Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Karlheinz Pichler · 26. Mai 2017 · Ausstellung

Akzente setzen - Kunstankäufe des Landes in der Bludenzer Galerie allerArt

Claudia Voit und Peter Niedermair sind von der Landesregierung für drei Jahre als Ankaufsbevollmächtigte der Kunstkommission bestellt worden. Sie haben die Sammlung des Landes im vergangenen Jahr erweitert, ergänzt und vervollständigt. In Kooperation mit dem vorarlberg museum und der Kulturabteilung des Landes Vorarlberg zeigt die Galerie allerArt in Bludenz noch bis 11. Juni, wie die Kunstankäufer das zur Verfügung gestandene Budget von € 90.000,- investiert haben.

Zeitgenössische Kunst wird seitens des Landes Vorarlberg erst seit 1974 systematisch angekauft. In jenem Jahr wurde nämlich das „Kulturgüterförderungsgesetz des Landes Vorarlberg“ verabschiedet. Seit 1986 werden Ankaufsbevollmächtigte der Kunstkommission für die Auswahl der Neuerwerbungen eingesetzt. Bislang waren insgesamt 32 solcher KunstankäuferInnen im Einsatz. Darunter Architekten wie Hans Purin oder Karl Sillaber, Künstler à la Richard Bösch, Walter Kölbl oder Edgar Leissing, Kuratoren wie Rudolf Sagmeister oder Hans Dünser, GaleristInnen wie Lisi Hämmerle oder Wolfgang Häusler oder auch Kunstvermittler wie Ingrid Adamer oder Marion Kotula-Studer. Seit Beginn des Jahres 2016 zeichnen Claudia Voit sowie Peter Niedermair dafür verantwortlich. Ihre Amtszeit ist vorerst mit drei Jahren bemessen.


Konzeptuelles Vorgehen

Die früheren Ankäufer folgten unterschiedlichsten Vorgangsweisen. Manche gingen nach dem Gießkannenprinzip vor, andere berücksichtigten soziale Verhältnisse, wieder andere priorisierten technische Vorlieben. Die einen kauften direkt beim Kunstschaffenden, die anderen in Galerien oder Ausstellungen. Faktum ist, dass die Landessammlung sehr unausgewogen ist. Vielfach wurden nur durchschnittliche Werke angekauft.

 

Voit und Niedermair überlegten sich für ihre Amtsperiode eine konzeptuelle Strategie. Zunächst unterhielten sie sich mit ihren Vorgängern, aber auch mit dem vorarlberg museum und dem Land. In der Folge entschieden sie sich dann dafür, aus der Gesamtsammlung des Landes heraus zu denken und bestehende Lücken aufzufüllen und vor allem aber Akzente zu setzen. So sollten vor allem Werke erworben werden, die sowohl für die Sammlung, als auch für die betreffenden Kunstschaffenden relevant wären. Also eher hochpreisige Hauptwerke, die auch für Ausleihungen interessant wären. Ein weiteres Kriterium im Konzept sei es, jüngere Kunstschaffende, die acht bis zehn Jahre im Kunstbetrieb unterwegs sind, zu fördern. Ein entsprechender Ankauf sei nicht nur für die Sammlung wichtig, sondern würde den betreffenden KünstlerInnen auch einen Impuls liefern, um die Entwicklung ihres Werkes weiter voranzutreiben. Bei bereits älteren, etablierten KünstlerInnen ginge es darum, dass sich wichtige Stationen ihrer Entwicklung in der Sammlung widerspiegelten. Auch Gender-Überlegungen kommen zum Tragen.

 

Qualität statt Masse

Als Budget stehen jährlich € 90.000,- zur Verfügung. Davon gehen jeweils € 4.000,- als Spesen und Aufwandsentschädigung an die Ankäufer ab. Bleiben also € 82.000,- für die Kunstankäufe. Über Kaufpreise bis zu € 3500.- dürfen die Ankäufer selber verfügen. Liegt der Ankaufspreis jedoch höher, entscheidet die Kunstkommission über den Ankauf. Über die Jahre wurden von den Ankäufern bislang an die 1500 Werke für die Landessammlung erworben. Pro Amtszeit durchschnittlich 100 bis 300 Arbeiten. Voit und Niedermair kauften im vergangenen Jahr hingegen gerade einmal Werke von 12 Kunstschaffenden an. Außer den drei Zeichnungen von Gabriele Bösch, die € 1260,- kosteten, einem Lichtkasten aus einer Reihe von biografischen Porträts von Eva Kees (€ 3.200,-) sowie dem Video „In erster Linie – First and Foremost“ von Veronika Schubert (€ 3.400,-) lagen alle Werkankäufe deutlich über € 3.500,-. Drei Viertel der von Voit und Niedermair angekauften Werke kamen damit also vor die Kunstkommission. Am teuersten war mit € 30.000,- das "R.E.G.A.L.", eine  Hauptarbeit des in Wien lebenden Vorarlberger Künstlers Wolfgang Bender. Bender hatte bereits 1992 mit dieser Arbeit begonnen und sie sukzessive weiterentwickelt. Mit € 16.500,- am zweitteuersten waren drei Videoarbeiten von Claudia Larcher. Dahinter folgen dann Exponate von Karl Salzmann, Veronika Dirnhofer, Hubert Lampert, Katherina Fink, Albert Allgaier, Philipp Leissing und Cornelia Hefel.

Von Hubert Lampert beispielsweise wurde mit „Weiße Stadt 3“ eine Skulptur aus der Werkgruppe „Revolution der Rahmen“ erworben. Bei dieser Serie, die ab 2008 entstand, geht es darum, dass der Rahmen sich aus der Funktion des Einrahmens befreit und in die Höhe (Tiefe) strebt. Er entfaltet ein Eigenleben, schafft Raum und wird zu einem eigenständigen Objekt, woraus sich ein neuer, diesmal räumlicher Bildinhalt entwickeln lässt. Der Rahmen will also nicht mehr nur Rahmen sein, sondern verlangt nach einer archetektonischen Ausformung.

 

Von der Vorarlberger Fotokünstlerin Eva Kees kam die aus Möbeln, Vorhangstoffen und einem langgezogenen Leuchtkasten bestehende Installation „W.“ (2016) in die Sammlung. Als Teil der groß angelegten Serie „Souvenir“, ausgehend von der Thematik der Erinnerung, der Erschaffung eines Denkmals als Souvenir an eine Person, handelt es sich bei „W.“ um eine Installation, die sich in sich selbst zitiert. Eine Serie an 28 Fotografien sind hier performativ angelegt. Als Setting dienen die Möbel des ehemaligen Boudoirs von Frau „W.“ sowie die dazugehörigen Vorhangstoffe. In Folge der Serie wird jeweils eines der Kleidungsstücke aus der textilen Hinterlassenschaft der Frau an- und ausgezogen. Die abgelegten Kleidungsstücke verbleiben im Setting liegen, somit entsteht eine sichtbare Zeitlinie. Auch verändert sich damit die visuelle Wahrnehmung des Raumes zusehends. Kees: „Die eigentliche Installation 'W.' besteht aus den tatsächlichen Möbelstücke des Boudoirs sowie Vorhangstoffen und in ihrem Zentrum ein Leuchtkasten, der eine digitale, zusammengefügte Collage dieser fotografischen Serie zeigt.“

 

Bei Cornelia Hefel wiederum, um ein weiteres Beispiel anzuführen, wurden zwei fotografische Diptychen nachgekauft, um ihre Präsenz in der Sammlung zu ergänzen. Zum einen die Arbeit „Boys und Girls“, bei der sich Hefel konzeptionell mit Fragen zu Identität und Rollenbildern auseinandersetzt. Zum anderen „Gold 1 und 2“, deren Motiv man zunächst mit „Schwarzem Gold“ assoziiert, in Wirklichkeit aber „Weißes Gold“, also Wasser gemeint ist, das immer wichtiger und damit dereinst wertvoller werden könnte als Öl.


Vom Prekariat bis zu YouTube

Interessant am Vorgehen Voits und Niedermairs ist, dass sie in der ersten Hälfte 2016 überhaupt keine Ankaufe tätigten. In dieser Zeit standen nur Gespräche und Atelierbesuche auf dem Programm. In Vorarlberg, Wien und Berlin besuchten sie sage und schreibe 57 Ateliers und führten jeweils ein- bis zweistündige Gespräche mit den KünstlerInnen. Bei den in Wien lebenden und arbeitenden Kunstschaffenden waren sie im Winter zu Gast. Unter dem Eindruck teils ungeheizter Räumlichkeiten mussten sie feststellen, dass die existentielle Lebenssituation bei vielen KünstlerInnen prekär ist. Wobei das Prekariat kein Kriterium für einen Ankauf darstellen soll, wie die beiden hervorheben. Prekär sei übrigens auch die Galeriensituation in Vorarlberg, betonen sie.

 

Mit den 12 KünstlerInnen, von denen letztes Jahr Werke angekauft wurden, wurden übrigens auch zehn- bis fünfzehnminütige Interviews gemacht. Die Videoaufzeichnungen davon sollen alle auf YouTube veröffentlicht werden.
In der Präsentation der Werke im Bludenzer allerArt sehen Voit und Niedermair eine gute Möglichkeit, eine öffentliche Diskussion über die Ankäufe anzuregen und vor allem Transparenz in die Ankaufspolitik zu bringen. Diese Transparenz soll auch künftig durch regelmäßige Werkschauen und Gesprächsformate erhalten bleiben. Ob die angekauften Werke auch in Zukunft in Bludenz oder anderen Einrichtungen gezeigt werden, ist noch nicht abgeklärt.

 

Für Andrea Fink jedenfalls, Programmchefin von allerArt, eröffnen sich mit den präsentierten Ankäufen den Besuchern "vernetzte Sinneswelten in Malerei, Ton, Objekt und Videoanimationen, die, jede für sich, ein ganz eigenes Spektrum der Anschauung offenbaren".

 

Kunstankäufe Land Vorarlberg 2016
Albert Allgaier, Wolfgang Bender, Gabriele Bösch, Veronika Dirnhofer, Katharina Fink, Cornelia Hefel, Eva Kees, Hubert Lampert, Claudia Larcher, Philipp Leissing, Karl Salzmann, Veronika Schubert

Galerie allerArt in der Remise Bludenz
Bis 11.6.
Mi-Sa, So u. Fe 15-18
www.allerart-bludenz.at