Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 07. Nov 2016 · Musik

Eine CD-Box als Geburtstagsgeschenk

Im Rahmen von „Texte und Töne“ wurde im ORF Funkhaus das 20-jährige Bestehen des „ensemble plus“ ausgiebig gefeiert. Im Mittelpunkt stand die Präsentation einer dreiteiligen CD-Box mit einer repräsentativen Werkauswahl, die das breitgefächerte Wirken der Ensemblemusikerinnen und –musiker rund um den Bratschisten Andreas Ticozzi aufzeigt. Der schön aufbereitete Tonträger versammelt Aufnahmen von Komponisten, die die Ensemblegeschichte der vergangenen beiden Jahrzehnte geprägt haben.

Bettina Barnay ist eng mit dem „ensemble plus“ verbunden. Zahlreiche gemeinsame Projekte realisierte sie als Moderatorin und ORF-Aufnahmeleiterin in den vergangenen Jahren gemeinsam mit den Ensemblemitgliedern. Bei der Werkauswahl konnte Andreas Ticozzi auf einen großen Fundus an Kompositionen, die alle in hoher Qualität von Christoph Maria Holzer und Stefan Höfel produziert wurden, zurückgreifen. Die meisten der versammelten Werke von Gerold Amann, Richard Dünser, Peter Engl, Gerald Futscher, Peter Herbert, Wolfgang W. Lindner, Thomas Thurnher, Murat Üstün und Johannes Wohlgenannt Zincke – um nur die Vorarlberger Komponisten zu nennen – sind im Auftrag des „ensemble plus“ entstanden und den Musikerinnen und Musikern teilweise sogar auf den Leib geschrieben. Das Einverständnis zwischen den Komponisten und den Ensemblemitgliedern ist beim Hören der Werke spürbar.

In ihrer Laudatio betonte Bettina Barnay die freundschaftliche und familiäre Atmosphäre der Ensemblemitglieder untereinander und im Zusammenwirken mit dem ORF. Sie verwies mit Humor auf die Hartnäckigkeit des Ensembleleiters Andreas Ticozzi, der über die Jahrzehnte hinweg mit bewundernswertem Engagement agierte, obwohl er mit ständiger Geldknappheit zu kämpfen hatte. Im Auge hatte er dabei auch die Weitergabe des Feuers an junge Musikerinnen und Musiker, die den Geist der zeitgenössischen Musik für sich entdeckt haben und sich mit viel Elan in den Dienst des aktuellen musikalischen Schaffens stellten.
Freilich ist für einen anregenden künstlerischen Austausch auch die Sicht über den Tellerrand und über die Landesgrenzen hinaus wichtig und wertvoll. Künstlerfreundschaften mit FMP Huber und Wladimir Rossinskij, Rudi Spring und anderen Komponisten zeugen davon.
Der Erfolg des diesjährigen Festivals "texte und töne" belohnte die Mühe, Ausdauer und das Engagement von Andreas Ticozzi, Bettina Barnay und Jasmin Ölz. Für die nächste Zeit soll er Ansporn sein, auf zu neuen Ufern in die kommenden zwanzig Jahre.

CD-Tipp

20 Jahre Ensemble plus. Aufnahmen im ORF Vorarlberg, 2016.

zu beziehen:
ORF Funkhaus Dornbirn, 6850 Dornbirn.

 

Kreativ und vielseitig über zwei Jahrzehnte hinweg – Zur Geschichte des ensemble plus

Vor zwanzig Jahren fanden rund um das Musikerpaar Martha Kneringer und Andreas Ticozzi engagierte Mitglieder des Symphonieorchesters Vorarlberg mit dem Ansinnen zusammen, neuen Kompositionen sowie Raritäten des 20. Jahrhunderts ein Podium zu bieten. „Wir wollen die Kreativität und Schaffensbreite jedes Musikers ausschöpfen und flexibel auf verschiedenste Bedürfnisse eingehen“, erklärte Andreas Ticozzi die Intentionen, die sich auch im Namen „ensemble plus“ widerspiegeln. Je nach Werkauswahl wird in unterschiedlichen Besetzungen musiziert. Gerne agieren die Musikerinnen und Musiker auch über Genregrenzen hinweg. So waren und sind beispielsweise Kooperationen mit Jazzmusikern eine willkommene Abwechslung für die weitgehend klassisch ausgebildeten Ensemblemitglieder.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die musikalische Landschaft des Landes verändert. Während Ende der 1990er Jahre mehrere Ensembles den Fokus auch auf das zeitgenössische Musikschaffen in Vorarlberg richteten, sind mittlerweile die Interessen anders gelagert. Eine Konstante inmitten dieses Veränderungsprozesses stellt das "ensemble plus" dar.

Actionreicher Beginn

Einen fulminanten Start legte das "ensemble plus" mit den „sul palco“-Konzerten hin. Auf der Bühne des Kornmarkttheaters wurden spartenübergreifende Programme präsentiert, die ältere und neue sowie bekannte und unbekannte Werke zueinander in Beziehung setzten. Ergänzend dazu traten Schauspieler und Bildende Künstler mit dem Ensemble auf. Als besonderes Highlight erinnert sich Martha Kneringer beispielsweise an den Auftritt von Kurt Sternik, der in der Rolle des Max Bruch mitwirkte. Beachtung fand auch der Auftritt von Gottfried Bechtold bei der Uraufführung des Werkes „Die Walrus“ von Gerald Futscher.

Engagements im In- und Ausland

Die wechselvolle Wirkgeschichte mit zahlreichen Stationen auf der Suche nach geeigneten Aufführungsorten für die eigene Konzertreihe in Bregenz - ausgehend von der Bühne im Kornmarkttheater über den Hypo Landtagssaal, das Shed8 sowie das Foyer des Landestheaters bis hin zur Blackbox in der Probebühne - verliehen den einzelnen Konzertereignissen eine jeweils eigene Atmosphäre. Seit dem Jahr 2013 bietet das vorarlberg museum einen fixen Aufführungsort.

Gastkonzerte auf allen bedeutenden Bühnen und bei Festivals des Landes sowie bei der Styriarte und im Wiener Museumsquartier weiteten über die Zeit hinweg den Aktionsradius des Ensembles. Im Rahmen der Bregenzer Festspiele wurden Werke von Peter Herbert und Hannes Löschel zur Uraufführung gebracht. Weiters spielte das Ensemble unter der Leitung vor Caspar de Roo die Musik zur Oper „Paradiesseits“ von Gerald Futscher, die beim Bregenzer Frühling 2009 präsentiert wurde. Darüber hinaus führten Auslandskonzertreisen die Musikerinnen und Musiker nach Spanien, in die Ukraine sowie nach Russland.

Im Wandel der Zeit

Mindestens siebzig Musikerinnen und Musiker haben bei den unterschiedlichsten Projekten mitgewirkt. Inzwischen hat rund um den Ensembleleiter und Bratschisten eine Art „Generationswechsel“ stattgefunden, weil immer wieder junge Kolleginnen und Kollegen zur Zusammenarbeit eingeladen werden. Auch die inhaltlichen Prioritäten haben sich im Laufe der Jahre verändert. „Ein großer Unterschied zu den Anfangsjahren besteht darin, dass wir damals etablierte Komponisten gespielt haben. Diesen Werken haben wir immer etwas Neues gegenübergestellt“, erinnert sich Andreas Ticozzi. „Nun präsentieren wir hauptsächlich Musik des 20. und 21. Jahrhunderts.“

Eine wirkungsvolle Zusammenarbeit

Einen großen Stellenwert nimmt die Zusammenarbeit mit Vorarlberger Komponisten ein. Um den Konzertbesucherinnen und -besuchern die Gelegenheit zu geben, mehr über die Musikschaffenden und ihre neuen Werke zu erfahren und miteinander in einen Dialog zu treten, wurden und werden die Konzerte moderiert. "Wir wollen nicht die Musik erklären, aber es sollen auch Momente im Programm sein, wo nach Möglichkeit ein Komponist sich selbst und sein Werk vorstellt“, erläutert Andreas Ticozzi seine Überlegungen. Besonders die von der ORF-Musikredakteurin Bettina Barnay moderierten Gesprächskonzerte haben eine positive Resonanz erfahren. Bald entwickelte sich eine Kooperation mit dem ORF-Landesstudio und weitreichende Projekte konnten realisiert werden. Neben der Reihe „Neue Musik im Gespräch“ wurde zu zwei „Langen Nächten der zeitgenössischen Musik“ geladen. Die jeweils vierstündigen Konzerte waren via Ö1 live mitzuerleben.

Der Aufführungsort im ORF-Funkhaus in Dornbirn bietet die Gelegenheit, neue Kompositionen als Livemitschnitte aufzuzeichnen. Zahlreiche Aufnahmen, die auf diesem Tonträgern erscheinen, sind bei Konzerten im ORF-Funkhaus entstanden, wo Christoph Maria Holzer und Stefan Höfel als Aufnahmeleiter eine qualitätvolle Arbeit leisten.

Texte und Töne

Die erfolgreiche Zusammenarbeit führte schließlich zu einem weiteren bedeutenden Markstein in der Wirkungsgeschichte des "ensemble plus". Im Jahr 2013 konnte auf Initiative von Bettina Barnay und Andreas Ticozzi das von Walter Fink und Fritz Jurmann Ende der 1990er Jahre initiierte Festival „Texte und Töne“ revitalisiert werden. „Die gemeinsame Planung und Verwirklichung des Festivals zusammen mit dem Vorarlberger Autorenverband, dem Symphonieorchester Vorarlberg und dem ORF als Gastgeber ist im Konzertbetrieb des Ensembles etwas Besonderes und sehr wichtig“, betont Andreas Ticozzi.

Langjährige Freundschaften

Die Unterstützung der Kulturabteilung des Landes Vorarlberg ermöglicht die Vergabe von zahlreichen Kompositionsaufträgen. Etwa fünfundsiebzig neue Werke sind in den vergangenen Jahren entstanden und konnten zur Uraufführung gebracht werden. Wichtig sind dem "ensemble plus" auch mehrjährige Beziehungen zu Komponisten. Manche Künstlerfreundschaften prägten die Ensemblegeschichte wesentlich. Gerald Futscher schrieb bereits zahlreiche neue Auftragswerke. Über einige Jahre hinweg gab es einen regen künstlerischen Austausch mit dem Komponisten und Pianisten Rudi Spring. Eine enge Verbindung besteht auch zu Richard Dünser, der unter anderem dem Klarinettisten Martin Schelling das Werk „Canti notturni“ auf den Leib geschrieben hat. Von Johannes Wohlgenannt Zincke wurden einige Kompositionen aufgeführt. Mit ihm gibt es überdies einen künstlerischen Austausch zu seiner Veranstaltungsreihe „recreate“ in Niederösterreich. Auch mit Wladimir Rosinskji arbeitet das Ensemble bereits über Jahre hinweg zusammen.

Tonträger und soziales Engagement

Sieben sehr unterschiedliche CD-Publikationen – sie reichen von Theatermusik über Billie Holliday-Songs, wieder entdeckten Kantaten von Johann Jakob Ammann aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu Jazz Crossover - illustrieren die vielseitigen Tätigkeitsbereiche des ensemble plus.

Auch ein kultursoziales Engagement ist den Ensemblemitgliedern wichtig. Seit der Gründung spielen die Musikerinnen und Musiker im Auftrag der Münchner „Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation“ unter dem Leitgedanken „Musik am Nachmittag“ für Bewohnerinnen und Bewohner in Alters- und Pflegeheimen sowie Sozialzentren.