Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Dagmar Ullmann-Bautz · 11. Jul 2012 · Theater

Starke Emotionen, Selbstironie und Mut – OPEN SPACE im Rahmen des poolbar-Festivals in Feldkirch präsentierte sich in bunter Vielfalt

netzwerkTanz hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vorarlberger Tanzszene zu beleben und Tanzschaffende in ihrer künstlerischen Entwicklung zu unterstützen und zu fördern. Mehrmals im Jahr bietet netzwerkTanz unter dem Titel OPEN SPACE TänzerInnen – von wo auch immer – die Möglichkeit, sich einem Publikum zu präsentieren. Diese Plattform wird sehr rege von Profis, TanzschülerInnen, Amateuren und Vereinen genutzt. Neben bereits fertigen Kurzstücken können auch Auszüge aus bestehenden oder entstehenden Produktionen präsentiert werden. Einzige Vorgabe ist ein zeitlich gefasstes Limit von mindestens 5 und maximal 15 Minuten.

Das Besondere an diesem in Österreich einmaligen Format ist der Zugang des Publikums zur direkten Stellungnahme, indem es die Möglichkeit bekommt, auf einem vorbereiteten Feedbackbogen seine Meinung zum Gesehenen abzugeben. In einer Experten-Feedbackrunde, diesmal mit Natalie Begle und Kjersti Sandsto, jeweils am Schluss der Veranstaltung darf sich das Publikum nochmals mit Fragen und Ansichten zu Wort melden.

Der bewusste Verzicht auf technische Perfektion und die Vorgabe einer einfachen Bühnenausleuchtung für alle hat zur Folge, dass die Konzentration ganz beim Tänzer, bei der Tänzerin liegt, führt aber leider auch, wie eben hier im Hallenbad, dazu, dass die technisch verkabelte und verstellte Umgebung vom Wesentlichen ablenkt. Das wurde vom Publikum so auch bemängelt.

Schwierige Feedbackrunde

Der Abend mit fünf verschiedenen Tanzstücken zeigte eine große Bandbreite an Möglichem in unterschiedlichster Qualität. Natalie Begle, Tanzpädagogin und Choreografin aus Vorarlberg, und Kjersti Sandsto, Tänzerin und Choreografin aus Norwegen, beobachteten die PerformerInnen sehr genau, doch in der Feedbackrunde wurde klar, wie schwierig es ist, besonders bei den Stückausschnitten eine konstruktive, eine adäquate und für die Beteiligten bereichernde Rückmeldung zu geben.

Voller Ironie

„Primary Emotions – An Empirical Body Analysis" von und mit Alexandra Degenhardt-Zach, Alina Stockinger und Veza Fernandez-Ramoz war das erste Stück des Abends. Live begleitet vom Musiker Denovaire zeigten die drei Tänzerinnen einen kleinen Ausschnitt aus ihrer Forschungsarbeit zu emotionaler Intelligenz, zur unendlichen Welt menschlicher Gefühle. Dass unsere Mimik uns und unsere Gefühle verrät, ist wohl allen klar und auch dass wir unsere Mimik zu kontrollieren versuchen und so unseren Mitmenschen etwas vorgaukeln können. Die wechselnden Grimassen der Tänzerinnen waren eindeutig, sehr scharf gezeichnet und höchst unterhaltsam. Den Zustand Glück verpackten die Tänzerinnen in eine witzige, sehr lebendige und ironische Form. Am Ende wünschte man sich mehr dieser Forschungsarbeit zu sehen.

Männliche Kraft und weibliche Hormone

Anschließend erlebte das Publikum eine Geburt aus einem großen Blumentopf heraus und begleitete den Tänzer Dominik Feistmantl ein leider zu kurzes Stück Leben. Mit unglaublich schöner und kraftvoller Körpersprache erzählte der 20-jährige Vorarlberger, der zur Zeit in Amsterdam an der School of Arts Modern Theater Dance studiert, eine kleine, sehr bewegte Geschichte unter dem Titel „LIFE pathways“ und demonstrierte damit sein großes tänzerisches Potential.

Julia Danzinger hat ihre musikalische Ausbildung am Konservatorium und Musikgymnasium in Wien erhalten sowie Tanztraining am Centre National de la danse Paris (CND) absolviert. Neben ihrer Arbeit als Tänzerin unterrichtet sie Tanz am WUK in Wien.

Julia Danzinger präsentierte beim OPEN SPACE eine Auseinandersetzung mit dem eigenen, mit dem weiblichen Körper und seinen Hormonausschüttungen. Die Entwicklung vom Unerkennbaren, Anonymen, Unbeholfenen zur selbstbewussten Frau und schließlich zur Lady in Red, war immer wieder durchbrochen von Störaktionen ihrer Hormone. Die detail- und ideenreiche Auseinandersetzung mit weiblichen Zuständen hätte jedoch an manchen Stellen ein Quäntchen mehr Genauigkeit vertragen.

Getanzte Wahrhaftigkeit

Die vierte Performance des Abends war etwas ganz Besonderes – die Age Company Wien zeigte einen Ausschnitt aus ihrer aktuellen Produktion „Achtung Deadline“. Frauen über 50 erarbeiteten in einem künstlerischen Prozess eine zeitgenössische Tanz-Performance, die gängige Meinungen zum Thema Altern ordentlich in Frage stellt. Mit unglaublicher Intensität und größter Wahrhaftigkeit bewegten sich die an Lebenserfahrungen reichen Tänzerinnen auf der Bühne. Nicole Berndt-Caccivio zeichnet verantwortlich für die gelungene Choreographie zur Musik von Rupert Huber.

Exakte Körperbeherrschung

Den Schluss des Abends gestaltete die dänische Tänzerin Edith Buttingsrud Petersen mit einem ungewöhnlichen Körperexperiment. Unter der Leitung der Linzer Choreographin Ilona Roth entstand ein Tanzgefüge mit starken, sehr exakten, ja extravaganten Körperbildern, die zu fesseln vermochten. Excerpt Edith ist ein Teil des Tanzprojektes „The Hype“ von Transitheart Productions, dem Kunstlabel von Ilona Roth.

Die abschließende Gesprächsrunde klärte noch die eine oder andere Frage und entließ ein für Tanz begeistertes Publikum und so manchen mit dem Wunsch, den einen oder die andere TänzerIn bzw. Company bald wiederzusehen!