Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 20. Dez 2018 · Ausstellung

Der Pinselschwung als exakt geplanter ornamentaler Loop – Neue Arbeiten von David Reed bei Häusler Contemporary

Der 1946 im kalifornischen San Diego geborenen und heute in New York lebende und arbeitende Künstler David Reed zählt zu den bedeutendsten Vertretern der zeitgenössischen abstrakten Malerei. Er ist bekannt dafür, dass er die weit zurückreichende Tradition des Tafelbildes mit den Möglichkeiten der Neuen Medien und den Codes der „Street Culture“ zu neuen Bildausdrücken zusammenführt. Fünf Jahre nach der ersten Ausstellung präsentiert die vom Vorarlberger Kulturmanager Wolfgang Häusler und seiner Frau Christa geleitete Galerie Häusler Contemporary Zürich den amerikanischen Maler nun zum zweiten Male in einer Einzelausstellung. Reed hat dafür eigens eine Serie neuer „Paintings“ entwickelt.

Zu den unverwechselbaren formalen Stilmitteln von David Reed zählen unter anderem die extrem gelängten Bildformate sowie der sich wie ein Loop ständig wiederholende Pinselschwung, den er wie eine Markette einsetzt und immer wieder neu inszeniert.   

Reeds Werkschau bei Häusler Contemporary trägt den Titel „I’m trying to get closer but I’m still a million miles from you“. Er hat diesen Vers aus Bob Dylans Song „Million Miles“ entlehnt und will damit auf die Wichtigkeit der Interaktion seiner Bilder mit dem Betrachter verweisen. Reed: „Meine Bilder zeigen einen alles durchdringenden, nicht verorteten, unendlichen Raum, den ein sehr eigenartiges mediales Licht durchflutet. Ich möchte diesen Raum aufbrechen, damit er in den Ausstellungsraum hineinreicht und sich dem Betrachter nähert. Was zählt ist die Interaktion, die zwischen Bild und Betrachter stattfindet. Es gibt kein einfaches Ganzes.“   

Malerei im digitalen Zeitalter   

Die in Zürich gezeigten neuen Werke des Amerikaners lassen offenkundig werden, wie Reed sein über die Jahre gewachsenes Vokabular zu vielschichtigen, abstrakten Erzählungen verdichtet. Diese handeln von Geschichte und Gegenwart des Mediums Malerei, aber auch von der Veränderung unserer Wahrnehmung im digitalen Zeitalter und den daran gekoppelten neuen emotionalen Bedingungen.   

Die farbsprühenden, dynamischen Bilder Reeds scheinen auf den ersten Blick in spontanen Ablaufprozessen entstanden zu sein. Doch der Eindruck trügt. Die zumeist in Öl, Alkyd und Acryl auf Polyester Technik entstandenen Werke des Künstlers sind das Ergebnis zahlreicher Auslotungsversuche. Anhand von sogenannten „Working Drawings“ plant Reed seine Bilder und realisiert sie dann mit geradezu methodischer Genauigkeit. „David Reeds abstrakte, zwischen spontaner Geste und kompositorischem Kalkül changierende Malerei wird von Blatt zu Blatt und von Leinwand zu Leinwand weiterentwickelt: immer wieder verschiebt er weiße Leerflächen und transparente Pinselschwünge gegeneinander, ordnet seine typischen Elemente neu, verwirft sie wieder.“ (Magdalena Kröner in „Kunstforum“, Bd. 225, 2014)   

Neben dem extremen Cinemascope-Format sind der Wechsel von überbordender Fülle und absoluter Leere und der Einbezug des Faktors Zeit markante Elemente im Oeuvre von Reed. Genauso wie die werkimanente Untersuchung von Close-Ups, Fokussierungen und Unschärfen, Flashbacks und Bewegung. Er versucht, klassische Stilmittel mit den Neuen Medien unter einen Hut zu bringen. Die „neuen Farben“, wie wir sie auf den Smartphone-Screens, den Computer-Monitoren, den TV-Bildschirmen oder den Anzeige-Displays im öffentlichen Raum auf digitalem Wege wahrnehmen, versucht er, mit seiner Art der Malerei zu erkunden. Reed gegenüber KULTUR: „Ich bin der Ansicht, dass die Malerei dazu beitragen kann, diese neuen Farben entsprechend zu definieren. In meinen Gemälden kann ich diese Farben erforschen. Sie werden oft von einem transparenten Medium überlagert. Häufig scheint ein weißer Grund von hinten durch und verleiht den Farben eine Art 'inneres Licht', wie man es von Bildschirmen her kennt. In der Barock-Malerei war dieses Licht sehr direkt, sozusagen von Gott kommend, heute wird dieses Licht von den Screens ausgesendet.“    

David Reed ist übrigens auch derjenige Künstler, der die neuen Kirchenfenster der Basilika auf dem Liebfrauenberg in Rankweil entworfen hat, die vor zwei Jahren eingesetzt wurden. Mit den für ihn typischen Farben wollte er die 1200-jährige Glaubensgeschichte des Ortes gleichsam in Farbe gießen und eine besondere Stimmung und theologische Botschaft im Kirchenschiff spürbar machen.   

Working Drawings   

Wer sich näher für die erwähnten „Working Drawings“ von Reed interessiert: Das Kunstmuseum Winterthur präsentiert von 18.5. bis 18.8.2019 einen großen Querschnitt dieser speziellen Art von Zeichnungen, die den Schaffensprozess der Reed'schen Gemälde vorwegnehmen, begleiten, dokumentieren und kommentieren. Zeichnungen, die jenen Denkraum öffnen, in welchem die Malerei als Möglichkeitsform verhandelt und immer wieder neu überprüft wird. 

David Reed: „I’m trying to get closer but I’m still a million miles from you“   
Häusler Contemporary Zürich   
bis 12.1. 2019   
Di-Fr 12-18, Sa 11-16 u.n.V.    
http://haeusler-contemporary.com