Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 08. Apr 2018 · Ausstellung

Knochen-Puzzle von Carol Wyss in der Feldkircher Johanniterkirche

In den letzten Jahren hat sich die in London und Liechtenstein lebende und arbeitende Künstlerin Carol Wyss schwerpunktmäßig mit dem menschlichen Skelett auseinandergesetzt. Also mit jener physischen Grundstruktur, die den Homo sapiens aufrecht hält. Auch in ihrer aktuellen Ausstellung in der Johanniterkirche rückt das Knochengerüst ins Zentrum ihrer Betrachtung. Konkret begibt sie sich auf die Suche nach dem Urknochen, dem ersten Knochen, der existerte, „dem Knochen, der aus dem Himmel fiel“ (Wyss).

Eigentlich passt die „Knochenschau“ von Carol Wyss auch bestens zur 800-Jahr-Feier der Stadt Feldkirch. Denn Hugo I. von Montfort gründete im September 1218 in Ulm mit ausdrücklicher Bewilligung des Königs Friedrich II. die Johanniter-Kommende in Feldkirch, der er die von ihm gestiftete Johanneskirche sowie Güter in der näheren und ferneren Umgebung der Herrschaft, darunter eine Kapelle im Klostertal, übertrug. Von 1982 bis 1989 fanden im Inneren der Kirche archäologische Grabungen und Bauuntersuchungen seitens des Bundesdenkmalamtes statt. Unter anderem hoffte man im Hauptschiff, die Gebeine von Graf Hugo von Montfort zu finden, - allerdings vergeblich. Die Spuren dieser archäologischen Arbeiten sind bis heute sichtbar, denn der aufgerissene Boden wurde nie mehr zugeschüttet. Dafür hat Wyss jetzt in diesem Bereich Knochenteile aus Kupferplatten ausgelegt, die in der Art ihrer Präsentation Vorstellungen an eine solche Ausgrabung evozieren. Solche Kupferplatten dienten auch dazu, Radierungen von sämtlichen Teilen eines menschlichen Skeletts anzufertigen. Wyss hat solche Abbildungen auf einem „Catwalk“-artigen Holzsteg ausgelegt, der sich vom aufgerissenen ehemaligen Fußboden des Hauptschiffes aus nach vorn in den Altarraum entwickelt und letztlich in einem Tafelbild auf dem Altar, das einen visuellen „Urknall“ symbolisiert, seinen Abschluss findet.

Adam's Rib

Den Abschluss findet „Os“, so der Titel der Ausstellung, mit einer zwölfteiligen Installation in der Sakristei, in der Wyss röntgenartige Variationen des „Urknochens“ respektive von Adams Rippe („Adam's Rib“) zur Schau stellt. Wie bei einem 3D-Prototyping beleuchtet die Künstlerin „Adam's Rib“ von allen erdenklichen Seiten und Positionen.

Die Struktur der Dinge

Die 1969 geborene Künstlerin macht sich im Rahmen ihrer künstlerischen Arbeit immer wieder auf die Suche nach der Struktur der Dinge, deren einzelne Bausteine sie zunächst herausbricht und in einem eigenständigen Kontext wieder neu miteinander verbindet. Mit geradezu methodischer Stringenz untersucht sie, was die Dinge zuammenhält, wie und warum sie funktionieren und versucht dabei, neue Aspekte sichtbar zu machen.

Aus dieser Perspektive gesehen, haben Gebeine für Carol Wyss nichts mit Grauen zu tun. Im Gegenteil, Knochen faszinieren sie, wie sie selber sagt, denn sie seien physisch und direkt. Zudem ist sie angetan von der Idee, dass die Geschichte der Menschheit und damit gleichsam unsere Herkunft in Knochen festgeschrieben ist. Wyss zerlegt Knochen, um sie zu untersuchen und dann in neue, veränderte Ordnungsstrukturen zu bringen. Ziel sei „die Kreation oder besser das Herauskristallisieren eines ursprünglichen Knochens. Eines Ur-Knochens von dem wir abstammen, der weder Geschlecht noch Rasse hat.“ Wyss: „Erzählungen wie die Bibelgeschichte von Evas Entstehung aus der Rippe Adams, oder die griechische Sage der Pyrrha, wonach die Welt nach der Flut mit Menschen aus ‚Knochen der Mutter/Erde’ wiederbevölkert wird, sind maßgeblich, auch Leonardo da Vincis Zeichnung des Vitruvianischen Menschen mit den ‚idealen’ Körperproportionen, genau so wie die wissenschaftlichen Versuche im Quantenbereich die Bausteine unseres Universums zu finden... Ohne Knochen wüssten wir nicht, wer wir sind und woher wir kommen.“

Um dem „Ur-Knochen“ nachzuspüren und ihn ausfindig zu machen, bedient sich die Künstlerin unterschiedlichster Techniken wie Zeichnung, Grafik und Film. Die solcherart entstandenen zwei- und dreidimensionalen Werke breiten sich in den Räumlichkeiten der Johanniterkirche in standortspezifischen Installationen aus und fordern den Betrachter auf, dieses Knochpuzzle nach eigenen Vorstellungen weiterzuspannen.

Carol Wyss: Os – Auf der Suche nach dem Ursprung
Johanniterkirche Feldkirch
Bis 2.6.
Di-Fr 10-12 u. 15-18, Sa 10-14
www.johanniterkirche.at