Vocale Neuburg und Oskar Egle stellten die Tragödie ergreifend dar
Euphorischer Applaus nach der Aufführung von Johnsons „Considering Matthew Shepard“
Der Kammerchor Vocale Neuburg und Oskar Egle lieben die Herausforderung und sind immer aufgeschlossen für Neues. Als der Chorleiter das Musical-Oratorium „Considering Matthew Shepard“ des amerikanischen Komponisten Craig Hella Johnson entdeckte, erkannte er sogleich das Potenzial dieses umfangreichen Werkes und die gesellschaftliche Relevanz der Komposition. Mit den Solist:innen Larissa Schwärzler, David Lins, Clemens Morgenthaler, Anjulie Hartrampf, Eva-Maria Heinzle und Anna Warzinek sowie einem Instrumentalensemble wurde das Publikum in eine dichte musikalische Collage geführt, die niemanden kalt ließ. Vom ersten bis zum letzten Ton und der abschließenden Stille wurde das Schicksal des aus purem Hass ermordeten Matthew Shepard berührend nacherzählt und dargestellt.
Die Unmittelbarkeit der wahren Geschichte, die sich Ende der 1990-er Jahre in Wyoming zugetragen und die amerikanische Gesellschaft aufgerüttelt hat, war bei der Aufführung in der Kulturbühne AmBach sogleich spürbar. „Considering Matthew Shepard“ zeigt die Geschichte der grausamen Ermordung eines homosexuellen Jugendlichen auf, der schwer verletzt in freier Natur zum Sterben an einen Zaun gefesselt wurde. Craig Hella Johnson erlebte die Berichterstattung über den Mord und verfasste zu Ehren und in Erinnerung an den Jugendlichen ein Musical-Oratorium, dem Tagebuchaufzeichnungen, Berichte der Eltern und Freunde als Textgrundlage dienten.
Oskar Egle hatte den Komponisten anlässlich der österreichischen Erstaufführung in Götzis kontaktiert und dieser richtete an die Zuhörenden seine Botschaft. Das war eine hervorragende Idee, denn die Zuspielung stellte eine persönliche Beziehung her und vergegenwärtigte die Relevanz der Komposition zusätzlich. Bunt wie das Leben des Jugendlichen verfasste der Komponist die einzelnen Stücke des dreiteiligen Werkes in ganz unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen. Diese Vielseitigkeit macht das Werk kurzweilig, stellt jedoch gleichzeitig hohe Ansprüche an die Ausführenden.
Brillante Interpretationskunst
Die Vocale Neuburg unter der Leitung von Oskar Egle spannte den Bogen, ausgehend vom Prolog über die Passion bis zum Epilog, mit einer bewundernswert wandlungsfähigen Ausdruckskraft. Die unterschiedlichen Stile, die der Chor mühelos aufeinanderfolgen ließ, vom homophonen Satz über rhythmisch artikulierte Passagen bis hin zu vielstimmigen Gospelhymnen, erklangen allesamt markant artikuliert und intonationssicher. Von Beginn an zogen die Sänger:innen die Zuhörenden in ihren Bann. Die Sprecherin Johanna Ludescher trug wesentliche Inhalte der Tragödie vor. So stellte sich in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kulturbühne eine konzentrierte Ruhe ein und das kollektive Gemeinschaftserlebnis der Ausführenden auf der Bühne und dem Publikum im Auditorium war beeindruckend spürbar.
Die Solist:innen, allen voran Larissa Schwärzler, beseelten und verkörperten die Pop- und Jazzsongs mitreißend. Den emotionalen Höhepunkt bildete der Song „Keep it Away From Me“. In Balladen gefasste Tagebuchaufzeichnungen von Matthew, wie „Innocence“ und „I need Breath“ gestaltete David Lins mit seiner fein timbrierten Tenorstimme hervorragend aus. Clemens Morgenthaler stellte die Abschnitte „The Fence“ und die Wechselgesänge mit dem Chor „Fire of the Ancient Heart“ kraftvoll in den Raum. Auch Anjulie Hartrampf, Eva-Maria Heinzle und Anna Warzinek bereicherten mit ihren Soli die Darbietungen.
Das Musical Oratorium beinhaltete zahlreiche Passagen, die aufhorchen ließen. Die in unterschiedlichsten Stilen ausgeformten Teile wurden von einem gut fassbaren, sinnlichen Hauptthema und dessen Variationen zusammengehalten. Die Instrumentierung mit Violine (Elena Marabinei Zamorano), Viola (Leopold Schwinghammer), Violoncello (Maria Gay Fernandez), Kontrabass (Nazar Kocherga), Klarinette (Martin Schelling), Gitarre (Amin Asgare), sowie Perkussion (Mathias Schmidt) eröffnete zahlreiche emotionale Klangfelder. Vor allem der Einsatz der Marimba, oft im Zusammenwirken mit dem Klavier, und die E-Gitarre unterstrichen die Stimmungen der einzelnen Passagen.
Die Botschaft eindringlich vermittelt
Nach einer intensiven Aufführung reagierten die Zuhörenden euphorisch und dankten mit Standing Ovations. Die Aufführung war ein starkes Statement für mehr Toleranz in unserer Gesellschaft. Dies gelang, weil ein weitsichtiger Chorleiter die Mitwirkenden mit packender Energie dirigierte sowie engagierte und leistungsfähige Sänger:innen und Musiker:innen alles gaben. Als äußeres Zeichen konnten die Konzertbesucher:innen die Botschaft mittels Postkarten mit nach Hause nehmen.