Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 06. Jun 2015 · Theater

Was nützt denn schon eine Seele – Erzählerin Hertha Glück und Saxofonist Robert Bernhard bringen Oscar Wildes Kunstmärchen „Der Fischer und die Seele“ in einer eigenwilligen Fassung auf die Bühne

Eigentlich kennt man Hertha Glück als Geschichtenerzählerin, Wanderführerin und Autorin. Seit Kurzem betätigt sie sich nun auch als Bühnendarstellerin. Dazu hat sie sich mit dem Saxofonisten Robert Bernhard zusammengeschlossen. Gemeinsam und mit tatkräftiger choreografischer und regiemäßiger Unterstützung der Hamburger Theaterschaffenden Diana Raile haben sie mehrere Erzählungen dramatisiert und einstudiert. Eine davon, Oscar Wildes Kunstmärchen „Der Fischer und seine Seele“, haben sie am Freitagabend im Küefer-Martis-Huus in Ruggel (Liechtenstein) zur Aufführung gebracht.

Die Geschichte handelt von einem Fischer, der eine Meerjungfrau fängt. Er lässt sie erst wieder frei, nachdem sie ihm verspricht, dass sie zu ihm kommt, wenn er sie ruft, und mit ihrem schönen Gesang Fische in sein Netz lockt. Er verliebt sich in das Wesen und will mit ihm unbedingt zusammen im Meer leben. Doch die Meerjungfrau sagt ihm, dass dies nur möglich sei, wenn er sich von seiner Seele trennt, denn die Angehörigen des Meervolkes haben keine Seele. Der Fischer fragt sich, was ihm seine Seele denn überhaupt nütze und versucht einen Weg zu finden, diese loszuwerden. Erst über eine junge, schöne Hexe, mit der er auf dem Hexensabbat tanzen muss, von der er sich aber nicht verführen lässt, erhält er die gewünschte Anleitung, wie er sich seiner Seele entledigen kann. Am Strand schneidet der Fischer mit dem Messer der Hexe seinen Schatten - seine Seele - von den Füßen. Die Seele fleht ihn an, wenn er sie schon allein in die Welt schickt, so möge er ihr das Herz mit auf den Weg geben. Doch das Herz braucht der Fischer selbst, um seine Nixe zu lieben. Er lebt mit ihr glücklich im Meer, doch alle Jahre taucht die verlassene Seele am Strand auf und berichtet dem Fischer, wie es ihr in der Welt ergangen ist. Einmal erzählt sie, den Schlüssel zur Weisheit gefunden zu haben, ein andermal, den Weg zu allem Reichtum. Doch das alles ist dem Fischer nichts wert gegen seine Liebe. Nach dem dritten Jahr versucht es die Seele mit der Verheißung von Schönheit: Sie erzählt dem Fischer von einem Mädchen, das irgendwo in der Stadt mit nackten, weißen Füßen tanzt. Die Meerjungfrau hat keine Füße, und so scheint es dem Fischer, er habe bei aller Liebe doch etwas verpasst. Also geht er mit der Seele. Das Mädchen finden sie nicht, vielmehr sieht der Fischer mit Entsetzen, wie unsagbar böse seine herzlose Seele auf ihrer einsamen Wanderung durch die Welt geworden ist. Er hat seine Seele verloren und nun, da er sich von ihr zur Untreue verlocken ließ, auch seine geliebte Seejungfrau. Seine böse Seele wird von nun an nicht mehr von seinen Füßen weichen, das ist seine Strafe. Er geht zurück ans Meer und ruft nach der Meerjungfrau. Doch sie kommt nicht mehr. Nach drei Jahren ist der Fischer bereit, seine Seele wieder bei sich aufzunehmen, denn in ihrer Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit sind sie längst eins. Doch die verzweifelte Seele findet keinen Eingang in sein Herz, und als sie dies sagt, ertönt über dem Meer ein Schmerzensschrei, das Zeichen, dass jemand vom Meervolk gestorben ist. Dann findet er seine Meerjungfrau tot am Strand, legt sich zu ihr und stirbt. Als sein Herz bricht, findet die Seele einen Eingang in sein Herz.

Ins Walserische übersetzt


Oscar Wildes Geschichte vom Fischer und seiner Seele ist, wie eigentlich alle seine Märchen, traurig und bitter und ohne Happy End. Es geht um Liebe, vor allem um die universelle Liebe. Ob letztlich eine Seele notwendig ist, muss jeder für sich entscheiden. Ohne Herz jedenfalls führt sie ins Unglück. Eigentlich müsste man aus dem Stück die Quintessenz ziehen, dass man unsterblich wäre, wenn es die Seele nicht gäbe.

Hertha Glück, die 1960 in Raggal geboren wurde, hat Wildes Vorlage in die Walser Mundart übertragen. Allerdings hat sie ihre Lesart mit hochdeutschen Passagen angereichert, um den Text auch für Nicht-Walser verständlich zu machen. Und mit Bezug auf die vier Grundelemente versucht sie, der Geschichte eine spezielle sprachliche Struktur einzuhauchen. Der Fischer in seiner euphorischen Leichtigkeit steht bei ihr für Luft, die herumwandernde Seele für die Erde, die Nixe für die Liebe und die Hexen für das Feuer. Und jedem dieser Elemente misst Hertha Glück eine eigene Sprechgeschwindigkeit zu. Mit einer intensiven Gestik und Mimik und ständigem Blickkontakt gelingt es Glück, das Publikum während fast eineinhalb Stunden mit ihren Sprachbildern zu fesseln.

Der Ritt auf dem Saxofon


Die kongenialen Musikbilder dazu entwickelt der Saxofonist Robert Bernhard. Alles, was Glück nicht zur Sprache bringt, steuert Bernhard mit seinen Tenor- und Sopran-Saxofonen als Soundimpulse bei. Der Musiker, der am Landeskonservatorium Vorarlberg und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien studiert hat, beherrscht seine Instrumente par excellence. Er hat zu den Geschichten eigene Themen komponiert, von denen ausgehend er in der Aufführung dann virtuose Improvisationen ableitet. Dabei holt er sprichwörtlich alles aus seinen Instrumenten heraus, was es herauszuholen gibt. Er umfasst, presst, würgt, malträtiert seine Geräte, reitet fast auf ihnen herum und scheint in sie hineinkriechen zu wollen. Mal schlägt er harmonische Läufe an, um im nächsten Moment dann wieder in schrille, ächzende, fiepsende, freejazzige Soundcluster abzutauchen. Das Meer, der Tanz der Hexen, die herumirrende Seele - Bernhard findet die richtigen musikalischen Entsprechungen und füllt mit Sound auf, was die Sprache offengelassen hat.

Märchen, auch wenn es Kunstmärchen sind, sind sicher nicht jedermanns Sache. Aber in dieser pfiffigen Aufbereitung und auf den mitreißenden Saxofon-Sound-Teppich gebettet, kann ein Kunststück, dem gegenüber man zunächst keine allzugroßen Erwartungshaltungen hegte, zu einem kurzweiligen Vergnügen ausarten.

Die Aufführung „Der Fischer und seine Seele“ ist Teil des Rahmenprogramms zur aktuellen Ausstellung „Alte Gschechta und alti Sache“, die noch bis 6. September im Küefer-Martis-Huus in Ruggel zu sehen ist.

 

www.herthaglueck.at
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