Farbfenstern ein Versuch, formale Aspekte aus der Computertechnik in die Malerei überzuführen?
Diese Art der Strukturierung geschieht in meinen Gemälden auf natürliche Art und Weise. Ich möchte damit Anklänge an den Film und die Fotografie tätigen, da in diesen Medien die Ränder stets Erweiterung und nicht ein Ende implizieren. Ich möchte diese Gratwanderungen der Malerei gegenüber der Welt öffnen.
Ich habe aber natürlich bemerkt, dass diese Felder in meinen Gemälden an die Fenster erinnern, die sich auf Computerbildschirmen auftun. Aber ich denke, der Einbau dieser Felder entwickelte sich von selbst, denn wie wir alle, arbeite natürlich auch ich sehr viel am Bildschirm. Dass die Malerei auf so leichte Art unsere Erfahrungen mit der Welt aufnimmt und reflektiert, gefällt mir sehr gut.

In früheren Ausstellungen haben Sie die Malerei mit Videos kombiniert. Warum eigentlich, und werden Sie diese verschiedenen Techniken auch in Zukunft nebeneinander stellen?
Mich fasziniert die Verbindung von Malerei mit Video und Film. Und auch in künftigen Installationen werde ich diese und auch andere Medien miteinander verknüpfen.

Viele Vorlieben und Einflüssen


Die Kunstkritik sah in ihrer Malerei immer wieder die Quintessenz aus Abstraktem Expressionismus, Minimal Art und Pop Art. Eine Malerei, die diese Strömungen in neue Richtungen führte. Stimmen Sie mit dieser Einschätzung überein?
Ja, ich zähle zu denjenigen Künstlern, die viele verschiedene Arten der Malerei lieben und deren Werk von vielen Vorlieben und Einflüssen geprägt ist. Ich will Aspekte der Malerei zusammenbringen, die eigentlich unmöglich zu kombinieren scheinen: Pollock mit Newman, Judd mit Warhol.

Mitunter erinnern mich ihre Loops und geschwungenen Farbbänder auch an die Straßen- oder Graffiti-Kunst. Können Sie sich vorstellen, Ihre Bilder auch outdoor auszustellen? Zum Beispiel an den Wänden von Gebäuden und oder Brückenpfeilern?
Ich mag die Vorstellung, meine Gemälde outdoor zu zeigen. Einige Jahre lang hatten wir ein kleines Bild von mir auf dem Dach von P.S. 1 in New York installiert. Ich hätte gerne wieder einmal die Gelegenheit, eine meiner Arbeiten im Freien zu platzieren.

In der Geschichte der Malerei hatten Farben eine große symbolische und emotionale Bedeutung. Glauben Sie, dass Farben dieser emotionalen Relevanz in Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung der Welt verlustig gegangen sind? Wie wichtig ist der emotionale Aspekt heute?
Ich bin der Ansicht, dass die Malerei gerade darum heute so nützlich ist, weil sie eben diese große historische Leistung in sich trägt, den Farben symbolische und emotionale Bezüge einzuhauchen. Wir können diese Geschichtlichkeit mit den Erfahrungen, die wir in der Malerei mit der neuen Künstlichkeit und den medialen Farben von heute gemacht haben, verknüpfen. Das kann dazu beitragen, diese Farben mit neuen Bedeutungen aufzuladen und uns ermöglichen, auf mannigfaltigste Weise mit ihnen zu leben.

"Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit"


Die Welt, und die Art,  wie man in ihr kommuniziert, wird schneller und schneller. Aber Sie benötigen oft Jahre, bis ein Bild fertiggestellt ist. Was ja in krassem Gegensatz zu dieser Beschleunigung der Welt steht. Sehen Sie in der Langsamkeit, die im Fertigungsprozess vieler Ihrer Bilder steckt, eine Möglichkeit, die Menschen quasi wieder auf den Boden zu bringen und das Leben zu entschleunigen?
Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig, um einer von Geschwindigkeit geprägten Welt etwas entgegenzusetzen. Die Langsamkeit der Malerei ist etwas, was sie in der heutigen Zeit so wertvoll macht.

Sie können bereits auf zahlreiche Ausstellungen in Europa verweisen. Ihre Art Kunst zu machen, scheint hier offenbar auf ein großes Echo und breite Anerkennung zu stoßen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ich verbrachte zwar mein gesamtes Malerleben in New York, aber ich stamme aus Südkalifornien, und vieles, was Kalifornien hinsichtlich Farbe und Raum ausmacht, findet sich in meinem Werk wieder. In meinen Gemälden wird die für Kalifornien bezeichnende Farbigkeit mit den verschiedenen Möglichkeiten, die sich aus künstlichen und medialen Farben ableiten lassen, kombiniert. Für New Yorker Verhältnisse ist dies sehr ungewöhnlich, speziell auch für meine Generation. Die meisten Bilder, die man in New York sehen kann, sind von einem unterdrückten und sehr materiellen Licht geprägt. Das führte dazu, dass meine Bilder in New York vielfach missverstanden und falsch klassifiziert wurden: als reine Farbfeldmalerei etwa, oder als dekorative Malerei, oder einfach als schlechter Geschmack. Für New York sind meine Farbstrategien sehr ungewöhnlich. In Europa hingegen werden meine Farben einfach als amerikanisch angesehen und damit viel besser verstanden.

 

David Reed: „Recent Paintings“
Häusler Contemporary, Zürich
Bis 17.8.2013
Di-Fr, 12-18, Sa 11-16
http://www.haeusler-contemporary.com