Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 11. Dez 2011 · Ausstellung

Das anonymisierte Selbst-/Fremdporträt aus dem Netz – Ayşe Erkmen im Magazin 4

Die 1949 in Istanbul geborene und heute in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin Ayşe Erkmen hat durch spektakuläre Projekte für großes internationales Aufsehen gesorgt – auch durch ihren Auftritt an der diesjährigen Kunstbiennale in Venedig. Nun stellt sie im Bregenzer Magazin 4 aus. Entlang der zwei langen Fensterfronten sind derzeit Stellagen aufgestellt, die jeweils fünf übereinandergesetzte Reihen von Fotos tragen. Erkmen hat die Bilder aus dem Web heruntergeladen und ausgedruckt. Anstatt auf die Bergmannstraße oder den Innenhof blickt man auf Bildbänder, deren einzelne Fotografien in relevantem oder weniger relevantem Zusammenhang mit der Künstlerin stehen.

Erkmen setzt sich im Rahmen dieser Foto-Installation mit dem Verlinkungsmechanismus von Online-Bilddatenbanken auseinander. Bei der Suchmaschine Google hat sie ihren eigenen Namen eingegeben und den Button „Bilder“ angeklickt. Das kann auch jeder x-Beliebige für sich tun. In der Folge erscheinen Tausende von Fotos. Ist bei den ersten der von der Search Engine angezeigten Seiten noch eine enge Relevanz mit dem eingegebenen Namen zu finden, so lösen sich die Beziehungsmuster nach hinten immer mehr auf. Die Verbindungslinien werden diffuser und sind vielfach kaum mehr nachvollziehbar. Dabei ist festzustellen, dass sich bei der Verwendung unterschiedlicher Browser wie etwa Internet Explorer, Safari oder Firefox völlig andere Reihungen ergeben. Auch bei zeitlichen Abständen oder veränderten geografischen Standorten formieren sich neue Bildordnungen.

Wer steckt hinter dem mysteriösen System?

Die türkische Künstlerin hinterfragt mit ihrer Arbeit die Speichermethoden für unstrukturierte Daten. Sie stellt zur Diskussion, wer denn in erster Linie die Bilder ins Web stellt. Und wer diejenigen Bilder weiter verlinkt, die sie nicht selbst auf ihrer offiziellen Website autorisiert hat. Und wer hinter dem unzuverlässigen, sonderbaren Bildarchiv steckt, dass sich permanent verändert. Erkmen hat für die Ausstellung, die den Titel „itself“ trägt, über 700 Bilder ausgewählt, die im Internet mit ihrem Namen verlinkt sind. Indem sie die Bilder aus ihrem digitalen Kontext herausschält, erwächst ein „anonymisiertes Selbstporträt“, das in manchen Teilen ganz eng, an anderen Stellen überhaupt nicht mit der Kunstschaffenden korreliert.

Konzept der Vernetzung

„itself“ fügt sich bestens in die komplexen, sich netzwerkartig ausbreitenden Kunstprojekte ein, mit denen Erkmen bekannt geworden ist. 2001 etwa – um ein Beispiel zu nennen – erzeugte sie immenses Aufsehen, als sie im Rahmen von „Shipped Ships“ vier Wochen lang drei Fähren auf dem Main bei Frankfurt für Besucher fahren ließ. Das Besondere daran war, dass sie für diese Aktion Passagierboote für den öffentlichen Nahverkehr aus fernen Ländern nach Deutschland verfrachtete. Dafür setzte sie drei Kuratoren ein, einen für das Schiff aus Japan, einen für Istanbul, einen für Italien, um ein Vaporetto aus Venedig zu holen. Der bürokratische Aufwand war enorm, nicht nur, um die Schiffe nach Deutschland zu bringen, sondern auch um all die Papiere für die Schiffsmannschaften zu organisieren.

 

Ayşe Erkmen
Magazin 4, Bergmannstraße 6, Bregenz 
Bis 19.2.2012 
Di-So 14-18 Uhr
www.bregenzerkunstverein.at