Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Martina Pfeifer Steiner · 20. Dez 2018 · Ausstellung

Der Werkraum Bregenzerwald stellt sich selbstkritischen Dialogen

Lange hat er es nicht ausgehalten, der Geschäftsführer vom Werkraum Bregenzerwald. Thomas Geisler konnte der Versuchung nicht widerstehen und wird nach gut zwei Jahren ab Juli 2019 der neue Direktor des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Zum Abschied kuratiert er eine vierteilige Dialogwerkstatt zusammen mit Nicole Hohmann. Interessant, die freie Kulturgestalterin und Käserin lebt und arbeitet in der handwerklichen Demeter-Milchverarbeitung im Zürcher Berggebiet und hat Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie studiert.

Die neuerlichen Veränderungen nimmt der 1999 gegründete Verein als Challenge an, denn nach 20 Jahren Werkraum Bregenzerwald ist es auch an der Zeit, das eigene gemeinschaftliche Handeln der mittlerweile über 90 Mitgliedsbetriebe selbstkritisch zu reflektieren. In einem offenen Prozess soll geklärt werden, wo sich die Mitgliedsbetriebe an der Schnittstelle zwischen Handwerk, Bauhandwerk, Kunsthandwerk, Manufaktur selbst verortet sehen, was dies für die Handlungsfelder Gestaltung, Ausbildung und Markt bedeutet und wie das künftig nach innen und außen vermittelt werden soll. Da die Perspektive des „Drinnen und Draußen-Seins“ sowohl im Werkraum, als auch im Bregenzerwald immer schon Thema war, sollen auch Potentiale und Impulse untersucht werden, die das kooperative Handeln über die Talgrenzen hinaus, unabhängig von der Disziplin bewirken.

„Handwerk und Gestaltung“ 

Modul 1 der Dialogwerkstatt mit dem Titel „Handwerk und Gestaltung“ läuft noch bis Jänner 2019. Ausgehend von der Frage, ob es über den aktuellen Trend zum Handwerken hinaus möglich ist, Handwerkliches mit nachhaltiger Designqualität zu schaffen, werden auch Projekte wie der Wettbewerb „Handwerk + Form“ und Kooperationen reflektiert, um zu hinterfragen, wie nachhaltig sie zu Neuem beitragen. Vertiefend dazu die jeweiligen Sonderausstellungen, wie im Fall des ersten Teiles: die Preisträger von „Handwerk + Form 2018“ und „Designing Craft – Crafting Design“. Das Kooperationsprojekt vom Werkraum Bregenzerwald mit Studierenden des Royal College of Art in London erforscht künstlerisch und dokumentarisch einen gemeinsamen Arbeitsprozess. Die Ausstellung zeigt in Filmen die Begegnungen der jungen DesignerInnen während eines einwöchigen Workshops und die daraus entstandenen Objekte im Arbeitsprozess mit den Meisterbetrieben. Drei Schwerpunkte lagen dem experimentellen Erforschen zu Grunde: die materielle Kultur des Bregenzerwalds, die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Handwerk, sowie die Rekontextualisierung und das Neudenken von Materialien und Praktiken.

„Handwerk und Ausbildung“ 

Weiter geht es dan mit Modul 2 bis März in der Dialogwerkstatt „Handwerk und Ausbildung“ mit der Frage: Welche Aus- und Weiterbildung braucht das Handwerk heute? Und man schaut Richtung Bauhaus, das sein 100-jähriges Gründungsjubiläum feiert. In der Lehre stand dort die Ausbildung bildnerisch begabter Menschen und die schöpferische Gestaltung im Handwerk, in der Industrie und Architektur im Vordergrund. Es soll diskutiert werden, was der vergleichsweise noch junge Verein Werkraum Bregenzerwald vom Bauhaus lernen kann, was sich seitdem verändert hat und ob es heute anderer Bildungskonzepte bedarf. „Was kommt nach der Werkraumschule?“, auch diese Frage darf gestellt werden. Die 2016 eröffnete Werkraumschule ist ein bemerkenswertes Pilotprojekt zur Sicherung von Nachwuchs und Fachkräften für das Bregenzerwälder Handwerk und kombiniert Lehre und Fachschule in einer 5-jährigen Ausbildung.

Handwerk und Markt 

Im dritten Teil geht es um Handwerk und Markt. Obwohl das Handwerk im Bregenzerwald über die Grenzen hinweg bekannt ist, soll mit dieser Dialogwerkstatt ein Blick auf den Markt von Morgen geworfen werden: Wie findet das Handwerk in einer sich rasch verändernden globalisierten Welt zukünftig seinen Weg zu den Kundinnen und Kunden und welche Alternativkonzepte gibt es? Und bezugnehmend auf das Konzept des Werkraumhauses: Braucht das Handwerk ein Schaufenster und wenn ja, welches?

„Handwerk und Zukunft“ 

Zum Abschluss im Mai/Juni geht es um „Handwerk und Zukunft“. Ein interdisziplinäres Symposion über das Handwerk und das gemeinschaftliche Wirtschaften als sozial-ökologische Gestaltungspraxis beleuchtet aus Perspektiven von Landwirtschaft, Bildung, Politik und Wirtschaft die kollektiv-ethische Frage „Wie können wir in einer vielfach bedrohten Welt ein gutes Leben führen?“. Ausgehend von den Ideen des Schriftstellers, Sozialreformers und Bauern Franz Michael Felder und des Werkraum Bregenzerwald sollen nicht nur regionale, sondern auch globale Beispiele einer nachhaltigen Entwicklung in den Fokus gerückt werden. Begleitende Ausstellungen werden die Geschichtswerkstatt – 20 Jahre Werkraum Bregenzerwald aus der Sicht der Mitglieder und die Handwerkstatt der Werkraumschule – mit Intervention durch einen Workshop, geleitet von der Designerin Rianne Makkink (NL) als Teil des Creative Europe-Projekts „Made In“, sein.

Handwerk + Form 2018
bis 12.1.2019
Werkraum Bregenzerwald
www.werkraum.at