Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Niedermair · 27. Jul 2021 · Ausstellung

Anna Dot Verdaguer & Juan David Galindo Guarin mit der Ausstellung „Present“ in der Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz

Diese Ausstellung der beiden Austausch-Künstler*innen, in der Lisi Hämmerle Galerie dauert noch bis 29. Juli 2021, Anna und Juan sind täglich von 16 – 19 Uhr vor Ort. Sie waren zwei Monate hier in Bregenz und haben in dieser Zeit, wie sie gegenüber der Zeitschrift KULTUR berichten, viele Künstler*innen aus der Region getroffen, waren in zahlreichen Ausstellungen, u.a. im Kunsthaus, im Palais Thurn & Taxis und in anderen Galerien. Beide haben ihren Aufenthalt als große Bereicherung erlebt und nehmen interessante Begegnungen und Erfahrungen mit zurück nach Katalonien. Damit ist das Ziel dieses landeskulturpolitischen Projekts gut realisiert worden. Ein etablierter kulturpolitischer Schwerpunkt des Landes ist nämlich die Internationalisierung von Künstler*innen, die mit Vorarlberg in einer Beziehung stehen.

Die Kulturabteilung hat Projekte eingerichtet, die bis Ende Juni von Elisabeth Dobler, die viele Jahre zahlreiche Kulturthemen des Landes kompetent und klug betreut hat; ab Juli hat Susanna Koch einen Teil ihrer Aufgaben übernommen. Man schickt auf diesem Ticket jährlich zwei Vorarlberger Künstler*innen für jeweils ca. zwei Monate u.a. nach Barcelona; dieses Jahr verbringen die beiden Vorarlberger Künstlerinnen Sarah Rinderer und Hanna Schaich zwei Monate in Spanien/Katalanien, während parallel gleichzeitig Anna Dot Verdaguer und Juan David Galindo Guarin in Bregenz zu Gast sind und vom 23. bis 29. Juli die Ergebnisse ihres künstlerischen Arbeitsaufenthaltes bei Lisi Hämmerle präsentieren. Die beiden Künstler*innen sind vor Ort und freuen sich auf interessierte Besucher*innen. Am 29. Juli findet eine Abschlusspräsentation zum Künstler*innenaustausch zwischen Land Vorarlberg und Hangar.org statt, der Organisation, die das Pendant zur Kulturabteilung des Landes darstellt. Gemeinsam mit der Landeskulturabteilung, Susanna Koch, begleitet vor allem Kirsten Helfrich vom KUB das Austauschprojekt. Lisi Hämmerle, die bestens mit hiesigen und internationalen Künstler*innen vernetzte Galeristin, spielt dabei eine weitere zentrale Rolle. Die Künstler*innen Gäste aus Katalonien fühlten sich gut aufgehoben und gut betreut. Ein wichtiges Kulturprojekt des Landes, das besonders auch vorarlbergische Künstler*innen animiert, über die Grenzen des Landes zu schauen und sich mit anderen Entwicklungen auseinander zu setzen.

Stipendium Barcelona

Die Kulturabteilung des Landes setzt kulturpolitische Schwerpunkte, um eine Internationalisierung von Vorarlberger Kunst sowie eine erfolgreiche Vernetzung mit dem Ausland zu ermöglichen. Daher wurden im Jahr 2020 zwei neue Stipendien ins Leben gerufen. In Kooperation mit der Kunstinstitution HANGAR.ORG, (Centre de producció d’arts visuals) Kunstzentrum für Forschung und Produktion, bietet das Land Vorarlberg gemeinsam mit der Stadt Bregenz ab 2020 ein weiteres Auslands-Stipendium an. Der Austausch ist offen für alle Spielarten der bildenden Kunst, von der Malerei, Bildhauerei zur Video-und Performance-Kunst hin zu anderen Experimentierfeldern. Die Kooperation mit der spanischen Organisation Hangar.org in Barcelona vertieft als Nachfolgeprojekt der Bilbao-Zusammenarbeit den auf internationalen Austausch und Vernetzung abzielenden Schwerpunkt der Vorarlberger Kulturstrategie. Zwei Plätze für bildende Kunst (Malerei, Bildhauerei, Video- und Performance-Kunst ...), Stipendium: je 1.000 Euro, Reisekosten (max. 600 Euro), Produktionskosten (max. 1.000 Euro), Atelier und Wohnung gratis, die Auswahl der Stipendiat*innen erfolgt jeweils durch Jurys in Vorarlberg und Barcelona.

Anna Dot Verdaguer

Die Künstlerin lebt derzeit in Torelló in der Provinz von Barcelona, nördlich von Manresa am Montserrat; 2019 machte sie ihren PhD als Übersetzerin und in angewandter Sprachwissenschaft an der Uni von Vic, das Thema ihrer Doktorarbeit heißt „Art and Posttranslation. On artistic theories and practices in the Digital Age“. Ihre künstlerische Arbeit entwickelt sich parallel zu Übersetzungen und Kommunikationsprozessen, ein besonderer Fokus gilt dabei dem Leseprozess und dem Schreiben, das stark in linguistische Bereiche hineinreicht. Ihre Forschungs- und Kunstprojekte wurden bisher in Barcelona und Bern gezeigt, in London und Teheran, Serbien. Ihre Kunst und Forschungsarbeiten wurden mehrfach für bedeutende Preise nominierte, ACCA Award 2020. Anna hat unter anderem zahlreiche Projekt-Arbeiten in einem künstlerisch-bildungspolitischen Zusammenhang entwickelt, die in die historische und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der Region und der europäischen Geschichte hineinreichen und besonders mit dem deutschen Philosophen Walter Benjamin zu tun haben. Benjamin, Kulturkritiker und Schriftsteller, ein Historiker, der sich besonders mit dem 19. Jahrhundert beschäftigte, ist im katalanischen Port Bou, direkt an der Küste, hinter Banyuls-sur-Mer, nach gescheiterter Flucht mit Lisa und Hans Fittko von Marseille, wo er vergeblich auf die Einreisedokumente wartete, die ihm Adorno und Horkheimer versprochen hatten, am 26. September 1940 beim Versuch über die Grenze zu kommen, gestorben und wurde auf dem Friedhof von Port Bou bestattet. Auf dem Vorplatz dieses Friedhofs hat der bedeutende israelische Künstler Dani Karavan, der im Mai 2020 in Tel Aviv gestorben ist, eines der international ganz bedeutenden Memorial Sights errichtet. Vgl. dazu das Buch des in Paris lebenden Vorarlberger Historikers und Fotografen Arno Gisinger, gemeinsam mit Nathalie Raoux, „Konstellation. Walter Benjamin im Exil“, Transphotographic press, Paris 2009.

Juan David Galindo Guarin

Juan David Galindo machte seinen Bachelor in Arts und Design an der Hochschule Massana. Er besuchte ein Independent Studies Programme am Museum für Zeitgenössische Kunst in Barcelona und hat derzeit bis 2022 ein Stipendium  bei Hangar, Centre for Art Research and Production. 2020 stellte er im El Born Centre de  Cultura i Memòria aus, das der international bekannte Enric Puig Punyet kuratierte; ebenfalls 2020 war er mit seiner Kunst, die kritisch mit Wahrnehmung und Interpretation spielt, im November und Dezember in die Delta Ausstellung im Convent von Sant Diego, in Alaior, Menorca eingeladen. Er interessiert sich vor allem für Erfahrungen mit Räumen, in denen digitale Aufnahmen und Reproduktionen eine Rolle spielen, in der die Bilder verzögert und gleichzeitig parallel erscheinen. Er untersucht dabei Bilder in geschlossenen Kreisläufen und spielt mit unterschiedlichen Bildgesten, indem er ein Video im selben Raum spielt, in dem das Bildmaterial aufgenommen wurde. Die künstlerische Arbeit „Corridor“ von Bruce Nauman und einige Video Installationen von Dam Graham sind für den Künstler Anregung und Referenzwerke. Gleichzeitig benutzt er diese erzählerischen und filmischen Ressourcen, um zu erforschen, wie Videoaufnahmen durch Gewaltszenen, die eine andere Realität zeigen, jedoch unsichtbar bleiben. Spuren dazu finden sich in „Lost Highway“ von David Lynch oder in „Caché“ von Michael Haneke. In beiden werden Video Tapes anonym an die Protagonisten des Films geschickt, die Aufnahmen ihrer Häuser und Wohnorte zeigen; dabei wird ein Gefühl von Unsicherheit und Verletzbarkeit erzeugt, das letzten Endes gewalttätige Ereignisse auslöst.

Realität, Fiktion und die Wirkmacht von Bildern

Die Ausstellung der beiden Künstler*innen ist sehr originell, künstlerisch reichhaltig und sehenswert, sie spielt mit Realitäten und mit Geschichten, mit Fiktionen und Erinnerungen, die sich überlagern, mit visueller Poesie und der Wirkmacht von Bildern, mit der umfassenden Bedeutung des Sehens, als ein Kanal, wie diese Welt in den Kopf kommt … und wieder heraus. Anna spielt künstlerisch mit u.a. dem Karl-Tizian-Platz beim Kunsthaus in Bregenz; sie fragt, wie sich Plätze verändern, sobald sie künstlerisch bearbeitet werden, wie u.a. dieser von Karl Heinz Ströhle, der 2016 verstorben ist. Sie hat den Ort, an dem das Kunsthaus heute steht, sehr intensiv beforscht, nach Spuren gesucht und Erinnerungen gesammelt, z.B. die Rolle des Friseursalons Bertele, oder hat die Höhe und Größe der Bäume beim Kunsthaus recherchiert, die sie mit einem Referenzsystem zu den Gebäuden kontrastiert, die Tiefe des Kunsthauses und dessen Fundamente. Sie geht dabei den Erinnerungsträgern zu diesen Geschichten nach und fragt, wie sich diese durch die Übersetzung ändern.
Diesen Donnerstag um 17 Uhr gibt es im KUB Café eine Hommage an Friseur Bertele, mit Kaffee und Jasskarten.
Juan zeigt beim Betreten der Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle, einen Vorhang der mit einer surrealen Situation und der Erfahrung mit dem Besuch eine Show spielt, die einander gegenüber gestellt werden. Ein anderer Teil seiner Ausstellung spielt mit Webcams und Aufnahmen, die wir aus „Modern Times“, 1936 von Charlie Chaplin, kennen; es sind Szenen zur Dekonstruktion von Realität, erotische Flirts mit Horrorfiguren und der persönlichen Erfahrungswelt des Künstlers, indem Juan sich auch mit den Wirkformen von Sex Channels beschäftigt und überlegt, wie es Besucher:innen der Ausstellung geht, wenn sie realisieren, dass sie aufgenommen werden.