Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Thorsten Bayer · 06. Mai 2012 · Theater

Von Einbrechern im Niemandsland zu Goldgräbern auf dem Friedhof – die Improvisationstheater-Gruppe „Paroli“ in der Kammgarn Hard

Theater ohne Textbuch, der Zufall als Regisseur: Das ist Improtheater. Publikum und Schauspieler lassen sich gleichermaßen vom Treiben auf der Bühne überraschen. Nur 5 Sekunden bleiben den Spielern: „5-4-3-2-1-Go!“, ruft das Publikum. Am Samstagabend überzeugte die Vorarlberger Gruppe „Paroli“ in der Kammgarn. Renée Lormans, Ingrid Hansmann, Harald Kuntschik und Paul Sandholzer wurden von einem „Ein-Mann-Orchester“ – erstmals Matthias Gmeiner am Keyboard – begleitet und boten mit originellen Einfällen und übersprudelnder Spielfreude den Zuschauern beste Unterhaltung.

Die Wurzeln des modernen Improvisationstheaters liegen in der Commedia dell´Arte und der Stegreifkomödie. Der Brite Keith Johnstone gilt als einer der Erfinder dieser Kunstform, die häufig als „Theatersport“, bei dem zwei Gruppen im Wettstreit um die Gunst des Publikums spielen, zu sehen ist. Von Johnstone stammt auch das Zitat: „Bin ich inspiriert, geht alles gut, doch versuche ich es richtig zu machen, gibt es ein Desaster.“

Aktive Rolle des Publikums

Die Inspiration war an diesem Abend offensichtlich auf der Seite der Künstler. Nach drei Stunden intensiver Vorbereitung im Team und Gmeiners kurzer Einleitung mit Bluesklängen am Keyboard betraten die vier die Bühne. Zur Einstimmung auf den folgenden Abend intonierten sie mit Unterstützung des Publikums in drei Gruppen ein Madrigal, das sich um die Themen „Superman“; „Schwiegermutter“ und „Hass“ drehte. Diese drei Begriffe waren Vorschläge aus dem Zuschauerraum. Damit wurde schon gleich zu Beginn ein Muster deutlich, das sich durch den ganzen Abend ziehen sollte. Den Zuschauern kommt eine große Rolle bei der Gestaltung der Show zu. Immer wieder unterbrechen die Spieler mit dem Signal „Freeze“ das Spiel der Kollegen, um selbst an die Stelle eines anderen zu treten oder weitere Ideen aus dem Publikum einzubauen. Spontane Gesangseinlagen sind ein weiteres Element der Show.

Verschiedene Disziplinen

Im Anschluss bot „Paroli“ verschiedene kurze und stets kurzweilige Szenen, die immer wieder für großes Gelächter sorgten. Beispielsweise wurden in der Disziplin „Quadrat“, bei der die vier sich in dieser Form aufstellten, abwechselnd vier verschiedene Szenen präsentiert, die sich jeweils fortsetzen. Bei einer anderen Disziplin verließen zwei Schauspieler kurz den Saal. Die anderen beiden stellten mit den Begriffen „Einbruch“, „Schokolade-Diebstahl“ und „Niemandsland“ – wiederum Vorgaben aus dem Publikum – eine Geschichte dar. Für die wieder dazugeholten Spieler gab es die Szene ein zweites Mal zu sehen – aber dieses Mal ohne Ton. Diese Vorlage nutzten die beiden für ihre eigene Interpretation: Sie machten daraus einen nächtlichen Besuch auf dem Friedhof, bei dem sie die ausgegrabenen Leichen ihrer Goldzähne beraubten.

„Weg vom ewigen Hirnen“

„Paroli“, die momentan einzige aktive Improgruppe Vorarlbergs, gibt es seit dem Jahr 2000. Für Gründungsmitglied Renée Lormans ist Improtheater „ein wertvoller Ausgleich zum Alltag sowie eine wundervolle Art, ‚loszulassen’ und sich auf den Moment einzulassen. Weg vom ewigen Hirnen zur Kreativität des Moments! Das Ganze funktioniert nur im Team, man muss sich gegenseitig kennen, vertrauen, herausfordern, und sich auf die anderen verlassen können.“ In der jetzigen Besetzung ist die Gruppe seit rund zwei Jahren zusammen. Dass an diesem Abend in Hard ein fünftes Mitglied fehlte, das sich ausschließlich um die Moderation kümmert, fiel bei dem spürbar großen gegenseitigen Verständnis der vier kaum ins Gewicht.

Ausgelassenes Gelächter

Ein Höhepunkt des Abends folgte nach der Pause: Das Studiogespräch einer Journalistin (Renée Lormans) mit Hermann Bärmann (Harald Kuntschik), einem anerkannten Experten für Gummibärchen, sorgte in der Simultanübersetzung in Gebärdensprache (großartig: Paul Sandholzer) für ausgelassenes Gelächter. Die Erfahrung der Künstler aus „klassischen“ Theatergruppen machte sich hier bezahlt. „Bei fast allen Spielern ist es so, dass sie in anderen Gruppen spielen oder gespielt haben. Das ist auch fast Voraussetzung für das Improtheater, dass man den ‚Rucksack’ mit Material schon mitbringt und nicht bei null anfängt – zumindest wenn man beabsichtigt, aufzutreten und dafür Eintritt zu verlangen“, erzählte Lormans mit einem Lächeln.

Schade nur, dass die Resonanz an diesem Abend etwas spärlich war. Die mitreißende Show der vier und ihrem Ein-Mann-Orchester hätte ein größeres Publikum verdient gehabt.

 

Wer neugierig auf Improtheater geworden ist: Kurse werden immer wieder in Vorarlberg angeboten. Informationen beim Landesverband für Amateurtheater: www.lva-theaterservice.at
Weitere Infos, auch zu Buchungsmöglichkeiten und den nächsten Terminen von „Paroli“: www.paroli.cc