Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 31. Mär 2024 · Musik

Musik und Film und Kopfkino

Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.

Zu Ostern 2023 tauchten Tobias Grabher, sein Kammerorchester Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier in die Welt der Nibelungen ab. Die Zusammenarbeit der jungen Musiker:innen mit dem Schriftsteller und Erzähler war für alle gleichermaßen inspirierend und so gibt es dieses Jahr zu Ostern ein gemeinsames Fest, mit dem das Kino und filmmusikalische Klangwelten gefeiert werden. Kompositionen unter anderem von Erich Wolfgang Korngold, Toru Takemitsu, Nino Rota und Bernard Herrmann projizierten Bilder in die Köpfe der Zuhörenden. Michael Köhlmeier verstärkte die musikalischen Erlebnisse mit seinen unterhaltsamen und informativen Erzählungen maßgeblich.

Der Dirigent und Posaunist Tobias Grabher stellt für die von ihm gegründete Camerata Musica Reno stets durchdachte Programme zusammen und führt das Publikum in vielschichtige Fantasiewelten. Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Kammerorchester einen herausragenden Ruf erarbeitet. Als musikalischer Leiter und Dirigent hat Tobias Grabher seither enorm viel Profil gewonnen. Detailreich und mit markanter Gestik leitete er im voll besetzten Theater Kosmos die Musiker:innen. Der gute Kontakt zwischen ihm und den Orchestermitgliedern zeigte sich unter anderem in den profilierten Werkdeutungen. Bemerkenswert war überdies die Spiel- und Gestaltungsfreude des Kammerorchesters. Dass dabei die Kongruenz zwischen den Stimmgruppen am ersten Konzertabend nicht immer gegeben war, tat dem emotionalen Erleben der Werkdeutungen keinen Abbruch.
Für sein Kammerorchester griff Tobias Grabher auch auf „reduzierte Fassungen“ von groß besetzten Filmmusiken und Kompositionen von Fauré und Dukas zurück. Vor allem Korngolds „Robin Hood und seine fröhliche Schar“ und Paul Dukas‘ „Der Zauberlehrling“ stellten die Orchester:musikerinnen vor Herausforderungen. Denn diese beiden Werke schöpfen ihre schillernde Kraft vielfach aus spektakulären und farbenreichen Orchesterklangwirkungen. So bestand das Hörvergnügen der Fassungen für Kammerorchesterbesetzung vornehmlich darin, die transparent dargestellten thematischen Hauptlinien wahrzunehmen.

Mit Elan und Eleganz

Mit dem Werk „Robin Hood und seine fröhliche Schar“ von Erich Wolfgang Korngold leitete die Camerata Musica Reno den vergnüglichen Konzertabend ein. Die energetischen Phrasierungsbögen und straffen Artikulationen sowie die spannungsgeladen zelebrierten harmonischen Wendungen wirkten erfrischend. Danach zog das Kammerorchester die Zuhörenden mit mehreren Tänzen in seinen Bann. Zuerst ließ der „Waltz“ von Toru Takemitsu aufhorchen. Klanglich feinsinnig und elegant formten die Musiker:innen die Themen und ließen dabei den Linienführungen durch die sensibel ausgeführte Dynamik freien Lauf. Ebenso mitreißend musizierte das Orchester die „Ballabili – Danze da ,Il Gattopardo‘“ von Nino Rota. Die Soli des Holzbläserquintetts setzte Tobias Grabher in feine Beziehungsfelder der Streicher und gab ihnen Raum und Zeit zur Entfaltung. Den klangsinnlichen Höhepunkt bildete das „Balletto“. In der Quadrille sowie im Galopp brachten die Holzbläser die Themen mit vergnüglich zelebrierten Vorschlagsmotiven und der Vergrößerung der Gesten zur Geltung. Passend zu den Tänzen war die „Pavane“ von Gabriel Fauré gewählt; in diesem Werk zelebrierten Tobias Grabher und die Musiker:innen den gut austarierten Gesamtklang des Streichorchesters mit viel Bedacht aufeinander und gegenseitigem Einverständnis. 

Spannung pur

Im Zentrum des „Erzähl-Kino-Konzertes“ stand die Suite zum legendären Hitchcock-Thriller „Psycho“ von Bernard Herrmann. Das Streichorchester spielte die Eingangspassage mit Dämpfer. Die dringliche musikalische Gestik und die gleichzeitig „gedrosselte“ Klangentfaltung der Streichinstrumente entwickelten eine enorme Spannung. Voll auf Attacke gingen die Musiker:innen im Abschnitt „The murder“ im Zentrum des unheimlichen Klangerlebnisses. Auch in diesem Werk verstärkten die ausgewogene Stimmbalance und das aufmerksame aufeinander Hören der Orchestermitglieder die Atmosphäre.

Anregende Ein- und Ausblicke

Michael Köhlmeier führte mit anregenden Geschichten und vielen Informationen durch das Programm und rief Filmerlebnisse, einzelne Filmszenen sowie berühmte Schauspieler:innen in Erinnerung. Nicht die Filminhalte erzählte er nach, sondern er brachte faszinierende Informationen rund um die Filme ein. Begeistert berichtete Michael Köhlmeier von Charlie Chaplin und bahnbrechenden Filmtechniken des Alfred Hitchcock. Eine Lanze brach er für die große Kunst der Synchronisation und regte damit zum Weiterdenken an. Goethes „Zauberlehrling“ deutete Michael Köhlmeier psychologisch und brachte die narzisstische Kränkung kulturhistorisch mit Talos, Golem und Frankenstein in Verbindung. Eindrücklich schilderte er damit die Urangst des Menschen, dass eine Erfindung besser sein könnte als die menschliche Spezies. 
Abschließend musizierte die Camerata Musica Reno unter der Leitung von Tobias Grabher den „Zauberlehrling“ von Paul Dukas. Auch in dieser Interpretation begeisterten die Orchestermusiker:innen, die zum größten Teil zwischen 20 und 25 Jahren sind und sich noch im Studium befinden, durch herausragende Qualitäten. Zuerst führten sie die Zuhörenden in die ruhige Atmosphäre des Zauberers, indem sie die atmosphärische Stimmung mit viel Ruhe entfalteten. Daraus kristallisierten sie die markanten Themen der Zauberformel, des zum Leben erweckten Besens und die sich immer unkontrollierbarer anschwellenden Wassermassen plastisch und mitreißend heraus.

Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier: „Alles Kino! Ein Abend für die Filmmusik"
weitere Vorstellung: 31.3. und 1.4., jeweils 19.30 Uhr / ausverkauft!
Theater Kosmos, Bregenz

https://theaterkosmos.at/veranstaltung/konzert-camerata-musica-reno/