2025 ist der erste Festspielsommer in Bregenz unter der Leitung von Intendantin Lilli Paasikivi (Foto: Anja Köhler)
Karlheinz Pichler · 25. Apr 2017 · Ausstellung

Das wahre Kapital steckt in der Kreativität - "Who Pays?" im Kunstmuseum Liechtenstein

Ausgehend von der legendären Beuys'schen Gleichung „Kunst = Kapital“ versucht die aktuelle Ausstellung „Who Pays?“ im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz anhand von 16 Statements den sich verändernden Geld- und Kapitalvorstellungen und einem damit einhergehenden Wandel von Bedeutungen und Werten auf den Grund zu gehen.

Der deutsche Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner und Theoretiker Joseph Beuys (1921-1986) entwickelte in seinem Vortrag „Was aber ist KAPITAL?“ bei den „Bitburger Gesprächen“ Anfang 1978 ein eigenes System der Wirtschaftswerte. Darin nimmt die Kunst als das wahre Kapital menschlicher Fähigkeiten eine zentrale Rolle ein. Vermögen ist nach der Auffassung von Beuys nicht nur das Geld auf dem Konto, sondern auch das Vermögen zu singen, zu tanzen oder jemandem anderen gegenüber hilfreich zu sein. Es geht also darum, den Kapitalbegriff in dem, was wir kreativ zu tun imstande sind, viel weiter zu sehen. Die Formel „Kunst=Kapital“, die er 1979 auf einen Zehnmarkschein schrieb und signierte, war denn auch durchaus wörtlich zu nehmen, da Beuys die Kreativität und die schöpferische Energie des Einzelnen als eigentliches Kapital und Potential einer Gesellschaft bezeichnete. Diese Gleichung liefert denn auch das Stichwort für die Werke, die das Kunstmuseum Liechtenstein aktuell zur Schau stellt.

 

Tauschkäfig

Wie die Nutzbarmachung der Kreativität aussehen kann, wird im ersten Raum des Obergeschosses gleich anhand der Arbeit „Who pays?“ ersichtlich, die einem in leuchtenden Buchstaben von der weißen Wand entgegenstrahlt. Das aus Leuchtstoffröhren und Metallrahmen bestehende Werk, das der Ausstellung auch den Namen gegeben hat, stammt vom Künstlerkollektiv Relax (Marie-Antoinette Chiarenza, Daniel Hausner & Co). Im Schaffen von Relax steht das kooperative Miteinander sowie Fragen wie „Wer zahlt mit?“, „Wer handelt mit?“ oder „Was ist Wohlstand?“. Eine weitere Arbeit der Gruppe heißt denn auch „What is wealth?“ (2010/2017). Ausgangspunkt für diese raumfüllende Installation ist ein Tauschkäfig, der mit Stühlen, Tischen, Schachteln, Video- und Medienmaterialien, Laptop, Publikationen, Abdecktüchern, Werken aus der Sammlung des Kunstmuseums und vielen anderen Objekten angereichert ist. Nur wer einen persönlichen Gegenstand auf einem blauen Sockel davor hinterlässt, wird vom Aufsichtspersonal in den Käfig eingelassen, um die Gegenstände und Kunstwerke zu besichtigen. Dem Besucher wird auf diese Art das eigene Verhalten innerhalb von kunst- und gesellschaftsimmanenten Strukturen widergespiegelt, das hier um die Begriffspaare Wertvorstellung/Wertzuschreibung und Induktion/Destinktion (Einschluss/Ausschluss) kreist.

 

Eine entlarvende Arbeit hat vor fast 30 Jahren der kubanische Künstler Felix Gonzalez Torres in den USA gefertigt. Auf einem großen Bogen Papier steht eine kurze Meldung über das von Trump Enterprise als 8. Weltwunder angekündigte Casino „Trump Taj Mahal“ in Atlantic City. Torres beschreibt, wie die Spieler an die Tür des eine Milliarde Dollar teuren Gebäudes trommeln, damit sie endlich reingelassen würden. Mittlerweile ist das Casino längst Pleite gegangen. Auf der Rückseite des Blattes, das in einer Endlos-Auflage kopiert wurde und für die Besucher zum Mitnehmen gedacht ist, weist der Künstler darauf hin, wie kleine Korruptionen Politiker den Kopf kosten, während die großen Korruptionen von den Menschen gar nicht verstanden werden.

 

Einen anschaulichen Beitrag zur Entwicklung des Geldwertes stammt von Marcel Broodthaers, der einen ein Kilo schweren Goldbarren mit seinem eigenen Stempel auf das Doppelte seines damaligen Wertes taxierte. Während sich zur Entstehungszeit des Kunstwerkes das Interesse daran in Grenzen hielt, ist der Wert des Goldbarrens von Broodthaers heute um ein Vielfaches höher als der Realwert an der Börse.

 

Archiv für Soziale Plastik

 

Neben vielen weiteren Arbeiten, in denen die Kunstschaffenden zum Ausdruck bringen, dass für sie das klassische System des Kapitalismus längst zum Auslaufmodell geworden ist, kommt im Rahmen von „Who Pays?“ auch eine vielfältige Zuammenarbeit mit anderen Institutionen zum Ausdruck. So sind aus Vorarlberger Sicht das Dialogprojekt Arbogast und der Talentetauschkreis mit an Bord.

Das „Artsprogram der Zeppelin-Univesität“ (Friedrichshafen) wiederum kuratiert in einem Beuys gewidmeten Raum das „Archiv für Soziale Plastik“. Hintergrund dazu ist, dass sich anfangs der 1970er-Jahre in Achberg bei Allgäu eine Künstlergruppe zusammenfand, um unter dem Begriff „Der Dritte Weg“ nach alternativen Gesellschaftsmodellen zu suchen. Die dort entwickelten gesellschaftlichen Impulse sind bis heute wirksam, und dabei erarbeitete Beuys sein Konzept des erweiterten Kunstbegriffs. Der deutsche Verleger Rainer Rappmann hat die Materialien gesammelt und dokumentiert in diesem wichtigen Archiv die Aufbruchstimmung der 1970er- und 1980er-Jahre. Für die Ausstellung in Vaduz untersuchte der Künstler Christof Salzmann die historische Sammlung im Hinblick auf den Geld- und Kapitalismusbegriff bei Beuys.


Aktionsraum für soziale Interaktionen

 

Im Seitenlichtsaal des Erdgeschosses hat die Zukunftswerkstatt Liechtenstein einen Aktionsraum eingerichtet, in dem ökonomische Abläufe abseits des Geldes thematisiert werden. Hier können Gegenstände getauscht, ausgeliehen oder verschenkt werden, und man kann Ideen präsentieren und gemeinsam arbeiten. Hier befindet sich auch der Wanderkiosk des Architekten Martin Mackowitz, der bereits beim letzten Walser Herbst im Einsatz war. Das Kaufen ist hier zweitrangig. Kommunikation und Interaktion stehen hier im Vordergrund. Skurrile Dinge, mit denen man Geschichten verbinden kann, zum Beispiel Seidenstrümpfe, Seelenseife oder Backformen für Muffins sollen zu Gesprächen verleiten.

 

 

Who Pays?
Bis 21.5.
Kirchner, Léger, Scully & mehr
Bis 8.10.
Kunstmuseum Liechtenstein

Di-So 10-17, Do 10-20
www.kunstmuseum.li