Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 30. Jän 2017 · Ausstellung

Es blubbert und quillt wie beim Druiden Miraculix – Thomas Feuerstein präsentiert „Sternenrotz“ in der Bludenzer Galerie allerArt

Was Miraculix für Asterix und Obelix ist, ist der Künstler Thomas Feuerstein für die Kunst. Stellt allerdings die von den genialen Zeichnern Rene Goscinny und Albert Uderzo geschaffene Kunstfigur Miraculix einen Zaubertrank her, der zur Unbesiegbarkeit verhilft, produziert Feuerstein im Kunstraum allerArt in der Remise Bludenz mit Hilfe von Algen und Pilzen und wissenschaftlicher Unterstützung ein Halluzinogen, das Wahrnehmungsverschiebungen bewirkt und als Visionsdroge verwendet werden könnte.

Der 1968 in Innsbruck geborene Konzept- und Medienkünstler, Kunsttheoretiker und Autor Thomas Feurstein ist Anfang der 1990er Jahre mit angewandten Untersuchungen und ironischen Kommentaren zur Netzkultur bekannt geworden. Von 1992 bis 1994 gab er beispielsweise gemeinsam mit Klaus Strickner die Zeitschrift „Medien.Kunst.Passagen“ heraus. In den vergangenen Jahren setzte sich der heute in Wien ansässige Künstler im Rahmen seiner Installationen und „molekularen Skulpturen“ mit chemischen und biologischen Prozessen auseinander, die als Sinnbilder für soziale und psychische Bewusstseinszustände stehen. Feuerstein nimmt mit alchemistisch anmutenden, laborähnlichen Einrichtungen Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie die Auswirkungen von Biopolitik auf das Individuum, die Lösung globaler Ernährungsprobleme oder soziale Entgrenzung.

 

Schleim als bildhauerisches Material

Auch in Bludenz präsentiert Feuerstein aktuell eine molekulare Skulptur, bei der grüner Schleim als biochemischer Stoff und bildhauerisches Material eine zentrale Rolle spielt. Hintergrund der Arbeit bildet eine enge Zusammenarbeit mit Biochemikern, mit denen Feuerstein das synthetische Molekül „Psilamin“ entwickelt hat, welches aus psychoaktiven Algen und Pilzen gewonnen wird.

Am Anfang des skulpturalen Prozessablaufes stehen gläserne Skulpturen, in denen Schwebealgen und Pilze wachsen, aus denen in Folge Dopamin, ein Glückshormon, und Psilocin, eine psychoaktive Substanz, welche bereits von den Azteken als Visionsdroge genutzt wurde, gewonnen werden. Die daraus synthetisierte molekulare Skulptur „Psylamin“ stellt ein bewusstseinsveränderndes Halluzinogen dar. Würde man die Skulptur schlucken und im eigenen Körper „ausstellen“, würden sich psychotrope Wirkungen einstellen, die Gegenstände in der Wahrnehmung weich, fließend und wabernd erscheinen ließen.

Bei der Herstellung des neuen Moleküls fallen als Beiprodukt große Mengen schleimigen Materials an. Dicke Fäden und Schlieren formieren sich dabei in der Arbeit „ACCDEMIA DEI SECRETI II“ zu einer fließenden, liquiden Skulptur. Wer derzeit die Remise Bludenz betritt, wird es also anständig blubbern und quillen hören. Für Feuerstein sind seine Apparaturen „streng genommen Chemieunfälle“, wie er im Rahmen einer Diskussion mit Gottfried Bechtold zum Skulpturenbegriff betonte. „Ich hege eine kindliche Freude daran, die gängigen, geordneten Systeme umzukrempeln,“ so Feuerstein. Wobei Feuerstein dieses „Umkrempeln“ mit einer ungemein präzisen und ästhetischen Perfektion gelingt.

 

Sternenrotz

 

Aufgrund der schleimartigen Konsistenz des Materials betitelt Feurstein die Ausstellung in der Galerie allerArt metaphernhaft mit „Sternenrotz“. Als Sternenrotz oder auch Meteorgallerte bezeichnet man seit dem Mittelalter unterschiedliche Naturphänomene, die mit Biofilmen, Schleimpilzen, Algen oder von Greifvögeln ausgewürgten Eileitern von Amphibien in Verbindung stehen. Da die Erscheinungen schwer zu erklären waren, vermutete man, sie seien vom Himmel gefallen. Im Volksmund erhielten sie den Namen „Sternenrotz“.

Neben der laborartigen Geräteinstallation zur Erzeugung von Psylamin und Schleim zeigt Feuerstein in Bludenz auch eine Art Pandämonium aus 28 schwarz-weißen Lithographien, in dem er sich mit dem Phänom des Dämonentums auseinandersetzt. Außerdem ein Bergpanorama ("Atlas 1") als Wandrelief, das seine spezielle Blaufärbung aus Blaualgen bezieht, sowie mit „For He's a Jelly Goo Fellow“ (2016) eine auf Holz gedruckte Molekularstruktur, deren vielteilige Textspiralen von Fragmenten einer Science-Fiction-Erzählung des Künstlers gespeist werden.

 

Thomas Feurstein: „Sternenrotz“

Galerie allerArt Bludenz
bis 5.3.2017
Mi-Sa, So u. Fe 15-18

www.allerart-bludenz.at