Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 01. Okt 2020 · Ausstellung

Das Verborgene sichtbar machen – Willi Kopf in der Bludenzer Galerie allerArt

Die aktuelle Ausstellung in der Bludenzer Galerie allerArt trägt den Titel „Die Welt der Dinge“ und ist dem 1949 in Rankweil geborenen Objektkünstler Willi Kopf gewidmet. Der in Wien lebende Kunstschaffende hat an der Universität für angewandte Kunst in Wien über einen langen Zeitraum als Lehrender unterrichtet. Zentraler Blickfang der Schau in Bludenz ist die sieben Meter lange und drei Meter breite Installation „System Impact I“, die Kopf aus metallenen Stangen und kreisrunden Röhrchen eigens für Bludenz zusammengebaut hat. Dazu ergänzend sind neuere Werkbeispiele aus seiner Serie „Laboratory Works“ zu sehen, an der er seit 1994 arbeitet. Kopf setzt sich mit den in der Galerie allerArt präsentierten Arbeiten auf die Spur der industriellen Massenproduktion und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Das Besondere am Material, das Willi Kopf für die Installation „System Impact I“ verwendet hat, ist zum einen, dass das Gestänge und die Röhrchen aus schwarzem oder stumpfgrauem Metall sind. Zudem handelt es sich um Material, das üblicherweise im Verborgenen existiert. Etwa als Untergestelle von Liegen, oder Einfassungen von monumentalen Lustern. Kopf holt diese industriellen Gegenstände aus dem Verborgenen hervor, zieht sie ans Tageslicht. Einzelne Teile dieser Konstruktion hat er auf einer Baumesse in Mailand erstanden.

So wie die einzelnen Teile in der Galerie zusammengebaut sind, erinnern sie an einen Raum im Raum, an ein Ein- oder Aussperren. Am Boden des mit dem Gestänge umschlossenen Raumes befindet sich zudem eine roboterähnliche Figur, die aus scharnierartigen Metallplättchen und Verschraubungen besteht. Im Betrachter evoziert die Anlage einen Anflug des Ausgeliefertseins. Einer technoiden und sterilen Welt preisgegeben.
Anderseits wirkt die Installation wie eine filigrane dreidimensionale Zeichnung im Raum.        

Laboratory Works          

Mit „Polypod“ und „Object of Unknown Purpose“ wartet Will Kopf in Bludenz auch mit zwei neueren Beispielen seiner Werkserie „Laboratory Works“ auf. Für diese skulpturalen Arbeiten werden alltägliche Gegenstände des menschlichen Handlungsbedarfs aus der industriellen Massenproduktion entfunktionalisiert und in ihrem kulturellen Wirkungsgrad in Frage gestellt. Die solcherart entstandenen Objekte erinnern an Apparaturen, Roboter oder Science-Fiction-Requisiten. Aus den vulgären Ding-Materialien lässt der Künstler im Experiment gleichsam „eine performative Verkettung, ein modellhaftes, skulpturales Konstrukt“ erwachsen, wie er selber betont. Kopf: „Die herbeigeführte Negation der Eigenschaften des Warensortiments lässt nach neuen Möglichkeiten forschen. Der stille Wunsch, den sichergestellten Spielregeln der Einkaufskulturen zu widersprechen, führt mich unvermeidbar zu einer neuen, politisch motivierten Arbeitsweise.“      

In den Objekten der Reihe „Laboratory Works“ steckt dementsprechend eine gehörige Portion Gesellschaftskritik. Kopf verweist darauf, in welchem Ausmaß der heutige Konsummensch von den Großkonzernen vereinnahmt wird und wie ohnmächtig er der industriellen Massenproduktion gegenübersteht. In seinen Arbeiten deckt er die hinterhältigen Strukturen und diffizilen Präsentationskonzepte der Baumärkte und Warenhäuser auf, die so ausgetüfelt sind, dass der Besucher zur permanenten Konsumation angehalten wird.      

Kopf präsentiert viele dieser „Laboratory Works“ unter Glaskästen. Denn die Vitrine habe immer die Bedeutung des Weggerückten, der „Quarantäne“ (Kopf). Und die dadurch erzeugte Distanz ist es letztlich, die den Betrachter zur Reflektion führen soll.           

Neue Fragen zur Skulptur hervorbringen          

Willi Kopf ist einer der letzten Schüler des legendären Fritz Wotruba an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Von der klassischen Form der Bildhauerei kommend, entfernte er sich zunehmend und setzte sich bereits in den 1970-er Jahren intensiv mit der Minimal Art auseinander, woraus er in der Folge seine für ihn charakteristische Formensprache entwickelt. Es entstehen die ersten autonomen Skulpturen aus dem industriell präfabrizierten Material der Spannplatte, die sukzessive kennzeichnend für die konstruktive plastische Arbeit Kopfs wurden. Mit dieser Werksgruppe wurde Kopf 1986 schlagartig international bekannt, als ihn der legendäre Kurator Harald Szeemann damals neben „Stars“ wie Donald Judd, Sol Lewitt, Richard Serra und anderen zur großen Festwochenausstellung „De Sculptura“ in den Wiener Messepalast zur Teilnahme eingeladen hatte. Die durchdachten „Kisten“ aus dem unscheinbaren Trägermaterial der Homogenplatte schuf er in höchster Präzision und entwickelte damit, ganz im Sinne des erweiterten Skulpturenbegriffs, eine neue Formensprache.

Gegen Mitte der 1990-er Jahre erweiterte er sein Arbeitskonzept über eine kritische Beobachtung an der Produktpalette der heutigen industriellen Massenproduktion wie etwa an Werkzeugen, Bauelementen oder Strukturen am alltäglichen Warensortiment.. Aus vielen Einzelteilen aus der „Welt der Dinge“ fertigt er bis in die Gegenwart „Skulpturen“, die in ihrer Gesamtheit neue Fragen zur Skulptur heute hervorbringen.      

Willi Kopf: „Die Welt der Dinge“
Galerie Allerart, Bludenz
Bis 28.10.
Mi-So, Fe 15-18
www.allerart-bludenz.at