Von der farbigen Leichtigkeit bis zum skulpturalen Päng
Ein Kunsthappening zur Sonnwende im Dornbirner Fischbachareal
Zahlreiche Besucher lockte das Kunsthappening an, das am Samstagabend zur Sonnwende von 17.00 bis 22.00 Uhr im Dornbirner Fischbachareal über die Bühne ging. Untermalt von einem musikalischen Klangmix, den DJ Vinyl zubereitet hatte, konnte man in der von Philip Steinbrugger und Ralf Isele organisierten und kuratierten Schau rund 180 Kunstwerke bestaunen.
Der Titel der Ausstellung, „D.A.S.S.28H“, leitete sich aus der Location ab: Doktor-Anton-Schneider-Straße 28, Halle H. Hier betreibt Philip Steinbrugger üblicherweise seine exklusive Kaffee-Rösterei Röst Werk. Für fünf Stunden nun aber standen die weitläufigen Räume und langen Gänge zur Verfügung, um nicht gerade alltägliche Kunst zu präsentieren und aber auch, um „das Gebäude und das vielfältige Treiben im Gewerbeareal am Fischbach in Szene zu setzen“, wie Steinbrugger betont. Nicht nur akademische, sondern vor allem „bodenständige Kunst von unkomplizierten Künstlern“ niederschwellig zur Schau zu stellen, lautete die Devise von Steinbrugger und Isele.
Monumentales Wandbild
Näherte man sich der Halle H an, so fiel einem bereits von weitem eine monumentale Wandzeichnung in den Blick. Geschaffen hat sie Fabian Hämmerle, der eigentlich als Graffiti-Künstler bekannt ist und bereits für Konzerne wie Red Bull, Rauch oder auch für die inatura gearbeitet hat und in Workshops das Arbeiten mit gesprühter Farbe vermittelt. Das Wandbild mutet märchenhaft an. Es zeigt zwei Kinder in langen Gewändern, mit Kronen und Augenmaske, die sich in Socken und mit einer Öllampe durch eine karge Landschaft mit Rohrkolbenvegetation bewegen. Im Hintergrund auf einem Hügel thront ein düsteres Schloss, das aus einem Vampirfilm stammen könnte. Das imposante „Mural“ soll die auf einen einzigen Abend begrenzte Ausstellung überleben und noch über eine längere Zeit erhalten und sichtbar bleiben.
Hämmerle sieht in seiner Sprühdosentätigkeit vor allem einen „Brotjob“. Dass er aber auch das Metier der klassischen Malerei und Zeichnung, dem er in seiner Freizeit nachhängt, beherrscht, zeigten seine Werke wie etwa „Call 911“, „Woods“ und viele andere, die um das Wandbild gruppiert waren.
Im hinteren Bereich dieser Halle und am Beginn des langen Ganges waren die Arbeiten von Thomas Anton Rauch und Manuel Lunardi platziert. Von Rauch gab es Wandobjekte wie etwa die „Schürzenjägertrophäen“, mittels Collage und abstrakter Maleingriffe überarbeitete Drucke alter Meister sowie eine Reihe von Gemälden wie etwa „Stone Club“, auf dem Chybulski-Chef Micky Heinzl, „Wuff“ und Egon Fulterer porträtiert sind, oder das Antikriegsbild „Fuck u war i leave you“ zu sehen. Auf letzterem ist ein Granaten werfender Soldat und eine Verfremdung des Otto-Dix-Werkes „Die sieben Todsünden“ aus dem Jahre 1933 dargestellt. Eigentlicher Held und Hauptakteur des Bildes ist aber ein überdimensionierter Teddybär in roten Stiefeln, der gleichsam die Schranken durchbricht, um dieses Horrorszenarium in Richtung einer besseren, bunten Welt zu verlassen.
Manuel Lunardi malte über den Zeitraum eines Jahres täglich ein Bild, in dem jeweils seine aktuelle Befindlichkeit transportiert wird. Eine Auswahl präsentierte er nun im Gang der Halle H, ausserdem auch noch einen langezogenen Hodensack aus Stahl, der an einem Säbel hängt, sowie Schöpfungsgeschichte-Skulpturen wie beispielsweise „Päng!“, die darauf verweisen, dass wohl derjenige den Weltenlauf bestimmt, der am (Waffen)Drücker ist.
Fotorealistisch gemalte Papierknäuel
Der aus den Niederlanden stammende Maler Egmont Hartwig, dessen Einzelausstellung vergangenes Jahr im Forum für aktuelle Kunst in Feldkirch (KunstVorarlberg) große Beachtung fand, war mit einer ganz neuen, noch ölfrischen Serie von Gemälden in der Schau vertreten, in denen er Papierknäuel auf schwarzem Grund fotorealistisch visualisierte. Wie immer baute Hartwig auch hier Doppeldeutigkeiten ein. So evozieren diese mit großer Könnerschaft gemalten Knäuel formal auch durchaus Vorstellungen von Eisbergen, Stiefeln, holländischen Häubchen oder Friedenstauben. Und beim Nähertreten werden in den Knäueln fragile Texturen sichtbar. Es könnte sich also um weggeworfene Skizzen handeln, die es nicht bis zur Realisierung geschafft hatten. Das Bildnis einer geheimnisvollen Frau mit Messer sowie ein großformatiges Werk, das einen in mehrere Teile zerfallenen, verrosteten Roboter in einer Wüstenlandschaft zeigt, rundeten den Beitrag Hartwigs ab, der damit einen wesentlichen Teil des langgezogenen Ganges besetzte.
Hartwig gegenüber präsentierte sich die spanisch-österreichische Künstlerin und Musikerin mit kroatischen Großeltern Seven Noem, die gerade auch in der Gruppenausstellung „Frühlingserwachen“ in der Sylvia Janschek Art Gallery in Bregenz zu sehen war, unter dem Titel „Stars & Heroes“ mit Porträts berühmter Musiker:innen und Schauspieler:innen, die von der Machart her an Andy Warhols Pop-Art-Stil erinnern. Mit reduzierter, Licht und Schatten basierter Formalsprache ins Bild gesetzt waren beispielsweise Freddy Mercury, Sade, John Travolta, James Dean oder Sean Connery.
Im hinteren Gangbereich sowie in einem Seitensaal, der Rösterei, gab es einen Querschnitt neuerer Arbeiten des für surrealistische Figuren und Landschaften bekannten Tuschezeichners Michael Salvadori zu besichtigen. Seine fantasievollen schwarz-weißen Gebilde, die in der Tradition eines Salvador Dali stehen, entwickelt der Künstler in langwieriger, mühevoller Schraffur-Arbeit. Nicht umsonst wird Salvadori als „Mann der tausend Striche“ bezeichnet.
Einen weiteren Seitenraum, der ihm seit mehreren Jahren auch als Atelier dient, gestaltete der gelernte Modedesigner Michael Kopplstätter. Der Künstler, der sich seit nunmehr acht Jahren hauptberuflich der Malerei widmet, wartete unter anderem mit von Unschärfeschleiern überzogenen Personenporträts auf, sowie mit einer Serie neuer Bewegungsbilder, bei denen Balletttänzerinnen wie von allen Zwängen des Körperlichen befreit durch den Raum zu schweben scheinen.
Auch wenn so manches Gezeigte nicht gerade originär erschien, so ist die „Kunstausstellung zur Sonnwende“ durchaus als großer Erfolg für die Veranstalter zu werten. Die Lokalität ist für Kunstausstellungen ein geradezu prädestinierter Off Space. Für Initiator Philip Steinbrugger und Kurator Ralf Isele, die über zwei Monate für die Planung und Vorbereitung des Events aufgebracht hatten, war es ein gelungener Testlauf für künftige Veranstaltungen dieser Art, die hoffentlich folgen werden.