Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Dagmar Ullmann-Bautz · 16. Jän 2016 · Theater

Mut und Verzweiflung - „Medusas Floss“ von Petra Maria Kraxner am Landestheater

Ein junger Afrikaner hat die Flucht nach Europa im Fahrwerkschacht eines Flugzeuges gewagt und wundersamerweise überlebt. Diese wahre Begebenheit war Beweggrund für den Stückauftrag, den Intendant Alexander Kubelka vor gut 18 Monaten vergeben hat. Mit Unterstützung des Thomas Sessler Verlags konnte er die österreichische Autorin Petra Maria Kraxner dafür gewinnen. Kraxner, 1982 in Zams geboren, lebt und arbeitet in Berlin und hat in den letzten Jahren immer wieder mit ihren Stücken beeindruckt. Auch mit „Medusas Floss“ beweist sie großes Talent, Ideenreichtum und Kreativität in der dramatischen Gestaltung eines Themas und in der Zeichnung von Figuren. Inszeniert von der deutschen Regisseurin Alice Asper und in der Ausstattung von Nora Brügel ging gestern Abend sowohl Premiere als auch Uraufführung des Stückes am Vorarlberger Landestheater über die Bühne.

Interessante Verknüpfung


Zwei junge afrikanische Männer, Solomon und Tayo, träumen von einem besseren Leben in Europa. Der eine will sparen, um sich eine Schlepperüberfahrt leisten zu können, der andere, Solomon, hat es eilig, ist tollkühn und wagt das lebensgefährliche Abenteuer als blinder Passagier im Fahrwerkschacht eines Flugzeugs und überlebt. In Europa trifft er auf verschiedene Menschen, auf Angst, Hass und endlose, teils unverständliche Bürokratie. Als er dann freiwillig/unfreiwillig in die Heimat zurückkehrt, stellt er fest, dass er auch hier inzwischen fremd ist. Die Geschichte ist verknüpft mit der Tragödie, die der Maler Théodore Géricault in seinem Gemälde „Das Floss der Medusa“ darstellt. Die französische Fregatte Medusa erlitt auf der Fahrt in die französische Kolonie Senegal Schiffbruch. 150 der 400 Schiffbrüchigen fanden keinen Platz in den Rettungsbooten und trieben tagelang auf einem Floss in stürmischer See, schlussendlich überlebten nur wenige. Eine schöne, aber für den Großteil des Publikums wahrscheinlich nicht erkennbare Verknüpfung ist die Namensgleichheit des Leiters des Erstaufnahmezentrums und des an Bord der Medusa mitfahrenden, neuen Gouverneurs des Senegal - nämlich Schmaltz.

Großartiger Hauptdarsteller


Die Flüchtlingssituation hat sich in den letzten 12 Monaten drastisch verschärft, ein Umstand, der bei der Bühnenadaption des Textes von Petra Maria Kraxner sicher zu Diskussionen geführt hat. Dass am Ende dann eine so drastisch gerodete Fassung mit einem abrupten, nicht auserzähltem Ende zur Aufführung kommt, ist nicht ganz nachvollziehbar. Trotzdem berührt der Abend, was in erster Linie dem großartigen Hauptdarsteller Toks Körner zu verdanken ist. Seine so lebensfrohe, lebendige, leichtfüßige, bisweilen auch naive und tieftraurige Darstellung des jungen Solomon ist neben aller Dramatik ein Erlebnis. Aber auch alle anderen Ensemblemitglieder leisten Großes. Markus Subramaniam, als Tayo und als Musiker, brilliert mit toller Ausstrahlung und Können. Kyra Lippler und Laura Louisa Garde überzeugen in jeder der von ihnen gespielten Rollen. Ebenso Marcus Widmann und Boris Popovic, der besonders als Asylantragssteller bewegt.

Klare Formensprache


Alice Asper hat die Figuren wirkungsvoll geführt und auch darauf geachtet, dass die tragische Geschichte von Zeit zu Zeit ein wenig Schmunzeln und Lachen zulässt, ja provoziert. Dies tut einfach gut, auch wenn die Pointen bisweilen ein wenig zu platt gesetzt sind. Die Ausstattung von Nora Brügel besticht mit einer einfachen und klaren Formensprache.

Der begeisterte Schlussapplaus galt insbesondere den Darstellern, allen voran Toks Körner.

Weitere Aufführungen: 21/01, 12/02, 16/02, 13/03, 19/03, 23/03
Stückeinführungen: 21/01, 16/02, 18.45 Uhr
www.landestheater.org