Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Karlheinz Pichler · 18. Apr 2018 · Ausstellung

Der Strich als Ausgangsmaterial - Ferdinand Ruef und David Reumüller in der Galerie Lisi Hämmerle

Von der Arbeitstechnik und Materialästhektik her gesehen vertreten Ferdinand Ruef und David Reumüller sehr unterschiedliche Positionen. Für ihre gemeinsame Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle haben sie sich daher einen gemeinsamen Nenner überlegt, und der ist in der Linie respektive der Zeichnung zu sehen. Die Linie, die in eine Zeichnung übergeht, Linie und Zeichnung, die sich in der Malerei wiederfinden. Oder Linie und Zeichnung als Teil von Installation und des Trägermaterials Porzellan. Die konventionelle Variante auf Papier ist für einmal nicht anzutreffen. Strukturen, Gerüste und Linienversuche stellen die Motive der Ausstellung dar, der Strich ist das Ausgangsmaterial.

Zeichnung kann sowohl ein Festhalten als auch ein In-Bewegung-Setzen von Gedanken und Dingen sein. Man zeichnet, um etwas aufzuzeichnen und somit festzuhalten. Man zeichnet aber auch, um Festgehaltenes zu verändern und neue Lösungen oder sogar neue Probleme zu finden. Auch aus medialer Perspektive wird das Zeichnen als eine Basishandlung begriffen. Denn notwendig ist lediglich ein Minimum: ein markierendes Instrument (ein Stift, ein Finger, eine Tonscherbe, eine Computermaus) sowie etwas, das die Markierung aufnimmt (das Papier, eine Mauer, eine Sandfläche, der Himmel, die virtuelle Ebene des Bildschirms).

Die strategische Unterschiedlichkeit im Vorgehen wird in Ruefs und Reumüllers Schaffen auch im Hinblick ihrer Konzentration auf Linie und Zeichnung offenkundig.

Analoges Material als Träger digitaler Zeichnungen

Ferdinand Ruef, Jahrgang 1966, in Wolfurt lebend und arbeitend, ist ein ausgebildeter Ofensetzer und Keramiker. Auf dem Parkett der bildenden Kunst hat er sich schon in den unterschiedlichsten Metiers bewegt: Etwa der Landart, der Fotografie und der Konzeptkunst. In guter Erinnerung sind etwa Zeichnungen, die im Zusammenhang mit dem Golfkrieg und seinen Folgeerscheinungen entstanden sind. In diesen als "Blaupausen" bezeichneten Arbeiten, für die er Bilder und Berichte verschiedener Tageszeitungen mit Skizzenpapier abgezeichnet hatte, beschäftigte er sich mit dem seit der Antike bekannten Phänomen der Propaganda.

In den letzten Jahren hat Ruef im offiziellen Vorarlberger Kunstbetrieb vor allem durch Abwesenheit geglänzt. In der Galerie Lisi Hämmerle präsentiert er sich erstmals seit langem wieder öffentlich. Und zwar mit Zeichnungen auf Porzellantäfelchen im DIN-A5-Format. Da er sich in den letzten Jahren wieder intensiv mit Keramik und auch mit der Zeichnung auseinandergesetzt hat, versuchte er für die Ausstellung in Bregenz diese beiden Techniken miteinander zu verbinden. Das Spezielle daran ist, dass die Zeichnungen einen digitalen Ursprung haben. Der Künstler hat auf dem Tabletcomputer mit Linien herumexperimentiert, die sich dann immer mehr zu zeichnungsartigen Gebilden, zu fiktiven Porträts und figurenartigen Landschaften verdichtet haben.

Üblicherweise zeichnet man mit einem Stift auf Papier. Bei Ruef geschieht die Visualisierung von Gedanken und Ideen über einen elektronischen Stift auf Touchscreen. Die Zeichnung „gefriert“ nicht auf dem Blatt, sondern wird als flüchtiges, binäres File im Speicher des Tablets abgelegt. Erst durch die Übertragung auf das Porzellan werden die Linien und Zeichnungen materiell manifestant. Natürlich könnte der Künstler die digitalen Daten immer wieder aus dem Speicher abrufen und neu bearbeiten. Er tut es aber nicht. Er belässt die Strich gewordenen gedanklichen Umsetzungen in ihrer digitalen Ursprünglichkeit. Und er hat Hunderte davon angefertigt. Die Striche und Zeichnungen selber wirken, nicht zuletzt als Folge ihrer Schnelligkeit im Entstehen, teils nervös und fahrig, als ob sie autistisch gesetzt wären. Sind es nur Kritzeleien, Skizzen oder schon fertige Werke? - Die Frage bleibt offen. Es ist ein Spiel mit Strich und Linie, Skizzenhaftes kommt nüchtern und unaufgeregt daher.

Für den Transfer der Linien und Zeichnungen auf das Porzellan verwendet Ruef Druckklischees aus Aluminium. Die Darstellungen werden auf die Klisschees übertragen und mithilfe des Hochdrucks in das Porzellan geprägt. Damit nimmt auch die Widersprüchlichkeit seinen Lauf. Archaisches Material wird zum Träger digitaler Zeichnungen. Flüchtige Daten werden auf dem uralten Material Porzellan gleichsam für die Ewigkeit gespeichert. Jahrhunderte alte und neueste Techniken verbünden sich.

Malerei als Ergebnis eines durchkonzipierten Prozesses

Spielt bei Ferdinand Ruef die gedankliche, ja fast autistische Spontaneität eine zentrale Rolle, so sind die Zeichnungen, Gemälde und Installationen von David Reumüller, der auch Mitglied der Band „Muscle Tomcat Machine“ ist, das Ergebnis von völlig durchkonzipierten Prozessen. So umhüllt oder überlagert er etwa menschliche Körper oder Gebrauchsoberflächen mit textilen Texturen, fotografiert diese Anordnungen digital ab und entwickelt sie am Computer zu fertigen Bildkompositionen weiter. Das solcherart digital erzeugte Bild überträgt er dann 1:1 mit Acrylfarbe auf die Leinwand. Für die Ausstellung in Bregenz hat er auf diese Art und Weise ein monumentales, drei Meter breites und 1,30 Meter hohes Acrylgemälde geschaffen, auf dem sich mit Textilien verhüllte, liegend aneinandergereihte Menschen zu einem landschaftsartigen in Schwarz-Weiß gehaltenen Gebilde zusammenfügen. Erst auf den zweiten oder dritten Blick eröffnet sich dem Betrachter, dass menschliche Körper den formalen Ausgangspunkt für diese ornamental angelegte Landschaft, die auch einer Zeichnung nahe kommt, darstellen.

Das Spiel mit Oberflächen und retinalen Herausforderungen sind zentrale Elemente im Vorgehen Reumüllers. Genauso wie auch der analytische Umgang mit der Perspektive. Im Rahmen der Ausstellung wird dies anhand der Installation sichtbar, die dem äthiopischen Gerüstbau nachempfunden ist. Als der Steirer Äthiopen besuchte, war er von der schwindelerregenden Kunstfertigkeit der dortigen Baugerüste aus Eukalyptusholz derart angetan, dass er darauf als formales Vorbild zurückgriff. In Ermangelung dieses Materials verwendet er für die Installation in der Galerie Lisi Hämmerle steirische Eschenhölzer, die er schwarz lackiert hat. Die schwarze Farbe soll dabei auf die Linie verweisen. Somit steht das Gerüst wie eine dreidimensionale Skizze im Raum. Eine Skizze, die sich zeichnerisch nachgebildet an den Pfeilern wiederholt. Wie bei seinen performanten Aufführungen und Videos geht es Reumüller auch bei seinen bildnerischen Kompositionen und Installationen um die Konstruktion und Dekonstruktion von Bild und Abbild und aber auch um die Beschaffenheit individueller und kultureller Identität. Und er spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters. So befinden sich im Raum zwei Punkte, von denen aus sich die installierten Stecken überdecken und als einzelne Linien im Raum erscheinen.

David Reumüller & Ferdinand Ruef: Momentane Zeichnung
Galerie Lisi Hämmerle
Bis 3.5.
Finissage und Konzert: 3.5.: Muscle Tomcat Machine
Mi-Fr 15-19, Sa 16-19, u.n. tel. V.
www.galerie-lisihaemmerle.at