Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Karlheinz Pichler · 24. Mär 2012 · Ausstellung

Die unverrückbare Ordnung des Steins im Gegensatz zur irrationalen Ordnung des Kapitalismus

Im Rahmen der Austauschserie der Remise Bludenz sind gegenwärtig drei Kunstschaffende aus dem oberösterreichischen Mühlviertel zu Gast: die Steinbildhauerin Gabriele Berger, der „notorische“ Kopfzeichner Wolfgang Hemelmayer und der malende Chronist Martin Staufner.

Zentraler Blickfang der Ausstellung ist eine Installation von Gabriele Berger, die 140 Einkaufspapiertaschen in der Form eines großen Unendlichkeitszeichens am Boden des Kunstraums aneinandergereiht hat. Die Taschen sind jeweils mit unterschiedlich großen Granitbrocken gefüllt. Berger, die im Mühlviertel nahe der tschechischen Grenze gemeinsam mit dem Bizauer Künstler Herbert Meusburger über einen eigenen Granitsteinbruch verfügt, hat dafür 14 Granitfelsen in 14 x 28 cm große Quader fräsen lassen und diese wiederum geteilt und wieder geteilt.

Stein als begreifbare Unendlichkeit

Nach Ansicht von Berger, die zu den wichtigsten SteinbildhauerInnen Österreichs zählt, verbinden wir mit dem Material Stein Begriffe wie Festigkeit, Masse, Natur und Unendlichkeit. Berger stellt mit ihrer beeindruckenden Formation die unverrückbare Ordnung des Granits in Kontrast zur Scheinordnung des Kapitals, des Kommerzes und des Konsumrausches, für die die Einkaufstaschen stehen. „Stein ist Teil des Kosmos, Stein ist Teil des Jetzt, Stein ist begreifbare Unendlichkeit“, erläutert Berger die skulpturale Doppelschleife in der Remise. Dementsprechend benennt sie diese monumentale Arbeit als „Geteilte Steine die Teil von Berg der Teil von Landschaft die Teil von Welt die Teil des Universums geteilt in Welten geteilt in Landschaften geteilt in Berg geteilt in geteilte Steine die Teil von ...“. Dieser Text ergibt sich nämlich, wenn man die einzelnen Buchstaben, die jeweils auf eine Tasche aufgedruckt sind, im Kontext liest. Analog zum Endloszeichen, das die skulpturale Anordnung formal beschreibt, mündet auch dieser Text ebenfalls in einen Endlosloop. Wer sich übrigens am „Konsumrausch“ beteiligen will, hat die Möglichkeit, einzelne, mit Granit gefüllte Papiereinkaufstaschen, die im Gang der Remise stehen, als „Take away a piece of eternity“ zum Preis von 22 Euro mit nach Hause zu nehmen.

... und nichts als Köpfe

Dass nicht nur Steine eine archaische Ausstrahlung haben können, sondern auch Zeichnungen, beweist der 1956 in Linz geborene Künstler Wolfgang Hemelmayer. Seinen Kopf- und Kopfgruppen-Studien mutet etwas Erhabenes an. Seine dick aufgetragenen, sich mehrfach überlappenden Graphit-Striche verleihen den gezeichneten Köpfen eine enorme Plastizität und fast skulpturale Wirkung. Der Kopf dient ihm als formales Gerüst, zeichnerische Prozesse manifest festzuhalten. Es gilt, einmal erreichte Zustände zu fixieren, zu behalten – und auch Schönheit, Authentizität und Wahrhaftigkeit anzustreben, wie der Künstler betont.

„Ich kann der Figur nicht ausweichen“, erklärt Hemelmayer seine Fixiertheit auf Kopf und Körper. Wobei in der Umsetzung die Radierung zumindest gleichwertig neben der Zeichnung steht. Ja, Hemelmayr sieht in der Radierung sogar eine Steigerung der zeichnerischen Möglichkeiten, da es möglich sei, in jedem Stadium einen Zustandsdruck anzufertigen. So ließen sich die einzelnen Entwicklungsstufen im Werdegang einer Zeichnung exakt nachvollziehen.

Malend und verschriftend protokollieren

Der dritte Künstler des Bruckmühle-Gastspieles, Martin Staufner, wurde 1964 in Immenstadt/Allgäu geboren und lebt und arbeitet seit 1968 in Oberösterreich. Staufner ist eine Art Archäologe und Archivar des Alltags. Einer, der malend, zeichnend und textend die geografischen und inneren Reisen protokolliert. Was er in seiner Umgebung und auf seinen Reisen wahrnimmt, zeichnet er mit seinen künstlerischen Mitteln auf und transformiert es mit den technischen Reservoirs, die ihm Collage, Malerei und Zeichnung zur Hand reichen, vielschichtig und zeichenversetzt in den Kunstbereich.

In Bludenz zeigt er etwa Teile seiner Serie „Poetry in Motion“. Es handelt sich dabei um bildhafte Eindrücke, die er auf U-Bahnfahrten durch Wien, New York oder Paris gesammelt und künstlerisch verarbeitet hat. Fragmente dieser Reiseeindrücke setzt er sich überlappend ins Bild und verwendet dafür Acryl, Bleistift, Farbstift, Fotokopien und Collagen. Und stets sind Texte bekannter Autoren, die einen bestimmten Bezug zur jeweiligen Stadt haben, wie etwa Rilke, Rimbaud oder Walt Whitman, in die Collagen mit eingeflochten.

Auch sein 30-teiliges Paliano-Tagebuch ist zu sehen. Staufner verbrachte 2009 etliche Wochen in jenem Atelierhaus in Paliano, das sich Kunstschaffende aus Oberösterreich und Vorarlberg teilen. Staufner hat während dieses Aufenthaltes die Seiten eines italienischen Buches, das er in einer dortigen Buchhandlung erstanden hat, mit täglichen Eindrücken übermalt und überzeichnet. Dinge des Alltags wie etwa eine Espresso-Maschine oder anmachende Früchte fanden genauso Eingang in sein persönlich-künstlerisches Tagebuch wie Sinneseindrücke, die aus dem Azur des italienischen Himmels oder der sanften hügeligen Landschaft Latiums resultieren.

Bruckmühler Pregarten zu Gast in der Galerie allerArt
Galerie allerArt in der Remise Bludenz
Bis 9. April 2012
Mi, Fr, Sa, So u. Fe 15-18, Do 16-20
www.allerart-bludenz.at