Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Dagmar Ullmann-Bautz · 22. Okt 2023 · Tanz

Von Welten und Atemzügen

Ein begeisternder Tanzabend in der Kammgarn in Hard

In der einladenden Atmosphäre der Kulturwerkstatt Kammgarn erlebte ein tanzinteressiertes Publikum sowohl das Ende als auch den Anfang einer bemerkenswerten Reise. „In Shared Spaces“, ein atemberaubendes Tanzexperiment, das den Atlantik überbrückt und zwei Kontinente miteinander verbindet, begeisterte bereits im letzten Frühjahr im Theater Kosmos und war anschließend auch in Dornbirn und Bludenz zu bewundern. Gestern feierte das Projekt mit einer bejubelten Aufführung in Hard seine Derniere. Die Premiere der anschließenden Tanzperformance „Just Breathe: Atem“ begeisterte und berührte die Herzen des Publikums als Hommage an das Leben und die Liebe.

Per ZOOM in Buenos Aires

„In Shared Spaces“ bildet den zweiten Teil einer Tango-Tanz-Trilogie, die von den Choreografinnen und Tänzerinnen Claudia Grava in Vorarlberg, Veronica Litvak und Liliana Tasso in Buenos Aires erdacht, geprobt und aufgeführt wurde. Fand der erste Teil noch während der Corona-Pandemie online statt, wobei jede Tänzerin isoliert in ihrem eigenen Raum agierte und die Zuschauer:innen in ihren Wohnzimmern verharrten, nutzte der zweite Teil zwar ebenfalls das Internet und ZOOM, wurde jedoch vor einem begeisterten Publikum in diversen Theaterräumen dargeboten. Gleichzeitig waren die Aufführungen in Buenos Aires und Vorarlberg live über ZOOM miteinander verbunden.

Tangomusik vom Feinsten

Es war faszinierend zu erleben, wie wunderbar die Interaktion zwischen den großartigen Tänzerinnen und den wunderbaren Musiker:innen funktionierte. In Hard tanzte Claudia Grava, in Buenos Aires Veronica Litvak und Liliana Tasso. Während in Hard die Cellistin Yenisey Rodriguez spielte, übernahm Daniel Vacs, der auch die Musik für das Stück komponierte, das Bandoneon und das Klavier in Buenos Aires.

Klischeefreies Plädoyer für die Weiblichkeit

Claudia Grava, geboren in Buenos Aires, lebt und arbeitet seit 20 Jahren als Tänzerin und Choreografin in Vorarlberg. Sie hat sich sowohl dem klassischen argentinischen Tango als auch dem zeitgenössischen Tanz verschrieben. Mit den beiden in Buenos Aires ansässigen Tänzerinnen Veronica Litvak und Liliana Tasso verbindet sie eine langjährige Freundschaft und künstlerische Partnerschaft.
„In Shared Spaces“ zeigt auf anspruchs- und humorvolle Weise eine spannende Auseinandersetzung mit der Rolle der Frau im Tango, ist dabei ein zutiefst berührendes, klischeefreies Plädoyer für die Weiblichkeit und eine großartige, choreographische wie tänzerische Leistung. Grava, Litvak und Tasso spielen sich mit einzelnen Elementen des Tangos, zerlegen sie fast chirurgisch und konzentrieren den Blick auf zum Teil kleinste Bewegungen und Körperpartien, so lustvoll wie heiter.

Fünf Meister:innen

Die Musik von Daniel Vacs geht unter die Haut, reißt mit, spielt sich aber niemals in den Vordergrund und wird von ihm selbst und der wunderbaren Yenisey Rodriguez, einzeln sowie im Zusammenspiel eindrucksvoll dargeboten. Hier agieren fünf Meister:innen ihres Fachs, was das Publikum auch mit anhaltendem Applaus honorierte. Man darf schon sehr neugierig sein, was den Künstler:innen für den dritten Teil dieser Trilogie einfallen wird. 

Beglückende Premiere

Der zweite Teil des gestrigen Abends war gleichermaßen beglückend. „Just Breathe: Atem“, ein Projekt von Carolina Fink, Martin Birnbaumer und Aja Zischg, überzeugte auf allen Ebenen. Der Weg vom ersten Atemzug bis zum letzten wird in dynamischen, leidenschaftlichen, zarten und humorvollen Bildern gezeichnet. Carolina Fink und Martin Birnbaumer tanzen mit Kraft und Perfektion ihre eigene äußerst beeindruckende Choreografie, ausdrucksstark sowohl in den Solos als auch im wunderbar fließenden Zusammenspiel.

Voll kreativer Ideen

Die Musikerin und Sängerin Aja Zischg, die dritte im Bunde, bietet den beiden Tänzer:innen die perfekte Begleitung. Sie tönt, atmet und singt auf höchstem Niveau, voller kreativer Ideen. Gemeinsam bilden sie eine beeindruckende Einheit. Mal sind es Fink und Birnbaumer, die den Impuls geben, dann wiederum trägt die Stimme von Zischg die beiden Tänzer:innen durch den Raum.
Beide Stücke wurden von Arndt Rössler auf einfühlsame Weise beleuchtet. Das Publikum bedankte sich mit begeistertem Applaus bei den Künstler:innen und man darf sich auch hier auf eine Fortsetzung beziehungsweise eine Erweiterung freuen.

www.kammgarn.at