Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Niedermair · 03. Okt 2020 · Ausstellung

Bianca Tschaikner: Ausstellung „Wanderlust“ und Erzählabend im Bahnhof Andelsbuch

Am Sa, 3. Okt, um 19 Uhr eröffnet der Kulturverein Bahnhof Andelsbuch die Ausstellung „Wanderlust“ der Künstlerin Bianca Tschaikner. Im Rahmen der Ausstellungseröffnung wird die Illustratorin auch Geschichten aus ihren Reiseerzählungen vorstellen. Die Künstlerin ist in den letzten Jahren in viele Länder gereist und hat ihre Erlebnisse und Reflexionen immer in ihren Skizzenbüchern aufgezeichnet. Im Kulturbahnhof Andelsbuch zeigt sie Geschichten aus Pakistan, wo sie letzten Winter war, und präsentiert Kunstprojekte aus Lahore und Sumatra sowie andere, spannende Geschichten aus dem Iran und von ihrer Sommerreise in Spanien. Ihre illustrierten Geschichten und Bilder sind kunstfertige, feinziselierte, originelle Kulturteppiche und Spiegel ihres Unterwegsseins.

Bianca Tschaikner in Wonderland

Bianca Tschaikners Kunst ist surreal und schön, es sind fantastische Portraits von Städten, in denen sie die Realitäten der Orte mit der spezifischen Fantasie verknüpft. Es sind Bilder im Stil des Visual Storytelling, illustrierte Tagebücher, in denen sie die vorgefundene Alltagswelt auf ihren Reisen angereichert mit Poesie und persönlichen Assoziationen spiegelt. Ihre Bildsprache ist immer auch eine Übersetzung des Spirits der Orte, an denen sie bevorzugt unterwegs ist, Indien, Pakistan, Indonesien, Iran, Malta, Italien, Jordanien und Spanien. Dort fährt sie wiederholt hin, lässt sich für eine bestimmte Zeit, die selbst überhaupt keine Rolle zu spielen scheint, nieder und spürt den Geschichten, Bildern und Atmosphären nach. In ihren Illustrationen, so scheint es mir, fallen diese Geschichten wie Sternschnuppen herab zu ihren Füßen, die dann wie die Katzen in Valetta mit den Füßen der Nachschwärmer spielen.

Sie ist Illustratorin und Geschichtenerzählerin mit einem nomadischen Spirit. Ihre Kunst entsteht auf zahlreichen Reisen an ferne und auch nahe Orte, wie zum Beispiel das Klostertal. Ihre Illustrationen in dem Buch „Im Tal der Alfenz“ erzählen von diesem Tal als dem Sehnsuchtsort der Menschen, die dort leben, wie den Gästen, die dorthin auf Besuch kommen. Sie verwandelt die Träume und hängt sie wie Girlanden an die Bäume entlang der steil abfallenden Berge in diesem Tal. Bianca Tschaikner studierte im Studiengang Intermedia an der FH Vorarlberg, war ein Auslandssemester in Chile, als Bachelor-Arbeit produzierte sie ein illustriertes Kochbuch „La Cocina de América Latina“, das im Bucher Verlag Hohenems erschienen ist. Nach dem Studium war sie im nordmarokkanischen Tanger, wo sie ihre Erlebnisse in einem Projekt „Postcards from Morocco“ verarbeitete. Danach studierte sie Druckgrafik in Florenz und Spanien, machte einen MA in Illustration an der „Accademia di belle Arti“ in Macerata/Italien. Und sie reist, unentwegt … und beschenkt uns jedes Mal, wenn sie zurück kommt nach Vorarlberg, mit neuen Reisebüchern.

Von Granatäpfeln in iranischen Dörfern …

In „Lake City“, 2019 im Eigenverlag erschienen, portraitiert sie das „Venedig des Ostens“, eine märchenhafte Stadt im Süden Indiens mit einzigartig schönen Palästen, einem Labyrinth von Seen und Brücken und tausenden Alleen, und Kanälen, die hin zu mysteriösen Tempeln führen, ein Wunderland, das sich die Künstlerin mit dem Fahrrad erschloss. Ebenfalls 2019 erschien Meghalaya, 2018 „Minisutra“, das sie u.a. auch in der vormals Galerie Hollenstein ausstellte, wir haben in der Kulturzeitschrift 2018 darüber berichtet, ebenso wie über SAVARI, eine illustrierte Reise durch Iran und Indien. SAVARI ist eine Sammlung von Zeichnungen aus ihrem Skizzenbuch, das sie auf ihrer Reise führte. Darin hat sie Zeichnungen, Gedichte und Notizen festgehalten, die ihre tagtäglichen Abenteuer in einer fremden Welt spiegeln, vom Kuchenbacken in Shiraz, bis zu Geschichten über Nasenoperationen im Iran, von Granatäpfelernten in iranischen Dörfern, von Begegnungen mit Fremden in märchenhaften Moscheen und vom Whiskeytrinken im indischen Dschungel. Halb fantasiert, halb real, ist das Buch eine vielschichtige Dokumentation einer sehr persönlichen Geschichte in Form eines Reisetagebuchs. Gleichzeitig erzählt dieses Tagebuch auch von den politischen Verhältnissen und den kulturellen Eigenheiten, die zwischen Realität und Fantasie oszillieren. Darüber hinaus fängt sie jene kulturellen und politischen Unebenheiten und Widersprüchlichkeiten dieser Kultur ein, die viele tausend Jahre alt ist, ein Land, das heute zwischen Vorurteilen und überlagerten Filmbildern changiert. Sie reist allein, trifft freundliche Menschen, begegnete vielen herausfordernden, teils bedrohlichen Situationen. Im Iran selbst begegnet sie einer völlig anderen Situation, alles schien grundsätzlich anders zu dem, was sie vorher erlebte. Sie kommt in eine Welt voller Schönheit, Kunst und Dichtung, in der alte persische Autoren verehrt werden und wo Menschen bis auf den heutigen Tag Gedichte zu jedem nur denkbaren Ereignis rezitieren.

… und den Khasi in Meghalaya

An dem Abend im Kulturbahnhof Andelsbuch erzählt sie Geschichten aus Pakistan, von den unfolgsamen Kindern von Lahore, die auf dem Pferd dem strengen Patriarchen davonreiten und ihm noch eine lange Nase drehen. Diese Bilder sind inspiriert von einer Anzeige in einer Zeitung, in der ein gewisser Mohamed M. erklärt, dass er seine unfolgsamen und rebellischen Kinder enterbt. Eigentlich waren es drei, doch auf dem Pferd hatten nur zwei Platz … Bianca Tschaikner erzählt auch von fernen  Matriarchaten, zeigt Skizzen aus ihren Skizzenbüchern von Aufenthalten beim Stamm der Khasi in Meghalaya in Nordostindien und bei den Minangkabau in Westsumatra. Die Khasi und die Minangkabau sind matrilineare und matrilokale Kulturen, was heißt, dass alles den Frauen gehört und Besitz über die weibliche Linie weitergegeben wird.

„Zuhause in mir“

„The home within me. Wir sind, wer wir waren, und sind es doch nicht mehr. Momente, die eine gemeinsame Geschichte erzählen“ war eine weitum beachtete Wanderausstellung, die in Vorarlberg gezeigt wurde. 10 Frauen, 10 Geschichten. In „Zuhause in mir“, der Wanderausstellung der youngCaritas Vorarlberg, werden bewegende Fluchtgeschichten erzählt. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Bianca Tschaikner, Lena Seeberger und Astrid Neumayr, beide Ausstellungskommunikation, konzipiert und gestaltet. Zehn Frauen schildern ihren Weg bis zur Familienzusammenführung in Vorarlberg. Sie kommen aus dem Irak, der Türkei, aus Syrien, Afghanistan und Sri Lanka. Die jüngste Teilnehmerin ist 16 Jahre alt.  „Wir wollen die Geschichten der Frauen nun weiterzählen und für ein breites Publikum sichtbar machen“, so die youngCaritas Projektkoordinatorinnen Nina-Helena Köhlmeier und Katrin Gruber. Von Jänner bis Juni 2020 war die Ausstellung an unterschiedlichen Orten in ganz Vorarlberg zu sehen.

Der nomadische Spirit und die Kunst der Bianca Tschaikner

Die Künstlerin und Illustratorin bezieht einen Großteil ihrer Inspirationen aus den zahlreichen Reisen und Aufenthalten an Orten, an denen sie als Artist in Residence lebt. Dort spielt der kulturelle Austausch mit den örtlichen Institutionen und anderen KünstlerInnen eine bedeutende Rolle. Sie filtert die Welt ihrer Aufenthalte mit den Tentakeln ihrer Wahrnehmung, mit dem Verstand einer Forschenden, wie es in einer Ausstellungsankündigung von „Minisutra“ in Lustenau hieß, gibt Bianca Tschaikner ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus ihrem unmittelbaren Lebensumfeld in Bildern wieder und bedient sich dabei unterschiedlichster Techniken. In ihren Illustrationen, Radierungen und Zeichnungen schafft sie mit den künstlerischen Mitteln eigene Welten, in denen die Eindrücke reduziert dargestellt sind, alles angereichert mit den Zaubermitteln der Reflexion.

Die Veranstalter im Kulturbahnhof Andelsbuch bedauern, dass auf die musikalische Überraschung leider verzichtet werden muss.

www.biancatschaikner.com

https://www.bahnhof.cc/