Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 09. Mär 2012 · Ausstellung

Das Magazin im Magazin – eine Institution wird 20

Das Bregenzer Magazin 4 feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. Aus diesem Anlass soll es im Sommer ein großes Fest geben. Ausstellungsmäßig ist das mittlerweile längst zur etablierten Institution für internationale Gegenwartskunst avancierte Magazin 4 mit der Schau „In Kontakt (Motive)“ des deutschen Kunstschaffenden David Heitz in das Jubiläumsjahr gestartet.

Das Bregenzer Magazin 4 wurde 1992 vom Bregenzer Kulturamtsleiter Wolfgang Fetz, dem Chef der Kunsthalle Wien Gerald Matt sowie dem ehemaligen Recycling-Unternehmer Thomas Häusle aus der Taufe gehoben. Es ist im ehemaligen Areal der Bregenzer Handelsfirma Pircher untergebracht, und zwar in deren damaligem „Magazin 4“, woher sich auch der Name dieser mittlerweile zu den renommiertesten Kunsträumen Österreichs zählenden Einrichtung ableitet. Während vieler Jahre brachte sich auch die jetzt als Bregenzer Kulturstadträtin amtende ehemalige Kuratorin Judith Reichart engagiert in das Magazin 4 ein.

Vorreiter

Bei seiner Gründung vor zwei Dezennien kam dem Magazin 4 zweifelsohne eine Vorreiterfunktion zu. Die Eröffnung des Kunsthauses Bregenz (KUB) lag noch in weiter Ferne – sie erfolgte 1997, und das Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis hatte seinen Schwerpunkt damals noch auf der lokalen Kunst. Heute kann man grundsätzlich von drei Kunsthallenbetrieben in Bregenz sprechen. Während das KUB von den Vorgaben her dazu gezwungen scheint, Quotenausstellungen zu produzieren und das Künstlerhaus sozusagen den Spagat zwischen ausgewählter heimischer und erlesener internationalen Kunst probt, positioniert sich das Magazin 4 mit überwiegend junger und/oder schwierig bis spröder internationaler Kunst. Internationalen künstlerischen Tendenzen, die noch nicht etabliert sind, Raum zu geben, sieht Fetz als zentrale Aufgabe „seiner“ Institution an.

Qualität und Anspruch im Vordergrund

Budgetmäßig muss das Magazin 4 mit jährlich 200.000 Euro, die von der Stadt, vom Land und vom Bund getragen werden, haushalten. Wenn man weiß, wie teuer heute Ausstellungen rein schon versicherungstechnisch sein können, ist das nicht viel. Dennoch gelingen dem Magazin 4 immer wieder auch große Würfe, wie etwa die Werkschauen von Andres Serrano, Nobuyoshi Araki, Valie Export, Della Grace, Ellen Cantor oder Charles Atlas untermauern. Würfe, die zwar nicht Massenzulauf brachten, aber immerhin große Aufmerksamkeit unter den Kunstinteressierten bis weit über die Grenzen Vorarlbergs hinaus. Laut Wolfgang Fetz führt man bewusst keine Besucherstatistiken und verlangt auch keinen Eintritt. Qualitativ anspruchsvolle Kunst und bewusstes Niedrighalten der Besuchereintrittsschwelle sei vorrangiges Ziel.

„In Kontakt (Motive)“

Wie jedes Jahr stehen auch heuer wiederum vier Ausstellungsprojekte auf der Programmliste des Magazins 4. Der Startschuss zur ersten Schau, die den Titel „In Kontakt (Motive)“ trägt und Arbeiten des jungen deutschen Künstlers David Heitz zeigt, ist bereits gefallen. Noch bis 20. Mai sind vor Ort entstandene Installationen des 1983 in Wurmberg geborenen und heute in Karlsruhe lebenden und arbeitenden Heitz zu sehen. David Heitz beschäftigt sich mit unserer Außenwelt, mit Dingen, Räumen, Orten. In Fotografien, Skulpturen und Installationen „überarbeitet" er die Bedingungen unserer Wahrnehmung dieses Äußeren in ebenso subtilen wie lapidaren Arrangements.
Heitz besuchte bereits im Vorfeld der Ausstellung Bregenz und graste die Umgebung des Magazins 4 nach Motiven ab, die er mit einer Mittelformatkamera in Schwarz-Weiß ablichtete. Diagonal versetzt zeigt er die auserwählten Fotografien mittels Projektion auf den beiden Frontseiten des Kunstraumes, wobei der eine Projektor mit 15 Fotografien, der andere mit 21 Bildern gespeist wird. Das Besondere an den Bildern ist, dass sie Orte, Gegenstände und Situationen zeigen, die in ihrer Alltäglichkeit gerne übersehen werden. Heitz richtet seinen und damit auch den Blick des Betrachters auf die zwar vorhandenen, aber eben nicht mehr gesehenen Dinge und Orte. Das Beiläufige und gerade auch das Nichtige werden zum Ereignis, ohne spektakulär zu werden.

„Bild-Skulpturen“

Die einzelnen Bilder werden unterschiedlich lange gezeigt. Die Unterschiede sind zwar minimal, aber wahrnehmbar. Der Künstler hat jedem Bild eine eigene Präsenzzeit zugeteilt. Die entsprechend divergierende Projektionsfrequenz wird via Computersteuerung kontrolliert. Heitz wertet solche Projektionsinstallationen als „Bild-Skulpturen“. Wobei die Abspielgeräusche der Projektoren die skulpturale Qualität untermauern.
Die beiden Projektionen sind durch ein Stahlgerüst, das der Deutsche mit Hilfe eines von ihm selbst entwickelten Stahlrohr-Bausatzes zusammengebaut hat, voneinander abgetrennt. Heitz hat dieses System, das an ein Zeltstangen- oder Ikea-Prinzip erinnert, eigens für sich „erfunden“, um sensible Rauminterventionen durchführen zu können. Immer wieder fügt er die modularen Bauteile auch zu Tischen zusammen, um diese ebenfalls als „Präsentationsdisplays“ für seine Fotografien einzusetzen.

Von allem Unnötigen befreiter Raum

Heitz geht mit seiner Installation überaus sensibel auf die Räumlichkeit des Magazins ein. Seine Arbeiten sind spröde und erfordern eine große Wahrnehmungsbereitschaft. Die Leere des von allem Unnötigen befreiten Raumes spielt dabei eine zentrale Rolle.  Die von ihm gestalteten Räume erreichen eine fast sakrale atmosphärische Qualität. Die Heitz-Ausstellung ist eine Kooperation mit der Unternehmensgruppe Columbus, Ravensburg, und Teil des „Columbus-Förderpreis für aktuelle Kunst“. Kuratiert wird sie denn auch von Jörg van den Berg, dem Leiter der Columbus Art Foundation.

Anspruchsvolles Programm

Auch die restlichen drei Kunstpräsentationen des Magazins 4 gehen von gewohnt hohen Ansprüchen aus. Vom 2. Juni bis 26. August etwa werden unter dem Titel „Right of Refusal“ internationale Künstler unter anderem aus dem arabischen Raum gezeigt, die der Frage nach den Bedingungen für die Artikulation von Verweigerung sowohl an aktuellen Brandherden und geopolitischen Langzeitkonflikten als auch in alltäglichem Handeln und künstlerischer Produktion nachgehen. Der „Arabische Frühling“ mag als eines der Stichwörter dafür gelten. „Right of Refusal“ vereinigt Werke von beispielsweise Yasmine Eid-Sabbagh, Samir El Kordy, Jean-Luc Godard, Ulrike Müller/Sherif Sonbol, Olaf Nicolai, Simon Wachsmuth oder Arthur Zalewski. Eine überraschende bauliche Veränderung am Magazin 4 wird Felix Schramm vornehmen, dessen Schau „Intersection“ von 8. September bis 25. November 2012 zu sehen sein wird.
Und den Jahresabschluss bildet die Ausstellung „Movement“. Die Gruppenschau führt vier künstlerische Positionen zusammen, die zunächst nur durch ihre elementare Geste im jeweiligen Medium verbunden sind: Zeichnungen von Silvia Bächli, Gips- und Tonplastiken von Heinz Breloh, Tanz von Anna Huber und Malereien von David Reed. Darüber hinaus macht am 27. April und am 1. Juni auch wieder die anarchische Lounge „Salon d´amour“ des Aktionstheaters Ensemble unter der Leitung von Regisseur Martin Gruber und Dramaturg Martin Ojster Station im Magazin 4.

 

Magazin 4 – Bregenzer Kunstverein
Bergmannstraße 6, 6900 Bregenz
www.magazin4.at
Öffnungszeiten: Di bis So, 14.00 – 18.00 Uhr
Künstlerische Leitung: Wolfgang Fetz

 

Programm 2012

David Heitz
In Kontakt (Motive)
Bis So, 20. Mai 2012

Right of Refusal
Beiträge u. a. von Yasmine Eid-Sabbagh, Adelita Husni-Bey, Samir El Kordy, Yazan Khalili, Jean-Luc Godard, Ulrike Müller/Sherif Sonbol, Olaf Nicolai, Milica Tomic, Simon Wachsmuth und Arthur Zalewski.
Eröffnung: Fr, 1. Juni 2012, 19.00 Uhr
Dauer: Sa, 2. Juni bis So, 26. August 2012

Felix Schramm
INTERSECTION

Eröffnung: Fr, 7. September 2012, 19.00 Uhr
Dauer: Sa, 8. September bis So, 25. November 2012

Movement
Silvia Bächli, Heinz Breloh, Anna Huber, David Reed

Eröffnung: Fr, 7. Dezember 2012, 19.00 Uhr
Dauer: Sa, 8. Dezember 2012 bis So, 17. Februar 2013

Salon d´amour
Subversives. Hautnah.

Fr, 27. April und Fr, 1. Juni 2012, 20.30 Uhr