Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 31. Dez 2018 · Ausstellung

Reduktion als gemeinsamer Nenner – Andreas Fogarasi und Martina Steckholzer im Kunstforum Montafon

Im Rahmen seiner alljährlichen Winterausstellung präsentiert das Kunstforum Montafon (KFM) in Schruns schon traditionell eine Gegenüberstellung der Werke zweier unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten. Dieses Mal holte KFM-Chef und Kurator Roland Haas den 1977 in Wien geborenen Andreas Fogarasi und die aus Sterzing im Südtirol stammende Martina Steckholzer, Jahrgang 1974, in die ehemalige Lodenfabrik, um die beiden Kunstschaffenden in einem Dialogverhältnis auf die spezielle Raumsituation im ehemaligen Industriebetrieb an der Litz reagieren zu lassen.

Ein wesentlicher Berührungspunkt der beiden Positionen liegt im starken Abstraktions- und Reduktionsgrad der gezeigten Arbeiten. Und sowohl bei Fogarasi als auch bei Steckholzer, die übrigens beide an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierten, spielt der Einbezug architektonischer Elemente, des Lichts und konzeptioneller Überlegungen eine zentrale Rolle. Die lokale Situation in Schruns haben sich die beiden Kunstschaffenden so aufgeteilt, dass Steckholzer die Wände in Beschlag nimmt und Fogarasi seine Werke installativ in den Raum stellt.

Steckholzer, die in der Malereiklasse von Gunter Damisch war und im Rahmen eines einjährigen Intermezzos in der Bildhauerklasse von Heimo Zobernigg vor allem auf Kunstschaffende traf, die mit Video, Performance und Installation arbeiteten, machte die Kamera zu einer ständigen Begleiterin. Aus den Videoaufnahmen, die sie machte, filterte sie immer wieder Stills von Museums-, Ausstellungs- und Messesituationen heraus, die zum Ausgangspunkt ihrer Malerei wurden. Das Format ihrer Bilder lehnte sich lange Zeit an das Videoformat 4:3 an. Auch die technoid-kühle Ästhetik ihrer Werke erinnert an dieses Hightechgerät.    

Die Farben eliminiert

In letzter Zeit hat sich die Künstlerin zugunsten einer heterogenen Herangehensweise immer mehr vom Videocharakter gelöst. Ihre in Schruns gezeigten Bildkonglomerate „A Lent I, III, IV“ und „A Lent I, V“ mit den Ausmaßen 240 x 170 Zentimeter sind jedoch sogar noch längsgestreckter als früher und weisen ein fast cinemascopes Seitenverhältnis auf. Der Reflexion auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb kommt nach wie vor ein zentraler Stellenwert zu. Dazu eliminiert Steckholzer sämtliche Farben aus den Bildern. Die „Buntheit“ der in Schruns zu sehenden Bilder ist gleichsam auf ein neutrales Schwarz-Weiß-Grau zurückgeschraubt. Die Bildtitel der Serien „A Lent“ beziehen sich auf einen langsamen Satz einer Ravel-Sonate, den die Künstlerin beim Malen gehört hat. Diese großformatigen Bilder sind nicht gehängt, sondern nur an die Wand gelehnt, einzelne davon sind um 90 Grad gedreht, somit also hochgestellt.

Auch die kleinformatige Zeichnungsserie „A 2nd Rockery“ (Rußpigment auf Papier) ist in Schwarz-Weiß gehalten. Fünf der sechs Blätter verweisen formal auf abstrahierte landschaftliche Strukturen. Das sechste Blatt besteht nur aus einem englischen Text mit der sinngemäß übersetzten Überschrift „Ein Landschaftsgemälde wertschätzen“. Steckholzer beschreibt darin, wie sie von Felsen zurück in alte Zeiten getragen wird und dass Wasser sie sehend macht – für ein paar Momente, für ein paar Jahre. Sie glaubt, ein Landschaftsgarten zu sein und sieht aus der Ferne – um zu fühlen? - wie sie fragend in den Raum stellt.

Die Malerei von Martina Steckholzer ist streng konzeptionell angelegt, scheint aber gleichzeitig von einem lyrischen Grundton getragen zu sein. Mit klaren Linien und stringenter farblicher Reduktion öffnen sich auf der flachen Leinwand dreidimensionale Räume, die zwar als solche wahrnehmbar, aber nur schwer einzuordnen sind. Manchmal sind es Landschaften, zumeist aber Orte der zeitgenössischen Kunst wie Galerieräume, Museumshallen, Künstlerateliers oder Kunstmessen, über die die Südtirolerin malerisch reflektiert.   

Zeigen und repräsentieren

Der Wiener Künstler Andreas Fogarasi hat ungarische Wurzeln. Für seinen Beitrag im ungarischen Pavillon im Rahmen der 52. Biennale in Venedig wurde er 2007 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Und vor zwei Jahren wurde ihm der renommierte Otto-Mauer-Preis zugesprochen. In seinen Installationen, Skulpturen, Videos und Fotografien beschäftigt er sich vor allem mit dem Akt des Zeigens und der Repräsentation. Er analysiert, wie Orte, Städte, politische Ideen oder historische Ereignisse zu Bildern werden und welche Rolle die Kultur – Kunst, Architektur und Design – in diesem Prozess spielt. In einem Pressetext zu seinem Schaffen heißt es: „Grundlage seiner Arbeiten bildet die kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen politischer Aneignung von visueller Kultur heute: dem Prozess der Kulturalisierung der Ökonomie – sei es durch 'kreative' Arbeits- und Entlohnungsmodalitäten, durch Kultur als Motor von Stadtentwicklung und als Standortfaktor im Wettbewerb um Touristen, Investoren und Aufmerksamkeit. Formal aus Minimal Art und Konzeptkunst gespeist, sind Fogarasis Werke dokumentarisch und autonom skulptural zugleich.“

Im Kunstforum Montafon wartet er unter anderem mit Kleinskulpturen auf, bei denen dünne Marmorplatten, Terracotta- und Mosaikfliesen, Pflastersteine und Glasplatten an Materialmuster erinnern, die von Kunststoff-Umreifungsbändern gebündelt und auf einem großen Sockel zur Schau gestellt werden. Fogarasi bezeichnet diese handlichen Pakete aus Baumaterialproben, die offensichtlich auch als Hinweis auf den russischen Konstrutivismus zu werten sind, schlicht und einfach als „Skizzen“.

Auf einem mit Hilfe von Stahlseilen Mitten im Raum verstrebten Bildschirm ist ein digitales Video namens „Europa“ zu sehen. Im Zehn-Sekunden-Takt führt Fogarasi hier die Logos respektive Tourismuslogos und -slogans europäischer Länder vor Augen. Hintergrund dazu ist, dass jedes europäische Land mit Hilfe solcher Logos oder Slogans, häufig auch in Kombination, Imagekampagnen lanciert, um den Tourismus anzukurbeln. Fogarasi hat in „Europa“ (2016) diese Wortbilder gesammelt, sie ihrer Farben entkleidet und sie in der Größe aufeinander abgestimmt. In einem Endlosloop wechseln sie sich auf dem skulptural im Raum aufgespannten Monitor ab. Unterscheidbar sind sie oft nur in ihrer albernen Gewolltheit. Der Künstler will mit solchen konzeptionellen Arbeiten nicht zuletzt auch die marketingtechnische Produktion von Identität kritisch reflektieren. Die mitunter nichtssagenden Logos gaukeln nach seiner Ansicht eine heile Welt vor, wobei man genau wisse, dass die Wirtschaft und die Industrie den Takt vorgeben und es eine lokale Identität im eigentlichen Sinne gar nicht mehr gebe.

Zwei zusammengerückte Tische mit verspiegelten Oberflächen dienen dem österreichischen Künstler desweiteren als Display, um eine Reihe von Fotos seiner „Moonlight-Towers“-Serie zu zeigen. Bei diesen architektonischen Gebilden handelt es sich um 50 Meter hohe Lichttürme, die im 19. Jahrhundert im texanischen Austin errichtet wurden, um einem Serien-Frauenkiller das Handwerk zu legen. Insgesamt 31 solcher Türme ließen die Stadtväter von Austin damals aufstellen, und jeder von ihnen war in der Lage, einen Umkreis von 460 Meter im Radius auszuleuchten. 17 solcher „Moonlight Towers“ stehen noch heute und wurden zu einem Wahrzeichen der Stadt.

Martina Steckholzer und Andreas Fogarasi: Black Concrete
Kunstforum Montafon, Schruns
Bis 26.1.2019
Di - Sa, 16 - 18, Do 16 - 20
www.kfm.at