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Martina Pfeifer Steiner · 31. Mär 2024 · Literatur

Unkonventionelle Bestandsaufnahme

Heinz Wäger, Einblick in 60 Jahre Gestaltung

Überraschendes Pocket-Format, sehr modern, im besten Sinne. Vielleicht wollte sich Heinz Wäger auch selbst überraschen lassen, was daraus wird, wenn er einen Spalt aufmacht, zum Einblick in 60 Jahre Gestaltung, und wie weit seine initiative Tochter und der Grafiker diesen öffnen werden, wo der Lichtkegel hinfällt, was beleuchtet wird. Die Vorarbeit hat er geleistet. Heinz Wäger fasste den Entschluss, Ordnung zu schaffen, aufzuarbeiten, was ein Lebenswerk ist, und mit Umsicht und Freude lud er in das „Exil“, sein Atelier, gab vier Monate lang Einschau (siehe „KULTUR“ Nov. 22). Dass das vorarlberg museum dann am Vorlass Interesse zeigte und man zudem feststellte, dass dieses Werk genügend Stoff und Themen für eine Publikation hergibt, war die Folge.

Uta Belina Waeger kann ihren Vater für das konsequente Durchziehen dieses Vorhabens nur bewundern, wie sie im Vorwort schreibt, und zieht den Hut vor „seinen Anfängen in den Neunzehnfünfzigern, als ihm sein Malermeistertum nicht ausreichte und er – ohne Matura – ein Designstudium an der Hochschule für Gestaltung in Ulm draufsetzte“. Im Interview der Mitherausgeberin für das vorarlberg museum, Ute Denkenberger, erzählt Heinz Wäger ausführlich über seinen Werdegang, seine Ideen, seine Anliegen, aber auch bemerkenswert Originelles aus seinen jungen Jahren: wie er nach der Gesellenprüfung in die Schweiz zum Arbeiten ging und sich mit dem ersten verdienten Geld „im März 1957 von Götzis aus mit dem Fahrrad auf eine fünfmonatige Reise“ begab, die ihn und seinen Malerkollegen Werner bis nach Marokko führte! Dieser Freund habe ihm auch zugeredet, die Aufnahmeprüfung in Ulm zu machen.

Design und Architektur

Neben der Galerie QuadrArt von Schwiegersohn Erhard Witzel ist Verena Konrad für das vai Vorarlberger Architektur Institut die Dritte im Bunde der Herausgeberschaft. In ihrem Essay „Gestaltung als Haltung“ widmet sie sich tiefgründig den Lehren aus Ulm und den Anfängen der Hochschule für Gestaltung (HfG) rund um die Geschwister Scholl und Otl Aicher. Man kann ein Gefühl dafür bekommen, was der Student aus dieser Lebensstation mitgenommen hat: „Die in Ulm erlernte Arbeitsweise, Aufgaben als Probleme zu behandeln, interdisziplinär zu betrachten und Lösungen zu suchen, hat Heinz Wäger nie aufgegeben. Ein Erbe aus Ulm ist zudem die strenge Methodik und Exaktheit der Sprache und schließlich das Entwickeln oder Anwenden systemischer Verfahren.“
Diese Publikation will keine Monografie sein und es auch nicht mit dem Buch über seinen berühmten Bruder Rudolf Wäger, einem der Pioniere der Vorarlberger Baukünstler, aufnehmen. Doch jede Erzählung über die Wäger-Brüder beginnt eigentlich mit Heinz, dem ältesten, der durch viel Anregung und Material aus Ulm die jüngeren beeindruckte. Da wollten die drei – Heinz gerade das erste Studienjahr, Siegfried die Maurer- und Rudolf die Zimmermannslehre absolviert – schon einmal zeigen, was sie unter Architektur verstehen und errichteten eigenhändig auf Vaters Grundstück ein radikal-modernes Haus mit Flachdach in Götzis. Wie es mit der Architektur dann bei Heinz weiterging, berichtet Architekturhistoriker Robert Fabach sehr fundiert und ordnet dessen Œuvre in den „gebauten Diskurs“ der Vorarlberger Baukultur ein.
Zur außergewöhnlichen Buchgestaltung von Wolfgang Ortner – Grafiker in Linz und als Partner der Enkelin verwandtschaftlich verbunden – gibt es ebenfalls noch einiges anzumerken: Er wollte ein Gebrauchsbuch machen, ein handliches, zum Einstecken, das auch für junge Architekt:innen und Designer:innen interessant ist, inspiriert von den radikalen Ansätzen des Protagonisten, genauso gut durchdacht und sparsam im Umgang mit den Ressourcen, ohne Premiumanspruch, nicht luxuriös, aber innovativ. Es sind im Endeffekt zwei Softcover-Büchlein geworden, das Papier leicht in der Grammatur, doch nicht zu dünn. Der Standardkarton der beiden Umschläge ergibt vollflächig zusammengeklebt eine feste Registerkarte, die den Textteil von jenem mit den Bildern markant trennt. Eine Bestandsaufnahme, die von der Recherche über 60 Jahre Gestaltung in Architektur, Design, Objekt berichtet und über einen, der sich nie ins Rampenlicht stellen wollte, sondern konsequent seine Visionen verfolgt hat.

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR März 2024 erschienen.

Heinz Wäger, Einblick in 60 Jahre Gestaltung: Architektur, Design, Objekt. Hrsg. vm vorarlberg museum, vai Vorarlberger Architektur Institut, QuadrArt Dornbirn, Verlag für moderne Kunst, Wien 2023, 272 Seiten, Softcover, ISBN 978-3-99153-067-1, € 22,54