„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Karlheinz Pichler · 21. Sep 2022 · Ausstellung

Ein schönes Grün kann mitunter tödlich sein – Robert Svoboda und Desislava Unger in der Scheune Lehen in St. Gerold

In der zur Propstei St. Gerold gehörenden Scheune Lehen, die seit dem sanften Umbau durch den Vorarlberger Holzbaukünstler Hermann Kaufmann als kulturanbietendes Kleinod im Großen Walsertal aktiv ist, sind im Rahmen einer fein zusammengestellten Ausstellung derzeit Zeichnungen, Grafiken, Wandobjekte und Skulpturen von Desislava Unger und Robert Svoboda zu sehen.

Die in Bludenz lebende und arbeitende Künstlerin Dorothea Rosenstock, die im Team der Scheune Lehen mitarbeitet, hat die 1980 in Sofia geborene Künstlerin Desislava Unger im Zuge eines Bulgarienprojektes kennengelernt und dazu eingeladen, in St. Gerold auszustellen. Unger ihrerseits wollte ihren ehemaligen Lehrer an der Universität für angewandte Kunst, an der sie studiert hatte, nämlich Robert Svoboda, mit an Bord haben. Und so ist es zur aktuellen Konstellation in der Scheune Lehen gekommen.
Unger ist vor allem in den Disziplinen Zeichnung und Grafik zuhause. Werktechnisch bevorzugt sie den Holzschnitt, den Linolschnitt und den Siebdruck. Der 1959 in Wien geborene und heute im niederösterreichischen Brunn am Gebirge lebende Svoboda, der an der Angewandten von 1996 bis 2011 die Fächer Siebdruck und Reprografie lehrte, zeigt in St. Gerold außer dem Siebdruck „Selbstporträt mit Mr. Peachum“ (2010) ausschließlich Wandobjekte und modellhafte Skulpturen.
Der Titel der gemeinsamen Werkschau von Unger und Svoboda, „Es grünt so grün ...“, leitet sich aus dem berühmten, gleichnamigen Song aus dem Frederick-Loewe-Musical „My Fair Lady“ ab, wobei die Farbe „Grün“ in der Ausstellung nur abgeschwächt und reduziert zum Tragen kommt, etwa in den Holzschnitten sowie der Linolschnitt-Collage „Die Verschlafenheit“ von Unger oder im Wandobjekt „Giftgrün – Wiener Grün II“ von Svoboda.

Unbekannte Geschichten erzählen

Von Desislava Unger sind neben klein- und mittelformatigen Linolschnitten und Zeichnungscollagen, von denen eine starke, fast surrealistisch anmutende Suggestionskraft ausgeht, mehrere Variationen des mit großer Perfektion und Präzision umgesetzten Holzschnitts „You can always be there” zu sehen. Grün steht für Unger hier – auch wenn es schwarz ist – für einen Sehnsuchtsort, „für einen Ort, den jeder hat, wo man im Einklang mit sich selbst ist, und das ist nur in der Natur möglich.“ Unger wollte ihrem Sohn einmal erklären, was Freiheit im Bulgarischen heiße, worauf dieser meinte: „Ich weiß: allein auf einer grünen Wiese zu sein.“ Vielleicht schwingt dies mit hinein, dass die Holzschnitte der Bulgarin trotz der formalen Strenge und Perfektion eine große Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen und zur Kontemplation einladen.

Unger sagt von sich selbst, dass sie beim Zeichnen Geschichten erzähle, die sie nicht kenne. „Bevor ich anfange, habe ich nichts im Kopf, lese kein Gedicht, kein Buch, befasse mich nicht mit anderen Dingen, obwohl meine Werke oft so erzählerisch wirken,“ so Unger. Erst am Ende könne sie beschreiben, worum es eigentlich gehe.
Die Drucke wiederum stellt sie selbst her. Mit einer Druckerpresse, die ihr Vater eigens für sie konstruiert hat.        

Reminiszenz an die napoleonische Giftmordthese

Von Robert Svoboda sind unter anderem eine Reihe kleinerer Objekte zu sehen, für die hölzerne Zigarrenkistchen einen bühnenartigen Rahmen für schräge Inszenierungen mit Miniaturfiguren bilden. Svobodas Partnerin, die Künstlerin und Galeristin Helga Cmelka, beschreibt seine an Mikrofigurentheater und Stillleben erinnernden Installation als humorvolle Betrachtungen zu (tod)ernsten Themen. Cmelka: „Probleme und Katastrophen werden auf Zigarrenkistengröße reduziert und gleich einem Modell eines Bühnenbildes aufgebaut. Mit schwarzem Humor die Serien, in denen Fettsucht und Alkoholismus thematisiert werden, erschütternd und berührend die Inszenierungen des Weltunterganges wie in ,Abgrund' oder ,Schicksalslied' mit realen Fotos von Naturkatastrophen oder politischen Anmerkungen wie bei ,korrekt, bewährt, verlässlich ...?'“.

Auf eine überaus schräge und bestechende Arbeit Svobodas stößt man bereits im Foyer der Scheune. Es ist ein Hausaltar-ähnliches Wandobjekt, das auf die historisch längst widerlegte These anspielt, dass Napoleon in seinem letzten Verbannungsort auf der Insel St. Helena mittels einer grünen Velourstapete vergiftet worden sei. Svoboda verweist im Zusammenhang mit dieser als „Giftgrün – Wiener Grün II“ benannten Arbeit auf den „Edlen von Mitis“, einen Wiener, der um 1800 ein Grünpigment entwickelt hatte, das als Mitis-Grün oder eben auch „Wiener Grün“ bezeichnet wurde. Diese aus Kupfer, Arsen und Essigsäure bestehende bläulich-grüne Farbe bildete auf feuchtem Kalkputz eine gasförmige Arsenverbindung, die in feuchten Räumen ausdünstete und Arsenvergiftungen hervorrief. Mit diesem Mitis-Grün wurden neben Kleidern, Vorhängen, Süßigkeiten und Teppichen auch Tapeten eingefärbt. Das nährte immer wieder auch die Spekulationen um Napoleons Gifttod.
Kommenden Samstag findet übrigens in der Scheune unter der Überschrift „Den eigenen Weg finden“ ein Tagesworkshop mit Malen, Meditation und Labyrinth mit Irene Dworak-Dorowin statt. Erlebtes soll dabei in Formen und Farben umgesetzt werden und solcherart ganz persönliche Weg-Bilder erzeugen.

Desislava Unger und Robert Svoboda: „Es grünt so grün ...“
bis 25.9.
Fr 18 – 21 Uhr (mit Musik), So 15 – 18 Uhr (mit Kaffe & Kuchen)
Sa 24.9., 10 – 17 Uhr: Malen mit Meditation und Labyrinth (Tagesworkshop mit Irene Dworak-Dorowin)
Scheune Lehen, St. Gerold
www.scheune-lehen.at