Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Dagmar Ullmann-Bautz · 27. Nov 2009 · Theater

Wenn die Probe für die Hilfsaktion zur eigentlichen Hilfsaktion wird! Theater Kosmos präsentiert "Benefiz" als österreichische Erstaufführung

Ende November feierte das Theater Kosmos seine vierte und letzte Premiere in diesem Jahr und schließt damit den Kosmos-Theater-Zyklus ab, der heuer einen Blick auf Innenwelten warf, aber auch ganz deutlich die globalisierte Welt ins Visier nahm. „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ ist das dritte Stück von Ingrid Lausund neben „Hysterikon“ und „Bandscheibenvorfall“, das vom kleinen Bregenzer Theater zur Österreichischen Erstaufführung gebracht wird.

Fragen der political correctness ...

Der Kosmos-Theaterraum offenbart sich dem Publikum in seiner einfachsten Form – als Proberaum: kleine Bühne mit fünf Notenständern, zwei Tischen, Kaffeemaschine, Wasser, Gläser, Obst, Kekse, volle Aschenbecher, ein Keyboard, ein Lichtpult. Die Zuschauertribüne ist verändert, überraschend  versetzt nach einer Idee von Peter Büchele. In diesen Raum  kommen nacheinander fünf Schauspieler, die sich zu einer Probe treffen, und schon die Begrüßung entlarvt verschiedene Charaktere und relativ wenig Gemeinsames. Zusammen erarbeiten sie einen Benefizabend mit dem Ziel, Pläne für eine Schule in Guinea Bissau zu verwirklichen. Ein Abend mit Texten, Liedern, Dias, ein Abend, der die Großzügigkeit des Publikums, die Bereitschaft zu Spenden, wecken soll. Obgleich dasselbe Ziel vor Augen, beginnen die Schwierigkeiten postwendend – die Frage, was politisch korrekt ist, zieht sich durch die gesamte Probe und wird von jedem der Protagonisten anders, grundsätzlich anders beantwortet.

... und individuelle Eitelkeiten

Es macht Spaß die Schauspieler zu beobachten, wie sie individuelle Eitelkeiten pflegen und ihr Unvermögen offenbaren, für die gemeinsame Sache über den eigenen Schatten zu springen. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein, in ihre Professionalität, in ihrer Haltung gegenüber und ihrem Verständnis von Entwicklungshilfe. Die fünf Schauspieler Daniela Gaets, Tatjana Velimirov, Hubert Dragaschnig, Peter Hottinger und Armin Schlagwein brillieren in ihren Rollen, präsentieren ein schnelles, gewandtes Spiel. Lausund hat, wie nicht anders erwartet, einen intelligenten, treffsicheren Text geschrieben, der zudem herrlich spaßig ist.

Frecher Humor und Grenzüberschreitungen

Regisseur Augustin Jagg konnte zum wiederholten Mal sein Talent für Schauspielerführung und federleichten, frechen Humor unter Beweis stellen. Wenn es um die überspannten Grundsatzdebatten der Schauspieler geht – darum, was man darf und was nicht, und dabei diese Unterschiedlichkeiten aufeinanderprallen, sind die Pointen scharf und punktgenau platziert – bravo! Doch das Thema birgt auch ganz große Gefahren – die Gefahr, Grenzen zu überschreiten. Klar, Theater darf Grenzen überschreiten, muss es auch tun, um Themen zu transportieren. Doch dürfen Grenzen überschritten werden, einfach nur der Lacher wegen? Dies passiert beispielweise, wenn der Schauspieler im Stück in seiner Textunsicherheit beginnt über die Anzahl der verhungernden Menschen zu kalauern. Die Frage ob nun 8 oder 80 Millionen Menschen in Afrika jährlich sterben gerät dabei zur vielbelachten Kabarettnummer.
Ganz zum Schluss, nachdem man sich 90 Minuten vorrangig amüsiert hat, zwischendurch auch ein wenig betroffen war –nicht alle (hinter mir hat eine Frau durchgekichert) – frage ich mich: Und worum geht’s jetzt eigentlich? Was will die Autorin, was die Regie? Ist dies hier eine Kritik an Benfizveranstaltungen und -sendungen, in deren Dienst sich bekannte und weniger bekannte Prominente stellen, oder die Spiegelung gesellschaftlicher und eigener Unzulänglichkeiten in Bezug auf den Umgang mit sozialen und humanitären Katastrophen und der damit einhergehenden  Spendenthematik? Ersteres dann wohl eigentlich nicht, denn der Abend selbst endet mit einem echten Spendenaufruf. Zweites schon eher und  ja, vielleicht ist es genau das: Das Theater stellt sich in den Dienst der Sache, setzt sich für die Ärmsten der Armen ein. Missstände aufzeigen, sich für Ungerechtigkeiten, für Unterdrückte einsetzen ist und war schon immer eine besonders wichtige Aufgabe der Kunst, des Theaters!