Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 02. Dez 2020 · Ausstellung

Das KUB als Ort, der das Jetzt widerspiegelt – Programmjahr 2021 im Zeichen von Gegenwartsfragen

Das Kunsthaus Bregenz hat sich für 2021 viel vorgenommen. Neben den vier Hauptausstellungen im Zumthor-Bau, die Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl, Pamela Rosenkranz, Anri Sala und Otobong Nkanga bestreiten werden, ist ein vielversprechendes Freiluftprojekt mit dem Schweizer Künstler Roman Signer auf der Bielerhöhe geplant. Außerdem wird mit „KUB Basement“ ein neues Format im Kellergeschoss des Hauses gestartet. Und letztlich wird die Präsentation der umfangreichen Sammlung König-Lebschik im Schaufenster nachgeholt und die Billboard-Serien entlang der Seestraße fortgesetzt. Abgerundet werden diese Unternehmungen mit einem umfangreichen Begleit- und Vermittlungsprogramm.

Im Programmflyer für das kommende Jahr verweist KUB-Chef Thomas Trummer darauf, dass das Aufgreifen aktueller Fragestellungen eine zentrale Aufgabe des von ihm geführten Hauses sei. Im jetzt zu Ende gehenden Jahr hat dies etwa Bunny Rogers mit ihrer Ausstellung „Kind Kingdom“, bei der es um Trauer, Tod, Amokläufe, Schönheit und Vergänglichkeit ging, untermauert, und speziell auch die Schau „Unvergessliche Zeit“, im Rahmen derer das KUB spontan auf die Pandemie und deren Folgen auf das Zusammenleben und die politische Gemeinschaft reagierte. Trummer: „Alle Gedankenmotive folgen einem Ziel: Das Kunsthaus Bregenz als Ort der Gegenwart zu festigen – ein Kunsthaus, das Einblicke in das Jetzt zeigt.“     

Schräg und schrill     

Dieser Diktion folgen auch die für 2021 geplanten Unterfangen des KUB. So stehen Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl, deren Ausstellung „Seasonal Greetings“ noch im Dezember erfolgen sollte (12.12.-14.3.) mit ihrem „queeren“ Erscheinungsbild per se für Genderfragen. Die beiden, die sowohl einzeln als auch als Paar am internationalen Kunstgeschehen partizipieren, treffen mit ihrer Art, die Geschlechts- und Gesellschaftskonstruktionen zu hinterfragen und mit Körperbildern und neuen Materialien zu arbeiten, genau den Nerv der Zeit. Im KUB werden gemäß Trummer unter anderem ein Eismeer als Nachbildung des berühmten Gemäldes von Caspar David Friedrich, ein begehbarer Hexensabbat, Selbstinszenierungen, Bodenmalereien, Litfaßsäulen und Cyborg-Subjekte zu sehen sein. Wie begehrt dieses österreichische Künstlerduo momentan ist, dessen Zugang zur Kunst genauso schräg und ironisch wie lustvoll und schrill erscheint, zeigt sich auch darin, dass es Österreich bei der nächsten Kunstbiennale in Venedig (2022) vertreten wird.      

KUB Basement     

Parallel zu Knebl & Scheirl startet das KUB im Kellergeschoss mit „KUB Basement“ zudem ein neues Ausstellungsformat. Am Beginn steht hier eine Ausstellung mit Fotografien des französischen Künstlers Marcel Bascoulard. Bascoulard, Jahrgang 1913, lebte als Clochard auf der Straße, bis er 1978 unter ungeklärten Umständen ermordet wurde. Bis zu seinem Tod zählte er als „Original“ zum Stadtbild von Bourges und war vor allem bekannt als der Mann, der sich als Frau verkleidet.” Anfang der 1940er Jahre schuf der Franzose die ersten Selbstporträts, die einen jungen Mann im Kleid, in unaufdringlicher Pose, kess, sachlich und jedoch ohne Make-up zeigten. Ein unverkennbares Charakteristikum dabei sein direkter, unverfrorener Blick in die Kamera. Dieser Blick zieht sich über vierzig Jahre durch sein Werk hindurch, eine eher asexuell wirkende Konstante im Wechselspiel mit einer Vielzahl teils aufwendiger Kleider, manche selbst genäht, andere im Tausch für seine Bilder erworben, in denen er sich immer selbst ablichtete.    
Nach Knebl und Scheirl besetzt im Frühling die schweizerisch-deutsche Performance- und Objektkünstlerin Pamela Rosenkranz das KUB hausfüllend (27.3.-4.7.2021). Für die 1979 im innerschweizerischen Altdorf geborene Kunstschaffende ist es gemäß den Angaben die erste Einzelausstellung in Österreich. Rosenkranz beschäftigt sich immer wieder mit biologischen und chemischen Grundlagen von Dingen und Waren. Sie experimentiert mit Düften, mit Erde und Licht, Bakterien und Parasiten. 2015 stellte sie auf der Biennale Venedig im Schweizer Pavillon aus, den sie unter anderem mit hautfarbener Flüssigkeit, die dem standardisierten mitteleuropäischen Hautton entspricht, füllte. Anlässlich dieses Beitrages gab die Schweizerische Post eine von der Künstlerin entworfene Sondermarke heraus, die ebenfalls ein Stück Haut zeigt. KUB-Chef Trummer über das Vorgehen der Schweizerin: „Rosenkranz formuliert ihre künstlerischen Recherchen als einprägsame, beruhigte Zonen. Es sind großräumige und dennoch intime Erlebnisse, die für das Kunsthaus Bregenz bestens geeignet sind.“      
Ergänzend zu Rosenkranz präsentiert das KUB im Frühling im Rahmen des „Basements“ eine Neuerwerbung von Lois Weinberger, die sich ebenfalls mit Natur, Chemie und Umwelt auseinandersetzt. Mit seiner konsequenten Pflanzenkunst verfolgte Weinberger, der 1947 in Stams (Tirol) geboren wurde und im April dieses Jahres in Wien starb, die Aufwertung des Wildwuchses und des Unkrautes, die in seinem Werk Metaphern waren für alles Unerwünschte und Dissidente. Ihm war der Schutz des scheinbar nutzlosen Unkrautes und die Kunst des botanischen Widerstands der archimedische Punkt seiner Vegetationsästhetik.      

Roman-Signer-Experiment auf der Bielerhöhe      

Im Juni startet dann das Freiluftprojekt „Installation am Bielbach“ des Schweizer Sprengkünstlers Roman Signer. Der 1938 in Appenzell geborene Kunstschaffende hat für die Bielerhöhe ein Werk für die Ostseite des Stausees entwickelt. Ein Bach, der unter einer Brücke in den See fließt, wird gestaut und als bogenförmige Fontäne über den Weg hinweg wieder in den See geführt. Der Bach bildet einen Wasserbogen und zugleich eine Brücke. „Die absurde Manipulation - ein Wasserstrahl wird zu einem architektonischen Element und ein flüssiges Element zu einem statischen Gebilde und somit zur Skulptur - ist kennzeichnend für Signers Arbeiten. Auch hier arbeitet der Künstler mit Versuchsanordnungen, in denen es zu Kraftentladungen oder Aggregatsveränderungen kommt“, hält KUB-Direktor Thomas Trummer dazu fest.      
Ebenfalls im Juni wird die Präsentation der Sammlung König-Lebschik im KUB-Sammlungsschaufenster im alten Postgebäude eröffnet. Hintergrund dazu ist, dass der gebürtige Vorarlberger Thomas König und seine verstorbene Frau Erika Lebschik über vierzig Jahre lang Originalgrafiken internationaler KünstlerInnen zusammengetragen haben. Aus der umfangreichen Sammlung, die dadurch entstanden ist, soll eine interessante Auswahl für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.      

Bildhaft-akustisches Raumerlebnis      

Die Sommerausstellung 2021 ist dem 1974 in Tirana geborenen albanischen Video-Künstler Anri Sala gewidmet. Sala war eigentlich bereits für den Sommer 2020 vorgesehen, doch machte die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung. Im kommenden Jahr findet sein Auftritt zeitgleich mit den Bregenzer Festspielen statt. In Kooperation mit diesen bringt das KUB die Oper „Wind“ als Uraufführung auf die Bühne. Auch Sala beschäftigt sich mit Phänomenen der Musik. Trummer: „Musikalische Stücke werden in seinen Filmen zu Protagonisten, die Ausstellung ein bildhaft-akustisches Raumerlebnis - eine immersive Erfahrung mit technischer Raffinesse.“ Im übrigen ist auch Sala bereits Biennale-Venedig-erprobt. Der Künstler, der seit 2010 in Paris lebt und arbeitet, vertrat 2013 Frankreich in der Stadt der tausend Kanäle.      
Zum Abschluss des Programmjahres 2021 gibt das KUB einen aktuellen Einblick in das Schaffen der aus Nigeria stammende Künstlerin Otobong Nkanga, Jahrgang 1974. Die heute in Antwerpen lebende und arbeitende Nkanga beschäftigt sich in ihrem Schaffen mit den komplexen, sich wandelnden Beziehungen zwischen Menschen, Land und Strukturen der Wiedergutmachung. Sie spürt den Handelsrouten von Rohstoffen nach und untersucht, auf welchen Wegen und unter welchen Voraussetzungen Waren und Menschen auf der ganzen Welt in Bewegung sind. Sie untersucht die sozialen und topographischen Veränderungen ihrer Umwelt, beobachtet deren inhärente Komplexität und versteht, wie Ressourcen wie Boden und Erde und ihre potenziellen Werte einer regionalen und kulturellen Analyse unterzogen werden. Trummer: „Ihr Blick richtet sich auf die unsichtbare Macht, die Regierungssysteme auf Zeit und Menschen ausüben. Gerade in einer von drängenden Klimaproblemen und Krisen geprägten Zeit ist eine Ausstellung dieser Thematik von großer Bedeutung.“      

Facts & Figures      

Im nun zu Ende gehenden Ausstellungsjahr 2020 wird das KUB auf insgesamt 32.000 Besucherinnen und Besucher kommen. Zum Vergleich: 2019 betrug diese Zahl noch 53.645. Wie KUB-Direktor Thomas Trummer betont, wäre man ohne die Lockdown-Zeiten im Trend früherer Jahre gelegen. Das Budget betrug 3.358.500.- Euro, wovon 2,822 Millionen Euro vom Land kommen und eine halbe Million selbst erwirtschaftet wurde. Bei letzterem gab es aufgrund der Krise einen Einbruch um 38 Prozent. Für das nächste Jahr müssen die von der Kuges (Kulturhäuser-Betriebsgesellschaft) verwalteten Kultureinrichtungen, sprich KUB, Landesmuseum und Landestheater, mit einer Budgetkürzung von 8 Prozent rechnen. Da heißt es also, sich warm anzuziehen.     

Das KUB 2021    
Hauptausstellungen:

Bis 14.3.2021: Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl
27.3.-4.7.: Pamela Rosenkranz
17.7.-10.10: Anri Sala
23.10.-9.1.2022: Otobong Nkanga
KUB-Basement:
16.1.-14.3.: Marcel Bascoulard
17.4.-4.7.: Lois Weinberger
KUB-Projekt:
Ab Juni: Roman Signer
KUB Sammlungsschaufenster:       
26.6.-29.8.: Sammlung König-Lebschik