Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Karlheinz Pichler · 22. Jul 2021 · Ausstellung

Wenn das Nationalstaatliche zerfließt – Installation „No Border, No Nation“ von Andrea Salzmann an der Dornbirner Ache

In Kooperation mit dem Europäischen Forum Alpbach hat der Verein CampusVäre das großräumige Kunstprojekt „No Border, No Nation“ der Vorarlberger Künstlerin Andrea Salzmann in den öffentlichen Raum entlang der Dornbirner Ache gebracht.

Gerade anhand der Flüchtlingskrisen der letzten Jahre hat sich wieder einmal gezeigt, wie sehr die Länder der EU und rund um den Globus noch immer in nationalstaatlichen Denkmustern verhaftet sind. Grenzen dicht machen, Mauern errichten, in Not Geratene zurückweisen, das sind die Handlungsdirektiven. Von Solidarität ist vielerorts nur wenig zu spüten. Die 1979 in Bregenz geborene und in Wien lebende Performerin Andrea Salzmann hat sich dieses Themas anhand der Flaggensymbolik angenommen. Entlang der Dornbirner Ache hat sie 34 Masten aufstellen lassen und diese beflaggt. Aber nicht wie im traditionellen Sinne. Sie hat die Nationalflaggen nämlich neu gemalt. Geblieben sind nur die Farben. Motive und Inhalte der verschiedensten Fahnen hat sie bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert und aufgelöst. Denn wenn man nicht weiß, zu welchem Staat eine Fahne gehört, dann wird die nationalen Zuordnung von Bürgern gleichsam konterkariert. Die Künstlerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Flaggen früher dafür eingesetzt wurden, dass man auf dem Schlachtfeld erkennen konnte, welcher Seite die Kämpfenden angehören. Fehlt diese Zuordnungsmöglichkeit, dann macht das Kämpfen keinen Sinn.       

Heimische Materialien       

Die textilen Materialien zur Herstellung der Fahnen hat Salzmann übrigens vom Bludenzer Unternehmen Getzner erhalten, die Holzmasten vom städtischen Forst. Die Textilfarben hat sie in Eigenregie besorgt und auch die Flaggen selber bemalt. Die üblicherweise klaren, geometrischen, rechteckig konturierten Nationalfarben sind bei ihr bis zur Unkenntlichkeit in pastellenen Tönen zerflossen. Dabei hat sie die Farbtöne so gewählt, dass sich keine Anspielungen auf bestimmte Nationen mehr ableiten lassen. „No Border, No Nation“ also. Mit diesem Slogan von NGOs, die sich für Niederlassungsfreiheit vor allem von Flüchtlingen engagieren, setzt Salzmann ein zusätzliches Statement. Teil des Werks im öffentlichen Raum ist auch eine Soundinstallation von Sebastian Meyer, die über einen QR-Code abgerufen werden kann. 
Die Fahnen markieren letztlich das Areal und greifen das geografische Fließen und die Grenzenlosigkeit auf. „Die Ach mündet in den Bodensee und überschreitet in weiterer Folge mehrere nationalstaatliche Grenzziehungen – ganz im Sinne Europas und dem Anspruch an persönliche Haltung und politische Vorbildwirkung. Die Markierung eines utopischen Raumes an dem Areal eröffnet Debatten und neue Wunsch- und Denkanstöße... Gemeinschaften könnten in einem globalen Miteinander neu gestaltet werden – jenseits von Ausgrenzung und Abschottung“, meint die Performerin.
„No Border, No Nation“ ist eigentlich eine Auftragsarbeit des Forum Alpbach 2020, wo auch die Erstrealisierung stattfand. Für Dornbirn nun findet eine kuratorische Übersetzung an die örtlichen Gegebenheiten statt.
Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, zeigte sich bei der Eröffnung am vergangenen Dienstag begeistert von dem Projekt und unterstrich seine in Dornbirn schon mehrfach gemachte Aussage, dass Europa Initiativen, Projekte und Menschen wie diese brauche, um mutig in die Zukunft zu gehen.
Die 34 Fahnenmasten sollen noch bis Ende Oktober entlang der Dornbirner Ach von der Sägerbrücke aufwärts aufgestellt bleiben.        
In der Messestadt wurde „No Border, No Nation“ in enger Zusammenarbeit mit dem von Bettina Steindl geleiteten Verein CampusVäre umgesetzt. Der Verein wurde gegründet, um am Campus V ein pulsierendes Quartier für Kreativwirtschaft entstehen zu lassen. CampusVäre ist eine Wortschöpfung aus dem bestehenden Namen Campus V und Atmosphäre.       

Die Künstlerin Andrea Salzmann arbeitet, nach Aufenthalten in Bilbao und Yogyakarta, Indonesien, derzeit in Wien als Dramaturgin und unterrichtet an der Akademie für Bildende Künste.